Politik IG Metall macht Tempo und erhöht den Druck

So wie gestern in Berlin ruft die IG Metall in diesen Tagen bundesweit zu Warnstreiks auf .
So wie gestern in Berlin ruft die IG Metall in diesen Tagen bundesweit zu Warnstreiks auf .

Begleitet von Warnstreiks gehen die Tarifverhandlungen für die 3,9 Millionen Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie in die dritte Runde. Der Leiter des für Rheinland-Pfalz zuständigen IG-Metall-Bezirks Mitte, Jörg Köhlinger, sieht keinen Grund dafür, dass die Gewerkschaft von ihren Forderungen abrückt.

Jörg Köhlinger drückt aufs Tempo. Die Argumente seien ausgetauscht, die Positionen bekannt, es gebe „keinen Grund, etwas auf die lange Bank zu schieben“, strebt der IG-Metall-Bezirksleiter für Ende Januar/Anfang Februar ein „akzeptables Ergebnis“ an. Ein ambitioniertes Vorhaben, denn anders als in Baden-Württemberg, wo die Verhandlungen am Donnerstag in die dritte Runde gehen, findet diese im Bezirk Mitte – neben Rheinland-Pfalz auch Hessen, das Saarland und Thüringen – erst eine Woche später statt. Weitere Verhandlungstermine gibt es noch nicht. Auch jener Bezirk, in dem am Ende über einen Pilotabschluss verhandelt wird, der üblicherweise auf die anderen Regionen übertragen wird, ist offenbar noch nicht ausgeguckt. Dafür, daran lässt Jörg Köhlinger keine Zweifel, bereitet sich die IG Metall bereits darauf vor, die Auseinandersetzung gegebenenfalls mittels 24-Stunden-Warnstreiks (siehe Stichwort) weiter eskalieren zu lassen. Damit solle der „Einigungsdruck“ auf die Arbeitgeber erhöht werden. Denn derzeit, kritisiert Köhlinger, könne er auf Arbeitgeberseite „noch nicht das Konstruktive erkennen“. Knackpunkt dieser Tarifrunde ist und bleibt das Thema Arbeitszeit. Neben sechs Prozent mehr Entgelt fordert die IG Metall für die Beschäftigten das Recht, ihre Arbeitszeit bis zu zwei Jahre lang auf bis zu 28 Stunden zu verkürzen. Besonders in Harnisch bringt die Arbeitgeber, dass die IG Metall für bestimmte Beschäftigtengruppen einen Lohnzuschuss verlangt, der die mit der kürzeren Arbeitszeit einhergehende Entgelteinbuße teilweise ausgleichen soll. Darüber will die Arbeitgeberseite erst gar nicht verhandeln, denn da solle, so die Kritik, für gar nicht geleistete Arbeit bezahlt werden. „Am Ende des Tages werden die Arbeitgeber nicht daran vorbeikommen, darüber zu reden“, ist Jörg Köhlinger überzeugt, dass die Gegenseite ihre Blockadehaltung früher oder später aufgeben wird. Schließlich seien die Forderungen der IG Metall wohl begründet. So sei Schichtarbeit, die im Bezirk Mitte von 40 Prozent der Beschäftigten geleistet werde, „extrem belastend“. Dieser Personenkreis soll bei „verkürzter Vollzeit“ einen jährlichen Zuschuss von 750 Euro erhalten. In der Praxis würde die Arbeitszeitverkürzung durch zehn zusätzliche Freischichten im Jahr umgesetzt. „Auch wenn Beschäftigte die Arbeitszeit reduzieren um Kinder zu erziehen oder Angehörige pflegen, muss es einen Entgeltzuschuss geben“, betont Jörg Köhlinger. Schließlich ließen sich so Arbeit und Familie für viele besser miteinander vereinbaren. Das wiederum könne die Arbeit in der Metall- und Elektroindustrie insbesondere für Frauen attraktiver machen, kontert der Gewerkschafter die Kritik der Arbeitgeber, durch kürzere Arbeitszeiten werde der hier und da schon bestehende Fachkräftemangel verschärft. Die Fronten sind derzeit auch deshalb so verhärtet, weil die Forderung nach einem Rechtsanspruch auf Arbeitszeitverkürzung plus anschließender Rückkehrmöglichkeit auf Vollzeit aus Sicht vieler Arbeitgeber in ihre unternehmerische Entscheidungsfreiheit eingreift. Die IG Metall ihrerseits verlangt für die Beschäftigten „mehr Selbstbestimmung“ in Fragen der Arbeitszeit; dies auch angesichts der um sich greifenden Flexibilisierung. Sie sieht sich hier auch in einer Vorreiterrolle mit Blick auf eine über die Branche hinausreichende Debatte darüber, wie künftig gearbeitet wird. Der „Grundkonflikt“ lasse sich zurückführen auf die Frage, wer über die Gestaltung der Arbeitszeit im Betrieb entscheide, meint Jörg Köhlinger. Die Arbeitgeber hatten in der zweiten Verhandlungsrunde neben einer Einmalzahlung eine Lohnerhöhung von zwei Prozent angeboten – was die IG Metall als unzureichend zurückwies. Gehört das Pokern um Lohnprozente zum üblichen Ablauf von Tarifrunden, so ließ die mit dem Angebot verbundene Forderung nach mehr Möglichkeiten für eine Ausdehnung der Wochenarbeitszeit aufhorchen. So möchten die Arbeitgeber die derzeit geltenden Quoten, die für einen Teil der Mitarbeiter eines Betriebs die Ausdehnung der Arbeitszeit auf bis zu 40 Wochenstunden ermöglichen, am liebsten ganz streichen. In Rheinland-Pfalz liegt diese Quote bei 13 Prozent. Man habe ein „gutes Angebot“ vorgelegt und erwarte von den Gewerkschaftsvertretern, „dass die sich jetzt bewegen“, heißt es bei Gesamtmetall. Zwar habe die Gewerkschaft für die Verhandlungen „keinen Tabukatalog“ aufgestellt, sagt Jörg Köhlinger zu solchen Vorstellungen, stellt aber klar: „Eines werden wir nicht machen: einfach die Arbeitszeit ausweiten.“ Und am Ende müsse eine „Paketlösung“ aus mehr Lohn und einer Einigung in Sachen Arbeitszeit stehen. Für zusätzlichen Gesprächs- und Konfliktstoff dürfte ein Gutachten des Münsteraner Arbeitsrechtlers Clemens Höpfner sorgen. Das von Gesamtmetall in Auftrag gegebene Gutachten kommt zu dem Schluss, dass die Umsetzung der IG-Metall-Forderung rechtswidrig, weil diskriminierend wäre: Eine Arbeitszeitverkürzung mit teilweisem Lohnausgleich benachteilige nämlich jene Mitarbeiter, die bereits heute in Teilzeit arbeiten und solch einen Zuschuss nicht erhalten.

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