Rohstoffe Rohstoffe als Russlands Trumpf

Deutschland bezog bisher über die Hälfte seines Erdgasbedarfs aus Russland. Das Foto zeigt Rohrsysteme und Absperrvorrichtungen
Deutschland bezog bisher über die Hälfte seines Erdgasbedarfs aus Russland. Das Foto zeigt Rohrsysteme und Absperrvorrichtungen in der Gasempfangsstation der Ostseepipeline Nord Stream 1 in Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern).

In Zeiten, in denen mit Atomwaffen gedroht wird, mögen Preisdebatten zweitrangig erscheinen. Russlands Rohstoffreichtum ist aber nicht nur zur Finanzierung seines Militärs, sondern auch für die Energie und Mobilität des Westens mitentscheidend. Wie abhängig ist Deutschland?

Die Sanktionen gegen Russland wegen des Ukraine-Krieges sind schon beträchtlich – einen potenziell besonders drastischen Schritt behält der Westen aber noch in der Hinterhand. Was könnte geschehen, falls Importe von Gas, Öl, Kohle, Metallen und weiteren Grundmaterialien aus der Rohstoff-Großmacht verboten werden?

Bei Energie und natürlichen Ressourcen ist die Verwundbarkeit hoch. Weltbank und Internationaler Währungsfonds warnen: „Die Auswirkungen des Krieges greifen auf andere Länder über, die Rohstoffpreise werden angetrieben und könnten die Inflation noch anheizen – was die Ärmsten am schwersten träfe.“

1. Gas per Pipeline

Deutschland bezog nach Daten der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) zuletzt über die Hälfte seines Erdgasbedarfs aus Russland. Das Gas strömt über Transitleitungen durch die Ukraine und Belarus sowie über Nord Stream 1 durch die Ostsee. Die Zertifizierung von Nord Stream 2 ist wegen des Angriffs auf die Ukraine gestoppt. Weitere wichtige Erdgaslieferanten für die Bundesrepublik sind Norwegen (gut 20 Prozent) und die Niederlande (etwa 11 Prozent).

Die deutsche Förderung ist rückläufig, aus ihr lassen sich noch 5 bis 6 Prozent des heimischen Verbrauchs decken. Neben ihrer Verwendung als Heiz- oder Treibstoffe sind Erdgasgemische unerlässlich für die chemische Industrie und weitere Sektoren. In der Energiewende soll das Gas, bei dessen Verbrennung meist weniger CO2 frei wird als bei flüssigen Kohlenwasserstoffgemischen, als „Brücke“ eingesetzt werden. Die Bundesregierung plant den Aufbau einer nationalen Gasreserve, um angesichts relativ niedriger Speicherstände von zurzeit 28 Prozent für Engpässe gerüstet zu sein.

2. Gas per Schiff

Auch in Deutschland kommt jetzt Bewegung in schon länger gehegte Pläne, auf LNG auszuweichen. LNG ist tiefgekühltes Erdgas, das mit Schiffen transportiert werden kann. LNG könnte bis zu zwei Drittel der derzeitigen Gasexporte aus Russland ersetzen. Bundeskanzler Olaf Scholz will in Wilhelmshaven und Brunsbüttel Terminals bauen lassen. Umweltschützer sehen LNG kritisch, weil ein Rückgriff auf Gas das Erreichen der Klimaziele aufschiebe – sie hoffen nun eher auf einen „Turbo“ für die Energiewende mit Ökostrom.

3. Erdöl

Russland ist auch ein zentraler Lieferant des „schwarzen Goldes“. Verkäufe von Schwergewichten wie Rosneft oder Lukoil sind für Chemie und Pharmazie oder die Kunststoffindustrie wichtig, denn Öl ist ein Grundstoff für zahlreiche Produkte. In Europa geht die Eigenproduktion nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) weiter zurück, während die Weiterverarbeitung erdölbasierter Produkte zunimmt – Importe bleiben also wichtig. Russland hatte 2021 einen Anteil von 34 Prozent an den deutschen Öleinfuhren. Während Deutschland und weitere IEA-Staaten einen Teil ihrer nationalen Ölreserven freigeben, will die von Saudi-Arabien und Russland dominierte „Opec Plus“ die Fördermengen nur vorsichtig erhöhen.

4. Kohle

Vor allem im Kusnezker Becken in Sibirien wird viel Steinkohle gewonnen. Russland ist für die Bundesrepublik Lieferland Nummer eins, 2021 kamen 57 Prozent der importierten Hartkohle und Hartkohleprodukte wie Briketts oder Koks dorther – ein kurzfristiger Ersatz gilt als äußerst schwierig. Erste Politiker schlagen vor, das angepeilte deutsche Kohle-Aus bis zum Ende des Jahrzehnts zu überdenken. Soll dies vermieden und zugleich die Importabhängigkeit gesenkt werden, muss die Energiewende sehr schnell vorankommen.

5. Metalle und Mineralien

Für Industriegüter werden Metalle und Metallverbindungen gebraucht. Russland ist nach China, Australien und Brasilien viertwichtigster Produzent. Alu-Komponenten stecken in Autos, Flugzeugen, Gebäuden, Konsumgütern oder Verpackungen. Nickel ist Bestandteil verschiedener Stahlsorten, ebenso Eisen und als Vorstufe Eisenerze. Kobalt wird in Batterien eingesetzt, Kupfer in so gut wie allen elektrischen Produkten. Platin und Palladium – bei letzterem hatte Russland 2018 einen Förderanteil von 43 Prozent – werden für Auto- und Industrie-Katalysatoren gebraucht. Mit Blick auf den Bedarf an Batterie-Rohstoffen durch die E-Mobilität gibt es europäische Initiativen, um mehr Metalle in heimischen Lagerstätten abzubauen. Ob das reicht, wenn Verkehr und Energiesystem komplett umgebaut werden sollen, ist fraglich.

6. Stahl

Ohne Stahl keine Autos, keine Maschinen, keine Bauwerke. Einerseits werden aus Russland kommende Metalle wie Nickel in den Legierungen verwendet, zum anderen ist das Land selbst ein großer Produzent von Fertigstahl. Die Ukraine hat ebenfalls eine große Stahlindustrie, 2020 war sie der viertgrößte Nettoexporteur.

7. Uran

In Deutschland läuft die Kernkraft aus, doch andere EU-Länder wie Frankreich sind weiter auf Nuklearbrennstoffe wie Uran angewiesen. Von 2015 bis 2020 nahm Russland bei der Förderung natürlichen Urans laut BGR Platz 7 ein, bei 6 Prozent Weltmarktanteil. Auf Rang eins lag mit großem Abstand die Ex-Sowjetrepublik Kasachstan.

8. Agrarrohstoffe

Die Ukraine gilt als „Kornkammer Europas“, auch für die EU ist sie wichtiger Agrarhandelspartner und laut dem europäischen Bauernverband der viertgrößte externe Lebensmittellieferant. Besonders wichtig sind Getreide- und Pflanzenölimporte. Auch in Russland ist die Produktion landwirtschaftlicher Güter ein bedeutendes Geschäft.

x