Interview „Der Erfolg der SAP ist Segen und Fluch zugleich“

Thomas Henzler ist Fachvorstand Lizenzen, Service und Support bei der DSAG.
Thomas Henzler ist Fachvorstand Lizenzen, Service und Support bei der DSAG.

SAP, die unternehmerische Erfolgsgeschichte mit aktuell rund 17.500 Beschäftigten in der Region Rhein-Neckar, darunter vielen aus der Pfalz, besteht seit einem halben Jahrhundert. Wie der 50. Geburtstag begangen wird, hat der Software-Konzern noch nicht mitgeteilt. Ins Jubiläumsjahr mischen sich indes auch kritische Stimmen. Hermann Motsch-Klein befragte dazu Thomas Henzler, den Fachvorstand für Lizenzen, Service und Support der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG).

Erklären Sie bitte, was die DSAG genau macht.
Die Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe e. V. ist einer der einflussreichsten Anwenderverbände der Welt. Mehr als 60.000 Mitglieder aus über 3.700 Unternehmen bilden ein starkes Netzwerk, das sich vom Mittelstand bis zum Dax-Konzern und über alle wirtschaftlichen Branchen in Deutschland, Österreich und der Schweiz erstreckt. Auf Basis dieser Reichweite gewinnt der Industrieverband fundierte Einblicke in die digitalen Herausforderungen im Markt. Die DSAG nutzt diesen Wissensvorsprung, um die Interessen der SAP-Anwender zu vertreten und ihren Mitgliedern den Weg in die Digitalisierung zu ebnen. Organisiert sind die Mitglieder in 200 Arbeitskreisen und -gruppen. Gemeinsam optimieren sie SAP-Lösungen für den täglichen Gebrauch in den Mitgliedsunternehmen. Der Verband finanziert sich primär über Mitgliedsbeiträge.

Wie stehen Kunden und Anwender zurzeit zu SAP? Ist man zufrieden oder unzufrieden?
Grundsätzlich wurde unter dem Vorstandssprecher Christian Klein in den letzten Jahren viel investiert, um das heterogene Produktportfolio der diversen Zukäufe in eine Plattformstrategie zu integrieren. Dies bedeutet aber auch an vielen Stellen Strategiewechsel und damit verbunden die Kündigung diverser Produkte innerhalb kürzester Zeit. Leider führte dies bei vielen Unternehmen zu der Frage, welche Lösungen neben dem eigentlichen SAP-ERP-System auf Dauer Bestand haben werden.

Wie ein Brennglas wirkte auch die Wandlung der SAP zu einer Cloud Company. Binnen weniger Jahre soll das bisher erfolgreiche Geschäft mit dem Verkauf von Lizenzen und Wartung gewandelt werden. Zusammen mit der immer noch laufenden Harmonisierung des Produktportfolios ist dies eine gigantische Transformation der SAP. Die entscheidende Frage der Zukunft wird sein, wie die SAP ihre ERP-On-Premise-Kunden – deren Anzahl heute noch sehr groß ist – auf diese Reise mitnimmt und welche damit verbundenen Auswirkungen die Kunden spüren werden.

Wie kann man ERP-On-Premise und Cloud Company allgemeinverständlich übersetzen?
ERP-On-Premise bezeichnet Software, die einmalig gekauft und im jeweiligen Unternehmen selbst verwaltet wird. Eine Cloud-Company ist ein Unternehmen, das Internet-basierte Services und Lösungen anbietet, die auf Basis einer monatlichen Miete in Rechenzentren der SAP oder deren Partnern verwaltet werden.

Angeblich übt SAP Druck auf Kunden aus, ihre Software schnell und zu höheren Preisen umzustellen. Dies behauptet die Negotiation Advisory Group, die Firmen nach eigenen Angaben bei Verhandlungen unterstützt.
Hier müssen wir zwischen Cloud und On-Premise unterscheiden. Wir sehen, dass die Cloud-Produkte zunehmend an Gunst gewinnen, zu Lasten der On-Premise-Produkte. Dies spiegelt sich auch in den kommerziellen Themen wieder. Die SAP muss im Cloud-Geschäft wachsen – der letzte Quartalsbericht macht deutlich, wie entscheidend der Erfolg in der Wolke für die SAP ist. Wir erleben dementsprechend ein gewisses „Wohlwollen“ in der Cloud und teilweise „harte“ Verhandlungen im klassischen On-Premise-Geschäft. Wo es möglich ist, wird seitens der SAP die Cloud platziert. Die SAP arbeitet nach wie vor mit sehr großzügigen Listenpreisen und Rabatten. Dies macht es fast unmöglich, eine Preistransparenz zu erzeugen. Es hängt also viel vom Verhandlungsgeschick der Kunden ab. Als DSAG fordern wir schon lange mehr Transparenz in der Preis- und Konditionspolitik sowie einen einfacheren Zugang zu digitalen Preisverzeichnissen.

Wie ist die DSAG-Prognose für SAP?
Der Erfolg der SAP in den letzten 50 Jahren ist Segen und Fluch zugleich. Die SAP steht vor der großen Aufgabe, ein bisher sehr erfolgreiches Geschäftsmodell mit dem Verkauf von Software zu verlassen und sich als Cloud-Anbieter zu positionieren. Der bisherige Erfolg der On-Premise-Produkte wie SAP ERP erschweren dies, da viele Kunden diesen Produkten vertrauen und dementsprechend gegenüber der Cloud reserviert sind. Zudem kämpft die SAP wie eingangs erwähnt an diversen Fronten, um ihr Portfolio zu harmonisieren. Sollte die SAP es schaffen, dies in Einklang zu bringen, ohne dabei die Kunden zu verlieren, kann sie hoffnungsvoll in die Zukunft blicken.

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