Unternehmen Pfälzer Hilfe für Corona-Impfstoffe

Das zweite Werk von Lipoid am Standort Ludwigshafen ist erst wenige Jahre alt.
Das zweite Werk von Lipoid am Standort Ludwigshafen ist erst wenige Jahre alt.

Manche Unternehmen sind auf ihrem Gebiet Weltmarktführer und doch oft nur einem Fachpublikum bekannt. So etwa der hoch spezialisierte Ludwigshafener Mittelständler Lipoid, der einen wesentlichen Beitrag zur Produktion von Corona-Impfstoffen leistet.

Dabei geht es um die Gruppe der mRNA-Impfstoffe, wie sie die Biotechnologieunternehmen Moderna, Cambridge/Massachusetts, Biontech in Mainz und Curevac in Tübingen produzieren, wobei die Zulassung für das Curevac-Mittel noch aussteht. Die Ludwigshafener Lipoid trage wesentlich zur Produktion dieser Impfstoffe bei, sagt Frank Schubert, der Geschäftsführer des Pfälzer Herstellers von Hilfsstoffen für die Pharmaindustrie, der annähernd 500 Mitarbeiter zählt, davon rund 250 am Unternehmenssitz in Ludwigshafen. Die im Impfstoff enthaltene mRNA brauche die richtige Verpackung, erläutert Schubert, damit sie am gewünschten Wirkort überhaupt ankommt. Hierfür würden Produkte von Lipoid eingesetzt.

Um den Beitrag von Lipoid zu verstehen, muss man das Wirkprinzip der mRNA-Impfstoffe kennen. mRNA-Impfstoffe verwenden Boten-Ribonukleinsäure (mRNA) um die körpereigene Immunantwort auf das Virus Sars-CoV-2 zu stimulieren. Die mRNA trägt dabei die Information oder den Bauplan für ein bestimmtes Virusmerkmal (Virusantigen). Damit können die Zellen im menschlichen Körper dieses Antigen selbst produzieren. Die Zellen präsentieren es dann auf ihrer Oberfläche und lösen dadurch die gewünschte spezifische Immunantwort aus. Wenn der Körper dann mit Sars-CoV-2 in Kontakt kommt, erkennt das Immunsystem das spezifische Antigen und kann das Virus und somit die Infektion schnell und gezielt bekämpfen.

Hülle aus Lipiden

Damit dies aber alles genau so funktioniert, muss die mRNA in menschliche Zellen gelangen. Würde man mRNA einfach spritzen, würde sie vom Körper sehr schnell zerstört. Deshalb muss sie richtig verpackt werden, damit sie auch dort ankommt, wo sie hin soll. Und hier kommen die Phospholipide ins Spiel, die die Ludwigshafener Lipoid herstellt. Die mRNA braucht einen Hülle aus mehreren Lipiden, fettähnlichen Substanzen, um als Impfstoff zu wirken und überhaupt zu Körperzellen und in deren Inneres zu gelangen. Für diese Hülle werden Phospholipide verwendet, die das Ludwigshafener Unternehmen herstellt.

Wen unter den mRNA-Produzenten Lipoid beliefert, darf Schubert nicht sagen. Nur soviel: Unter den mRNA-Impfstoffen seien Phospholipide von den beiden Lipoid-Produktionsstandorten Ludwigshafen und Köln prominent vertreten. Sie sind laut Schubert außerdem Bestandteil eines weiteren Nicht-mRNA-Impfstoffes gegen Corona, der sich nahe an der Zulassungsschwelle befindet.

Trägersysteme für Arzneimittel

Phospholipide sind in der Natur weit verbreitet und kommen zum Beispiel in den Zellhüllen aller tierischen und pflanzlichen Zellen vor. Und sie sind das Hauptprodukt von Lipoid. Das Unternehmen gewinnt sie aus natürlichen Stoffen wie etwa Soja-Lecithin. Die Phospholipide werden daraus in Fraktionen aufgetrennt, aufgereinigt und so in hoher und höchster Reinheit vor allem für pharmazeutische Anwendungen gewonnen. Einige Phospholipide synthetisiert Lipoid auch. Sie kommen zwar ebenfalls in der Natur vor, sie aus Naturstoffen zu gewinnen, wäre aber nach Angaben von Geschäftsführer Schubert völlig unwirtschaftlich.

Die Phospholipide werden dann für die Pharmaindustrie maßgeschneidert angeboten. Aus ihnen werden Trägersysteme für Arzneimittel hergestellt, die Wirkstoffe möglichst effektiv an ihren Wirkort bringen. Das geschieht beispielsweise in Form von Liposomen, kleinsten Fettkügelchen in der Größe von tausendstel Millimetern und kleiner, die den Wirkstoff enthalten und die von einer Hülle aus Phospholipiden umgeben sind. Aber die Produkte von Lipoid finden auch in der Ernährungs- und Kosmetikindustrie Anwendung.

Das Ludwigshafener Unternehmen sei Marktführer für pharmazeutische Phospholipide weltweit, sagt Schubert. Lipoid könne die Substanzen in großen Mengen und reproduzierbar in sehr hoher pharmazeutischer Qualität herstellen und habe hier Qualitätsstandards gesetzt. Solche hoch spezialisierten Unternehmen mit führender Position auf Weltmärkten, die sich oft unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung bewegen, werden gerne Hidden Champions genannt, versteckte Stars ihrer Branche.

Drittes Werk in Ludwigshafen

Die Nachfrage nach Phospholipiden für die Pharmaindustrie sei in den vergangenen Jahrzehnten stetig gewachsen, sagt Schubert, und mit ihr Lipoid. Die Unternehmensgruppe, die 1977 begründet wurde, erreicht inzwischen einen Jahresumsatz von rund 150 Millionen Euro. Und sie wächst weiter. Der Produktionsstandort Köln wird gerade erweitert. Und für Ludwigshafen plant Lipoid den Bau eines dritten Werkes, wobei das zweite Werk hier erst vor wenigen Jahren in Betrieb genommen wurde und die Produktionskapazität des Standortes verdoppelt hat. Schubert rechnet damit, dass das weitere Werk mehr als 100 neue Arbeitsplätze schaffen werde. Er könne sich bei den Wachstumsaussichten gut vorstellen, dass der Pfälzer Standort mit aktuell 250 Beschäftigten in zehn Jahren gut 500 Mitarbeiter zählen könnte.

Das ursprünglich in Familienbesitz befindliche Unternehmen gehört heute weit überwiegend der Lipoid-Stiftung, die der Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Beeinträchtigungen und von Kindern in schwierigen Lebensbedingungen verpflichtet ist. Das Unternehmen unterstützt zudem wesentlich das unabhängige Phospholipid Research Center in Heidelberg, das die Phospholipid-Forschung für pharmazeutische Anwendungen fördert.

Hier werden Phospholipide aus natürlichen Rohstoffen in hochreiner Form gewonnen.
Hier werden Phospholipide aus natürlichen Rohstoffen in hochreiner Form gewonnen.
Eine elektronenmikroskopische Ansicht der Lamellenstruktur von Liposomen, winzige Fettkügelchen, in die zum Beispiel Arzneiwirks
Eine elektronenmikroskopische Ansicht der Lamellenstruktur von Liposomen, winzige Fettkügelchen, in die zum Beispiel Arzneiwirkstoffe verpackt werden können.
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