Politik Oggersheimer Kellergespräche

Das hat es in der deutschen Rechtsgeschichte so noch nicht gegeben. Als Schadenersatz für die Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte durch das Buch „Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle“ wird Altbundeskanzler Helmut Kohl eine Million Euro zugesprochen. Es geht um Tonbandprotokolle von Gesprächen, die anderthalb Jahrzehnte zurückliegen.

Er werde Helmut Kohl in Ludwigshafen umgehend über das Urteil informieren, kündigt Rechtsanwalt Thomas Hermes im Kölner Landgericht an. Es gehe dem Altbundeskanzler den Umständen entsprechend gut. Auf jeden Fall nehme er vollen Anteil an der Gerichtsentscheidung. „Es ist eine unglaubliche Summe“, sagt ein sichtlich erschütterter Heribert Schwan. Der 72-Jährige, ein ehemaliger Fernsehjournalist und Verfasser zahlreicher Biografien ist einer der beiden Autoren des Buchs und Kohls ehemaliger Ghostwriter. „Das ist natürlich auch existenzvernichtend“, sagt er: „Ich kann’s nach wie vor nicht begreifen.“ 2001 und 2002 verbrachte Schwan mehr als 600 Stunden im Keller von Helmut Kohls Bungalow in der Marbacher Straße in Ludwigshafen-Oggersheim. Um als Ghostwriter die Memoiren des „Kanzlers der Einheit“ zu schreiben, ließ er sich von ihm sein Leben erzählen. Drei dicke Bände kamen heraus – Schwans Name wird darin nirgendwo genannt. Dann verkrachten sich die beiden. Der vierte Band der Kohl-Erinnerungen – unter anderem über die Zeit der CDU-Spendenaffäre – erschien nicht mehr. Schwan legte mit einem Buch nach, das er sich diesmal nicht von Kohl absegnen ließ. Dafür wertete er die Kassetten aus, auf denen er die langen Kellergespräche aufgenommen hatte. Der 2014 im Heyne-Verlag erschienene Band verkaufte sich 200.000 Mal. Kohl wurde darin mit teils vernichtenden Äußerungen über zahlreiche Personen des öffentlichen Lebens wiedergegeben – von Angela Merkel bis Prinzessin Diana. Vor Gericht setzte Kohl allerdings rasch durch, dass das Buch in dieser Form nicht mehr verbreitet werden durfte. Und dann forderte er Schadenersatz. Fünf Millionen. Schwan ist sich keiner Schuld bewusst. „Wenn es einen Hauch von Verschwiegenheit gegeben hätte, hätte ich das niemals gemacht“, beteuert er auch gestern noch. Doch das Gericht sieht es anders. Als Ghostwriter sei Schwan zur Geheimhaltung verpflichtet gewesen, erläutert der Vorsitzende Richter Martin Koepsel. Kohl habe einiges gar nicht so gesagt: „Das gilt beispielsweise für grobe Schimpfwörter. Das findet sich einfach nicht wieder.“ Ausgestanden ist die Sache mit dem Urteil nicht: Die Autoren und der Verlag gehen in Berufung. Die Gespräche im Oggersheimer Keller werden die Gerichte wohl noch einige Zeit beschäftigen. |dpa/har

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