Wissen Bei der Wettervorhersage noch Luft nach oben

Eine Gewitterzelle in der Nähe von Passau, aufgenommen von einem Flugzeug aus.
Eine Gewitterzelle in der Nähe von Passau, aufgenommen von einem Flugzeug aus.

Unwetterkatastrophen und Klimaextreme fordern Menschenleben und verursachen Sachschäden in Milliardenhöhe. Wettervorhersagen haben daher für die Gesellschaft eine enorme Bedeutung und werden noch wichtiger werden.

Insgesamt gelangt die Vorhersagbarkeit des Wetters an eine natürliche Grenze – die ist allerdings Experten zufolge nicht erreicht: „Wir haben noch großes Potenzial, um die Wetterprognosen für die mittleren Breiten weiter zu verbessern. Aber ab einem bestimmten Punkt sind die Möglichkeiten ausgeschöpft“, sagt Michael Riemer, Meteorologe am Institut für Physik der Atmosphäre der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). Mit Kollegen hat er untersucht, wie gut Wettervorhersagen im günstigsten Fall sein können. Den Berechnungen zufolge wäre ein Zugewinn von vier bis fünf Tagen möglich.

Allgemeine Lage für sieben bis zehn Tage sattelfest

In den hiesigen mittleren Breiten könne die allgemeine Wetterlage derzeit für sieben bis zehn Tage im Voraus recht gut bestimmt werden. „Das war nicht immer so. Die Qualität der Prognosen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten wesentlich verbessert“, erläutert Riemer, der Experte für Dynamische Meteorologie ist. Heute sei eine Sieben-Tage-Vorschau etwa genauso gut wie eine Vorhersage für vier Tage vor 30 Jahren. Höhere Computerleistungen und neue Beobachtungen hätten in der Vergangenheit zur höheren Genauigkeit beigetragen, aber trotzdem seien die Prognosen in manchen Fällen noch ausgesprochen schlecht.

Dies liegt nach Expertenmeinung nicht nur an Schwächen der Methoden, sondern daran, dass in einer chaotischen Atmosphäre manche Wetterlagen per se schwer vorhersagbar seien. Großräumige Sturmtiefs ließen sich zum Beispiel etwa sieben Tage im Voraus feststellen, bei Gewittern sei der Zeitraum wesentlich kürzer. „Und je weiter wir nach vorne blicken, desto größer sind die Fehler“, berichtet der Mainzer Meteorologe.

Dass es eine Grenze der Vorhersagbarkeit gibt, werde seit den 1960er-Jahren erforscht. Denn im Gegensatz zu den Gezeiten oder der Bahn von Planeten wohne dem System Atmosphäre ein sogenanntes intrinsisches Limit inne, eine natürliche, ultimative Grenze der Vorausschau. „Die Forschung kam immer wieder zu den gleichen Ergebnissen: Die Vorhersagbarkeit beträgt im besten Fall rund zwei Wochen“, so Michael Riemer.

Zusammen mit den Meteorologen Tobias Selz und George Craig von der Ludwig-Maximilians-Universität München habe er eine systembedingte Grenze der Prognose bestätigen können. Des Weiteren habe das Forscherteam untersucht, welche Prozesse dafür verantwortlich sind. „Die Vorhersagen werden zurzeit am stärksten durch Fehler bei den Anfangsbedingungen beeinträchtigt. Wenn wir diese Basis, mit der wir unsere Computermodelle füttern, verbessern, dann werden auch die Vorhersagen besser“, gibt sich der JGU-Meteorologe zuversichtlich.

Das Team habe anhand quantitativer Schätzungen zeigen können, dass grundlegende Faktoren besser erfasst werden müssten, also der Wind, der Winddruck, die Temperatur und der Strahlstrom. „Wir erreichen die immanente Grenze, wenn wir die Anfangsfehler hier um 80 bis 90 Prozent reduzieren“, sagt Riemer. Dadurch könnte der zuverlässige Zeitraum um die genannten vier bis fünf Tage gestreckt werden. Sei dieser 90-Prozent-Rahmen ausgeschöpft, ändere sich jedoch der Mechanismus, und es seien nicht mehr die großen Faktoren maßgeblich.

Ab diesem Punkt dominiere der sogenannte Schmetterlingseffekt das Geschehen; er bedeutet, dass schon ein minimaler Auslöser wie ein Flügelschlag große Veränderungen nach sich ziehen kann. „Erst jetzt kommen Gewitter als Hauptträger des Schmetterlingseffekts ins Spiel“, berichtet der Mainzer Meteorologe.

Investitionen in Beobachtung der Atmosphäre lohnenswert

Der Schmetterlingseffekt gehe auf den US-Meteorologen Edward Lorenz zurück, der vor rund 60 Jahren postuliert habe, dass die Vorhersagbarkeit eines komplexen Systems wie der Atmosphäre begrenzt ist. Störungen, die zu klein seien, um beobachtet zu werden, könnten wachsen und das Wetter nach einer gewissen Zeit komplett verändern. „Die einzelnen Gewitterzellen sind im Grunde die Schmetterlinge in unserer Studie. Aber für bessere Vorhersagen müssen wir zunächst die großen Einflussfaktoren ins Visier nehmen“, sagt Michael Riemer. Es würde sich lohnen, die Beobachtung und Vermessung der Atmosphäre zum Beispiel mithilfe von Satelliten voranzubringen.

„Das Potenzial der Wettervorhersage ist noch nicht ausgereizt und könnte in den kommenden Jahrzehnten erheblich verbessert werden“, lautet das Fazit des Experten für Dynamische Meteorologie.

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