Politik Leitartikel: 70 Jahre jung

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Rheinland-Pfalz wird 70.

Rheinland-Pfalz feiert heute Geburtstag. Das Kunstgebilde von einst ist eine feste Größe geworden. Die Bewohner des Landes und seine politischen Repräsentanten können stolz darauf sein. Eine Gratulation. Kein anderes Bundesland hat so viele unterschiedliche Nachbarn wie Rheinland-Pfalz.

Am 70. Geburtstag von Rheinland-Pfalz darf man noch mal in Erinnerung rufen, was viele seiner Bewohner gar nicht mehr wissen: Dieses Land ist ein Kunstgebilde, geschaffen von den westlichen Siegermächten des Zweiten Weltkrieges. Es ist nicht gegründet auf gewachsenen regionalen Strukturen, auf landsmannschaftlichen Verbindungen, auf historischen Zusammengehörigkeiten. Sein Raum und seine Grenzen orientierten sich 1947 an Demarkationslinien, Besatzungszonen und Interessen der Siegermächte. Das Künstliche an Rheinland-Pfalz wie auch an anderen Bundesländern war gewissermaßen eine Strafe für die Deutschen als Antreiber und Verlierer des Krieges. Das ist lange her. Und was damals als Strafe gedacht war, erwies sich rasch als Chance. Eine Chance, welche die Bewohner des Landes und ihre politischen Repräsentanten entschlossen ergriffen haben. Natürlich ist Rheinland-Pfalz auch heute nicht ein Land aus einem Guss. Dafür sind seine Regionen – die Eifel, der Hunsrück, der Westerwald, das Moselland, der Mittelrhein, Rheinhessen und die Pfalz – einfach zu unterschiedlich. Aber aus dieser Vielfalt ist auch eine übergeordnete Einheit gewachsen. Das Land funktioniert. Regionale Eigenständigkeiten, wie der Bezirkstag der Pfalz, werden akzeptiert. Es gibt eine Solidarität der stärkeren mit den strukturschwächeren Regionen. Die Regierungen und der Landtag haben keine einseitigen Präferenzen gehabt. Die Kunst des politischen Kompromisses – ein Wesensmerkmal der Demokratie – ist aufgrund der so unterschiedlichen Gegebenheiten im Land in Rheinland-Pfalz besser gelernt worden als anderswo. Alle Regierungschefs aus Mainz spielten in der Bundespolitik immer wieder eine vermittelnde Rolle. Auch eine andere Chance, die sich aus der Künstlichkeit und der Lage von Rheinland-Pfalz ergab, haben seine Bewohner genutzt. Kein Bundesland beherbergt so viele unterschiedliche deutsche Stämme, und keines hat so viele unterschiedliche Nachbarn wie Rheinland-Pfalz: im Süden die Franzosen in Elsass und Lothringen, im Westen die Saarländer, Luxemburger und Belgier, im Norden die Rheinländer, im Osten die Hessen und die Badener. Auch diese Vielfalt hat die Bewohner des Landes zu besonderen Integrationsleistungen im Inneren und zur Weltoffenheit nach außen angespornt. Die Zusammenarbeit mit allen Nachbarn ist pragmatisch, vom Alltagsnutzen geprägt, oft sogar freundschaftlich. Es gibt keine Feindbilder mehr. Die Rheinland-Pfälzer haben im Kleinen vorgemacht, wie es im großen Europa funktionieren kann. Aus dem Land des Waldes, der Rüben und der Reben ist ein europäisch dicht vernetzter Standort global agierender Industrie, kräftigen Mittelstandes, moderner Landwirtschaft, hervorragenden Weinbaus und wegweisender Forschung geworden. Rheinland-Pfalz ist reich an Natur- und Kulturdenkmälern und ein sehr beliebtes Ziel für Touristen. Man muss Rheinland-Pfalz nicht lieben. Aber man kann es mögen. Kaum einer möchte es abschaffen, und auch Länderneugliederungen werden, trotz aller Sparzwänge, mit zunehmendem Alter der Bundesrepublik Deutschland immer unwahrscheinlicher. Man darf stolz sein auf das in Rheinland-Pfalz Geschaffene. Es zeugt von Vernunft und Tatkraft seiner Bewohner und von einem alles in allem funktionierenden politischen System, um das uns viele Nachbarn beneiden. Herzlichen Glückwunsch und: alles Gute zum 70., Rheinland-Pfalz!

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