Wirtschaft Panische Reaktionen im Anlageskandal um P&R

P&R hat 1,6 Millionen Container an Anleger verkauft. Der Insolvenzverwalter hat davon aber nur gut 600.000 vorgefunden.
P&R hat 1,6 Millionen Container an Anleger verkauft. Der Insolvenzverwalter hat davon aber nur gut 600.000 vorgefunden.

«München». Der Fall der insolventen Anlegerfirma P&R gilt manchen bereits als größter Anlageskandal der deutschen Wirtschaftsgeschichte. 54.000 Investoren könnten zusammen 3,5 Milliarden Euro verlieren. Derzeit reagieren viele Geschädigte panisch in diesem komplizierten Fall.

Erst einmal die gute Nachricht. Die gesetzliche Frist zur Anmeldung von Forderungen für die Pleite der Anlegerfirma P&R am kommenden Freitag ist eigentlich keine. „Man kann nachmelden und muss dann maximal 20 Euro Verspätungsgebühr zahlen“, beruhigt Peter Mattil. Er ist ein in Pleitefällen erfahrener Anlegeranwalt und sitzt im P&R-Gläubigerausschuss. Wegen der vermeintlichen Frist am 14. September würden derzeit aber viele Geschädigte panisch reagieren. Das liege auch daran, dass über die Hälfte von ihnen älter als 60 Jahre sei und sie in Rechtsfragen vielfach sehr unsicher seien. Insolvenzverwalter Michael Jaffé bestätigt, dass man die Frist nicht so eng zu sehen brauche. Davon abgesehen herrscht aber Uneinigkeit in wichtigen Fragen. Das liegt daran, dass Jaffé es den 54.000 Geschädigten mit ihren potenziell gut 87.000 Forderungsschreiben möglichst einfach machen wollte. Dazu hat er teils vorausgefüllte Formulare zur Anmeldung von Forderungen an sie verschickt. Diesen Service haben bis Anfang der Woche rund drei Viertel von ihnen dankend in Anspruch genommen. Andere haben Vorbehalte, was auch für Rechtsanwälte wie Mattil oder seinen Kollegen Sascha Borowski gilt. Letzterer hält die Formulare hinsichtlich des vorausgefüllten Insolvenzgrunds für mangelhaft und anfechtbar, was Mattil entspannter sieht. Einig sind sich beide Juristen aber in ihrer Skepsis gegenüber einem Aufdruck auf Jaffés Formularen. „Ich mache keine Aussonderungsrechte oder Absonderungsrechte geltend“, lautet die umstrittene Klausel. Beide Rechtsanwälte erklären die Folgen, falls man das unterschreibt. Geschädigte würden damit nicht nur auf eine Verwertung ihrer einmal gekauften Container in Eigenregie verzichten, sondern auch auf eigene Zugriffsrechte auf die P&R-Muttergesellschaft in Zug. Dort in der Schweiz schlummern aber alle noch vorhandenen P&R-Vermögenswerte. Anlegern würden damit entscheidende Rechte abgeluchst, sagt Borowski. Mattil unterstreicht das vor allem mit Blick auf die Schweizer P&R. Sollte Jaffé mit seinen Versuchen scheitern, dortiges Vermögen in die Insolvenzmasse der vier insolventen deutschen P&R-Töchter zu holen, könnten es Geschädigte, die ihre Zugriffsrechte auf die Muttergesellschaft in Zug abgetreten haben, nicht mehr dort vor Ort auf eigene Faust versuchen, argumentiert der Experte. Da die Schweiz nicht in der EU ist, dort ganz eigene Insolvenzgesetze gelten und P&R in der Schweiz bislang nicht insolvent ist, wäre ein solches Szenario nicht einmal besonders weit hergeholt. Sobald die Schweiz bei einem deutschen Pleitefall mit im Spiel ist, wird es juristisch besonders schwierig, bestätigen viele Experten. Mattil, der auch P&R-Geschädigte vertritt, hat auf eigene Kosten ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das bis Ende der Woche vorliegen und alle strittigen Fragen klären soll. Die Dimension des Falls, mit 3,5 Milliarden Euro, die im Feuer stehen, macht das ratsam. Skeptisch ist der Münchner Rechtsanwalt, dass Anleger auf die von ihnen einmal erworbenen Schiffscontainer Zugriff bekommen und sie selbst verwerten können. Denn kaum jeder zehnte Anleger hat bei Vertragsunterzeichnung mit P&R ein Zertifikat in die Hände bekommen, mit dem ein eigener Container zumindest theoretisch identifizierbar wird. Bei einer Prüfung hat Jaffé von den 1,6 Millionen verkauften Boxen zudem nur noch gut 600.000 Container vorgefunden. Eine Million Behälter fehlen, was Betrug nahelegt. Experten vermuten ein illegales Schneeballsystem. Staatsanwälte ermitteln. Teils seien identische Container auch an mehrere Anleger und damit mehrmals verkauft worden, hat Jaffé entdeckt. Wem welche Box gehört, sei bei dem Chaos, das die P&R-Manager hinterlassen haben, schlicht nicht mehr feststellbar, sagt Jaffé. Das individuelle Zugriffsrecht auf Container erübrige sich allein aus diesem Grund. Bleiben die Zugriffsrechte auf P&R in der Schweiz. Schon allein deswegen sei Vorsicht geboten, sagen Mattil, Borowski und andere Rechtsanwälte, die Mandanten in diesem Pleitefall vertreten. Sie versprechen wasserdichte Forderungsanmeldungen, die das Maximale für Geschädigte herausholen. Ob sie damit mehr Erfolg haben, als Jaffé ist freilich offen. Anders als dessen Dienste sind die von Anlegeranwälten kostenpflichtig. Wer beispielsweise 50.000 Euro in P&R gesteckt hat, muss bei Mattil rund 1000 Euro für eine juristische Komplettvertretung zahlen. Wer auf Ab- und Aussonderungsrechte nicht verzichten will, kann es sich aber auch einfach machen. Dann brauche man nur den entsprechenden Aufdruck auf den vorausgefüllten Forderungsanmeldungen ausstreichen, lässt Jaffé mitteilen. Die Anmeldung selbst verliere damit entgegen anderslautender Gerüchte nicht ihre Gültigkeit, betont der Insolvenzverwalter. Kommentar

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