Wirtschaft BASF entwickelt Digital-Formeln

Per Tablet haben BASF-Mitarbeiter Zugriff auf Informationen über Chemieanlagen. Dadurch werden Wartungsarbeiten effizienter. Aus
Per Tablet haben BASF-Mitarbeiter Zugriff auf Informationen über Chemieanlagen. Dadurch werden Wartungsarbeiten effizienter. Aus Sicherheitsgründen ist die digitale Anlagensteuerung nicht mit dem Internet verbunden.

«Ludwigshafen». Am Montag und am Dienstag kommen rund 1000 Politiker, Manager und Experten zum Digital-Gipfel der Bundesregierung nach Ludwigshafen, darunter Kanzlerin Angela Merkel und die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Die RHEINPFALZ-Serie „Vernetzte Welt“ zeigt, was in der Region in diesem Bereich geschieht – zum Beispiel beim Ludwigshafener Chemie-Weltmarktführer BASF.

Industrie 4.0 sei für die BASF kein großes Thema. Das sagte der Konzernchef Kurt Bock noch im Frühjahr 2015. Zwar beschrieb er den damaligen Zustand für die BASF und die gesamte Chemie damit treffend. Aber innerhalb von gut zwei Jahren hat sich die Welt der BASF grundlegend verändert. Das hat Bock selbst angeschoben. Im Herbst 2014 holte er Uwe Liebelt aus Basel, wo der bis dahin Chef des BASF-Papierchemikalien-Geschäfts gewesen war, nach Ludwigshafen und gab ihm einen Auftrag: Der Chemie-Ingenieur sollte Möglichkeiten der Digitalisierung ausloten. Er solle sich mit einem neuen Team in der Welt des Digitalen umsehen – was der dann vor allem im Silicon Valley gemacht hat. Es ist kein Zufall, dass Anfang 2016 Liebelt, der bisherige Leiter des Projekts BASF 4.0, Chef des BASF-Stammwerks wurde. Ludwigshafen, der weltweit größte Chemiestandort, soll laut Liebelt bei der Digitalisierung der Branche Maßstäbe setzen. Lösungen, die in Ludwigshafen entwickelt und eingesetzt würden, sollten dann weltweit an BASF-Standorten angewendet werden, sagte Liebelt der RHEINPFALZ. Das Thema Chemie 4.0 liefert im BASF-Stammwerk schon handfeste Beispiele. Die beiden Steamcracker und die Kraftwerke – das sind Herzstücke des Ludwigshafener Chemieverbunds – sind bereits mit Zehntausenden Sensoren bestückt. Die liefern laufend Daten über die Produktionsprozesse. Die Daten werden gebündelt und bewertet. Mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz erstellten die Rechner einen „Gesundheitsindex“ für die Anlage, so Liebelt. Anhand des Datenmusters werde der Zustand einer Anlage bewertet. Das ermögliche die vorausschauende Instandhaltung. Dadurch könnten Stillstandszeiten für Wartungen verringert und besser geplant werden. Wenn ein Cracker abgestellt werden muss, gehen mehrere Millionen Euro Deckungsbeitrag verloren – pro Tag. Bis 2023 sollen alle 280 Anlagen im Stammwerk digitalisiert sein. Schon seit Längerem werden neue Anlagen im Stammwerk mit Hilfe von 3D-Computermodellen geplant. Seit 2016 gilt dies auch für die Erweiterung und den Umbau bestehender Anlagen. Dafür wird für jede Anlage per Laserscanner ein digitaler Zwillinge gebaut. Bis 2020 sollen alle Anlagen in digitaler Form vorliegen. Dadurch werden Nacharbeiten beim Bau reduziert. Die Wartung wird einfacher und effizienter. Chemieanlagen melden ihren Dampf- und Strombedarf digital an die BASF-Kraftwerke. So können die ihren Betrieb optimieren. Die Digitalisierung machte den Neubau eines Dampfkessels überflüssig. Das sparte einen zweistelligen Millionenbetrag. Das Energiemanagement im Stammwerk sei so gut geworden, dass die BASF inzwischen Überschussmengen an der Strombörse verkaufen könne, so Liebelt. 2016 habe das einige Millionen Euro gebracht. Mit einem digitalisierten Lager- und Transportkonzept sollen die Logistikkosten gesenkt werden. Kürzlich stellte die BASF ihr erstes autonom fahrendes Förderfahrzeug für neuartige Tankcontainer vor. Durch digitale Vernetzung der Planung mit Kunden könnten die Lagerbestände auf beiden Seiten deutlich verringert werden, sagte Liebelt. In einem Pilotversuch in den USA habe man 40 Prozent Reduktion erreicht. Und in Südamerika bietet die BASF Bauern einen digitalen Service an, mit dessen Hilfe der Pflanzenschutz optimiert und der Einsatz von Spritzmitteln besser geplant werden könne. In diesem Zusammenhang hat die BASF die US-Firma ZedX übernommen, die auf der Basis digitaler Modelle wie Wetterdaten Empfehlungen für den Pflanzenschutz liefert. Die Risiken durch Cyber-Kriminalität hält Liebelt für beherrschbar. Die Anlagensteuerung sei nicht mit dem Internet verbunden. Zusammen mit Bayer, VW und der Allianz hat die BASF 2015 die Deutsche Cyber-Sicherheitsorganisation GmbH, Berlin, zum Schutz vor Internet-Kriminalität gegründet. Weder der Werkleiter Uwe Liebelt noch der BASF-Betriebsratsvorsitzende Sinischa Horvat erwarten durch die Digitalisierung einen signifikanten Stellenabbau im BASF-Stammwerk mit knapp 35.000 Mitarbeitern. „Wir fordern, dass jede frei werdende Stelle eins zu eins wieder besetzt wird“, sagte Horvat der RHEINPFALZ. Laut Liebelt strebt die BASF an, durch Digitalisierung neue Wettbewerbsvorteile zu schaffen, die zu zusätzlichem Wachstum führen sollen.

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