Meinung Schwer erträglich fürs Ahrtal

Nach der Flut: Meterhoch türmen sich im Juli 2021 Wohnwagen, Gastanks, Bäume und Schrott an einer Brücke über der Ahr in Altenah
Nach der Flut: Meterhoch türmen sich im Juli 2021 Wohnwagen, Gastanks, Bäume und Schrott an einer Brücke über der Ahr in Altenahr.

Von der Staatsanwaltschaft Koblenz geht in Sachen Ahrtal ein bedenkliches Signal aus: Wenn der Staat Menschen in Katastrophenfällen nicht rettet, passiert – nichts.

Emotional ist es ein Schlag in die Magengrube der Opfer und der Hinterbliebenen, dass die Staatsanwaltschaft Koblenz nach mehr als zwei Jahren das Ermittlungsverfahren zur Flutkatastrophe im Ahrtal einstellt. Große Erwartungen wurden geweckt, als im August 2021 ein Verfahren gegen den damaligen Landrat Jürgen Pföhler (CDU) wegen Tötung durch Unterlassen eröffnet wurde. Alles, was bisher bekannt ist, lässt nur einen Schluss zu: Dieser Landrat hat sich nicht gekümmert, während sich über mehr als sieben Stunden die tödliche Flut durch das enge Tal wälzte.

Ohne Gerichtsverfahren bleibt die Frage unbeantwortet, wie es in Rheinland-Pfalz um Artikel 2 des Grundgesetzes steht: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“ Eine wesentliche Aufgabe des Staates ist es, Sicherheit herzustellen. Dafür gibt es moderne Methoden, um Starkregen und Hochwasser vorherzusagen, dafür gibt es einen staatlich organisierten Katastrophenschutz.

Sehr belastende Ermittlungen

Das System hat in der Flutnacht versagt. Die Anzahl von 135 Toten ist nicht damit zu erklären, dass die Opfer unvernünftig waren. Nein, sie haben sich an die Warnungen gehalten, das Haus nicht zu verlassen. Sie vertrauten dem System. So wie Johanna Orth aus Bad Neuenahr-Ahrweiler, die nur 22 Jahre alt werden durfte. Ihre Eltern kämpfen nun dafür, dass sie als Nebenkläger an einem Gerichtsverfahren teilnehmen können, dass sie volle Akteneinsicht erhalten. Einsicht in die Arbeit vieler Polizeikräfte, die bei den sehr belastenden Ermittlungen vor Ort akribisch vorgegangen sind. Auch unter ihnen gibt es Stimmen, die von der Staatsanwaltschaft enttäuscht sind.

Nicht zuletzt deshalb, weil die Aufarbeitung vor Gericht neben der strafrechtlichen Schuldfrage das Thema Verantwortung noch einmal in den Fokus gerückt hätte, nachdem der Untersuchungsausschuss des Landtags sehr gute Aufklärungsarbeit geleistet hat.

Politisch keine Verantwortung übernommen

Ein Systemversagen hat immer auch mit handelnden Personen zu tun. Im Ahrtal gab es keinen Helmut Schmidt. Der frühere SPD-Bundeskanzler ist 1962 als Polizeisenator in Hamburg zum Helden geworden, weil er bei der Sturmflut strukturiert, aber unkonventionell Hilfe organisierte, um Tausende Menschen zu retten. Damals starben mehr als 300 Menschen, doch die Rettung der Vielen ist im kollektiven Gedächtnis geblieben.

In der Flutnacht im Ahrtal gab es zahlreiche Heldinnen und Helden, Feuerwehrleute oder Rettungsdienstler, die bis zur Erschöpfung Menschenleben gerettet haben. Statt eines Helmut Schmidts gab es aber Landrat Pföhler vor Ort. In Mainz war Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), die sich informieren ließ, der damalige Innenminister Roger Lewentz (SPD) fuhr zu einem Fototermin ins Ahrtal und ließ sich dann auch informieren, die damalige Umweltministerin Anne Spiegel war mit einem Parteifreund essen. Lewentz und Spiegel sind später zurückgetreten, haben aber keine politische Verantwortung für die Flutopfer übernommen. In Rheinland-Pfalz erinnert politische Verantwortung damit an die Herstellung einer homöopathischen Tinktur. Sie wird so lange verdünnt und geschüttelt, bis am Ende kein Wirkstoff übrig bleibt, sondern ein Placebo. Ein schöner Schein.

Ahrtal: Alle weichen der Verantwortung aus

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