Wirtschaft Leitartikel: Risiko Abschottung

Die großen Probleme der Weltwirtschaft sind nicht das geringere

Wachstum in China oder deutsche Handelsbilanzüberschüsse. Vielmehr ist es der wegen Präsident Donald Trump drohende Protektionismus in den USA. Ein freier Welthandel ist der beste Garant dafür, dass rund um den

Globus der Wohlstand wächst.

In Washington treffen sich an diesem Wochenende routinemäßig die Finanzminister und Notenbankchefs der Welt. Bei der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds werden die aktuellen wirtschafts- und finanzpolitischen Themen diskutiert – aber wohl keine Lösungen für die bedrohlichen Probleme präsentiert, die die Weltwirtschaft derzeit bedrängen. Auf den ersten Blick sieht es aber gar nicht so grau aus, und trotz mancher Schwarzmalerei bei weitem nicht so schlecht wie während der Finanzkrise vor rund zehn Jahren. Alles in allem läuft der Wirtschaftsmotor ganz ordentlich. Zwar wächst die Wirtschaft in China nicht mehr mit dem Tempo, mit dem sie die Aufholjagd der vergangenen Jahre bewältigt hat. Auch Russland oder Brasilien und Indien sind derzeit nicht mehr als Motoren der Weltwirtschaft zu bezeichnen, der Aufschwung dieser sogenannten BRIC-Staaten hat sich tatsächlich abgeschwächt. All das ist aber eine mehr oder weniger erklärliche Entwicklung, vor allem weil das Wachstum in relativen Zahlen gemessen wird. Das größte Problem für die Weltwirtschaft sind auch nicht die hohen Handelsüberschüsse der deutschen Wirtschaft, für die Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble vor Beginn der Tagung auch die lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank mitverantwortlich machte und die die IWF-Chefin Christine Lagarde so gern anprangert. Im Grunde sind diese Handelsüberschüsse ein Ausdruck der Stärke der deutschen Wirtschaft, die auf eine gesunde Struktur mit einem soliden Mittelstand und einigen Weltmarktführern aufbauen kann. Auf einigen Gebieten haben deutsche Unternehmen zwar durchaus an Boden verloren, der Gesamtwirtschaft aber hat es nicht geschadet. Anders sieht das in anderen Industrieländern aus. Die USA etwa lebt derzeit überwiegend von den relativ jungen Unternehmen aus dem Silicon Valley und der Finanzindustrie. Die Autoindustrie – General Motors, Ford und Chrysler – tummeln sich zwar noch auf dem Weltmarkt, geben aber nicht den Ton an, auch wenn die Amerikaner das gerne hätten. Auch die Briten, die sich jetzt auf ihren Austritt aus der Europäischen Union vorbereiten müssen, setzen hauptsächlich auf die Finanzindustrie. Und Frankreich? Was würde bleiben, wenn eine mögliche Präsidentin Marine Le Pen die Ehe mit der EU aufgeben würde? Auch hierüber werden die französischen Wähler morgen im ersten Wahlgang abstimmen. Amerikas Präsident Donald Trump will Amerika wieder groß machen. Aber weniger durch Leistung als durch Abschottung. Abschotten wird sich möglicherweise auch die Türkei, bisher ein wichtiger Handelspartner der EU. Das sind die großen Risiken, über die beim Treffen der Finanzminister und Notenbank-Chefs in Washington geredet werden sollte. Nach wie vor ist ein freier Welthandel die beste Garantie dafür, dass rund um den Globus die Armut bekämpft werden kann, der Wohlstand wächst und auch die unterschiedlichsten Nationen in Frieden miteinander leben können. Dabei geht es nicht nur um wirtschaftliche Interessen, sondern auch um sozial- und friedenspolitische Fragen. Das sind Themen, die nicht die Finanzminister und Notenbankchefs lösen können – aber sie könnten ein Signal aus der US-Hauptstadt senden.

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