Wirtschaft Strom billiger, dafür Sprit teurer?

Mittlerweile kommt rund ein Drittel der deutschen Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen wie Wind- und Solarenergie.
Mittlerweile kommt rund ein Drittel der deutschen Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen wie Wind- und Solarenergie.

«Berlin/Düsseldorf.» Der Siegeszug des Ökostroms soll sich dem Klimaschutz zuliebe auch im Straßenverkehr oder beim Heizen fortsetzen. Bislang steht dem aber die hohe Steuer- und Abgabenlast für Strom im Wege.

Müssen fossile Brennstoffe wie Benzin, Gas und Öl höher besteuert werden, der umweltfreundliche Strom dagegen geringer? Diese Forderung bricht sich immer stärker Bahn - und das nicht nur in der Politik. Auch führende Vertreter der Strombranche sprechen sich für eine Änderung der Prioritäten aus – sie wittern große Geschäfte, wenn künftig etwa Autos oder die Heizung vermehrt mit grünem Strom betrieben werden. Johannes Teyssen, Chef des Eon-Konzerns und lange als Bremser bei der Energiewende verschrien, findet: „Sinnvoll wäre eine Klimaabgabe, die Öl, Gas und Kohle stärker als bisher belastet, aber dafür Strom entlastet.“ Gemessen an den Ankündigungen der Parteien müsste er da wohl Grün wählen: „Erneuerbare Energien werden mit uns günstiger, fossile teurer“, heißt es im Wahlprogramm der Öko-Partei. Innogy-Chef Peter Terium stimmt mit ein: Beim Haushaltskundenpreis für Strom liege der Anteil an Steuern, Umlagen und Abgaben bei 54 Prozent. Beim Erdgas und Erdöl sei es gerade mal die Hälfte. „Aus der Stromwende muss eine echte Energiewende werden“, fordert er. Schon vor einem Jahr hieß es im Entwurf des Klimaschutzplans: „Die Bundesregierung wird spätestens im Herbst 2017 ein Konzept zur haushaltsneutralen Umgestaltung der Abgaben und Umlagen im Bereich des Verkehrs vorlegen.“ Geprüft werden solle, „inwiefern zusätzliche Abgaben auf fossile Kraftstoffe und Heizstoffe“ den Klimaschutz voranbringen könnten. Doch kaum hatte das Wirtschaftsministerium das Papier in der Hand, waren die Sätze verschwunden. Eine Debatte über höhere Sprit- und Heizölpreise vor der Wahl? Undenkbar. Danach aber wird das Tabu mit großer Sicherheit gebrochen. „Ich halte das für unvermeidbar“, sagt Patrick Graichen, Chef des Forschungsinstituts Agora Energiewende. Anders seien die Klimaziele nicht zu halten. Dass dort nach der Wahl nachgesteuert werden muss, hat auch Bundeskanzlerin Angela Merkel noch einmal deutlich gemacht. Besonders im Verkehr tut sich viel zu wenig. Die geringen Spritpreise der vergangenen Jahre kombiniert mit der Steuervergünstigung für Diesel haben das Wachstum auf der Straße noch angeheizt. Die Stromlobby macht sich für die so genannte Sektorkopplung stark. Während die Parteiprogramme von CDU und SPD hier von „fördern“, „voranbringen“ und „weiterentwickeln“ sprechen, werden die Konzerne deutlicher: „Damit das funktioniert, muss man sich aber darüber Gedanken machen, wie etwa der Einsatz von Strom im Wärmebereich wettbewerbsfähig werden kann“, sagt RWE-Chef Rolf Martin Schmitz. Tuomo Hatakka von Vattenfall argumentiert andersherum, das Ergebnis ist ähnlich: „Der Ausstoß von CO2 im Wärmesektor muss einen Preis bekommen.“ Für Privathaushalte und energieintensive Betriebe müsse es dafür Entlastungen geben. Und EnBW betont: „Um die Sektorkopplung auch kostenseitig attraktiv zu machen, sollte über Anpassungen im Steuer-, Abgaben- und Umlagesystem nachgedacht werden.“ Da sind sie nicht weit von Graichen von der Agora entfernt: „Der Energieträger, den wir immer sauberer machen, nämlich Strom, machen wir immer teurer.“ Klimaschädliche wie Benzin, Diesel und Heizöl seien dagegen vergleichsweise gering belastet. Der Ausbau der Netze und die Umlage zur Förderung des Ökostroms würden aber ausgerechnet Elektrizität in den kommenden Jahren zusätzlich verteuern. Das wolle sicher kein Wirtschaftsminister vertreten. Graichen plädiert daher dafür, die Ökostrom-Umlage mit höheren Steuern für Benzin, Diesel oder Heizöl zu senken. Im Effekt ähnlich wäre eine CO2-Steuer, also eine Abgabe nach Treibhausgas-Ausstoß. Sie hätte den Charme, dass damit ein weiteres Problem gelöst werden kann: Immer noch wird Strom zu einem großen Teil aus klimaschädlicher Braunkohle erzeugt. Eine CO2-Steuer würde die schmutzigsten Anlagen aus dem Markt drängen. Um Debatten über die Arbeitsplätze im Tagebau im Wahlkampf zu vermeiden, soll erst im nächsten Jahr eine Kommission zusammentreten. Dort soll der Braunkohle-Ausstieg vorbereitet und die betroffenen Regionen dann parallel gefördert werden. Leichter wird sich die Politik damit tun, Strom billiger zu machen. Im Visier steht dort vor allem die Ökosteuer. Sie wurde zu Zeiten eingeführt, als Strom fast ausschließlich aus Kohle- oder Atomkraftwerken kam. Mittlerweile kommt aber rund ein Drittel aus Erneuerbaren. Um etwa 2 Cent pro Kilowattstunde könnte die Abgabe reduziert werden, rechnen Energieverbände vor. Mit Blick auf die Klimaziele 2020 und 2030 wird das allerdings kaum reichen.

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