Kultur Südpfalz „Soli Deo Gloria – das ist auch meine und unserer Botschaft“

Herr Steuerwald, seit Ihrer Berufung zum Landeskirchenmusikdirektor der Protestantischen Landeskirche – 2008 war das – sind Sie dienstlich in Speyer verortet; dennoch haben Sie Landau mit ihrer Familie nicht den Rücken gekehrt. Was macht Landau für Sie attraktiv?

„Wir empfinden es als großes Privileg, mit beiden Städten intensiv verbunden zu sein. In Landau schätzen wir die hohe Lebensqualität, die liebenswerten Menschen und die Vielfalt des Umlands: Wald und Gebirge, Weinberge, herrliche Täler und Auen eröffnen vielfältige Sport- und Freizeitmöglichkeiten.“ Die zu Recht gerühmte Rieger-Orgel in der Stiftskirche ist so eine Art Vermächtnis aus Ihrer Amtszeit als Landauer Bezirkskantor – auch das verbindet gewiss mit dem Ort, oder? Wohl wahr. Die Vorgänger-Orgel von 1963 war ja in vielerlei Hinsicht pure Anfechtung, für Spielende wie Hörende sowie das Budget der Gemeinde. Trotz teurer Reparaturen hat sie nie zuverlässig funktioniert. Der elf Jahre lange Weg zur Erneuerung des Instruments erforderte von allen Beteiligten Kraft und Kondition. Mehr als ein Jahr musste sich dann mit der ebenfalls absolut unzulängliche Chororgel beholfen werden. Durch das Engagement von geistlichen Amtsträgern, Presbyterien und vielen Ehrenamtlichen konnte 2006 die Rieger-Orgel eingeweiht werden. Endlich steht seither ein Instrument zur Verfügung, das der Bedeutung von Raum und Kantorat angemessenen ist. Es steht außer Frage, dass ich zur Rieger-Orgel ein ganz enges Verhältnis habe. Deshalb bin ich sehr glücklich, auch nach meinem Wechsel nach Speyer darauf spielen zu dürfen. Vor 500 Jahre, mit Luthers Thesen-Anschlag an der Wittenberger Schlosskirche, nahm die Reformation ihren Lauf. Markiert das Datum 1517 auch gleichzeitig die Geburtsstunde der evangelischen Kirchenmusik? Die Evangelische Kirchenmusik ist von der Reformation überhaupt nicht zu trennen. Für Martin Luther hatte die Musik eine zentrale und unumstößliche Bedeutung. Er gab ihr nach der Theologie den ersten Platz, denn er wusste, dass sie Menschen noch intensiver und tiefer erreichen als das bloße Wort. Deshalb hat sie nach evangelischem Verständnis auch nicht nur dekorative Funktion. Sie ist vielmehr Teil der Verkündigung, Vehikel zur Katechese; sie macht aus den toten Buchstaben lebendiges Wort Gottes. Zwei markante Projekte mit der Evangelischen Jugendkantorei der Pfalz, dem landeskirchlichen Auswahl-Ensemble, machen besonders neugierig: Eines würdigt Ende dieses Monats Claudio Monteverdi zu dessen 450. Geburtstag im Mai mit zwei Konzerten und einer CD-Produktion. Ein katholischer Meister im Jahr des Reformationsjubiläums? In der Kirchenmusik waren die Konfessionen stets durchlässig. Luther schätzte und verehrte beispielsweise den katholischen Orlando di Lasso in höchstem Maß. Auch heute ist die Musik Vorreiterin in Sachen Ökumene. Unser Monteverdi-Projekt „Sein Lob bleibet ewiglich“ bringt eine opulente Auswahl aus der 1641 erschienen Sammlung „Selva morale e spirituale“, was etwa so viel wie „Moralischer und geistlicher Wald“ bedeutet. Zusammen mit sieben Spitzensolisten und dem groß besetzte Originalklang-Ensemble „Cappella Sagittariana Dresden“ haben wir es aktuell bereits auf CD produziert. Die vertonten Psalmen, das Magnificat und ein Text von Petrarca sind weder evangelisch noch katholisch, und in Sachen musikalischer Textausdeutung braucht der Katholik Monteverdi den Vergleich mit den evangelischen Größen Schütz und Bach nicht zu scheuen. Die Protestantische Kirche Edenkoben und natürlich die wiedereröffnete Dreifaltigkeitskirche in Speyer nehmen die beiden festlichen Konzerte im Zentrum der Feierlichkeiten auf. Am 31. Oktober und 1. November erklingt von Johann Sebastian Bach aber nicht etwa – was naheliegend wäre – „Ein feste Burg ist unser Gott“, sondern mit der h-Moll-Messe in lateinischer Sprache wiederum ein Werk katholische Provenienz; als explizites Signal Richtung Ökumene? Es wäre kleinkariert, wollte man zu diesem Anlass der Missdeutung von Luthers „fester Burg“ als „Marseillaise der Protestanten“ weiter Vorschub leisten. Weder der Reformator mit seinem Lied noch Bach mit seiner Kantate wollten speziell die Reformation thematisieren. Erst spätere Generationen haben die Interpretation dieses Textes in die Enge geführt, den ursprünglich lebendig federnden Rhythmus des Lieds zum Marsch degradiert und die kammermusikalische Kantate mit Pauken und Trompeten gepanzert. Nein, ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit der Aufführung der h-Moll-Messe dem singulären Anlass weit besser gerecht werden. Immerhin bringen wir „das größte musikalische Kunstwerk aller Zeiten und Völker“ (Hans-Georg Nägeli 1818) zu Gehör, während die „feste Burg“ eine Kantate unter vielen ist. „Soli Deo Gloria“, „Gott allein die Ehre“ das war Bach wichtig, das schrieb er unter alle seine Werke und das ist auch meine und unserer Botschaft. Und Gott ist weder katholisch noch evangelisch. Auffällig ist, dass die Soli fast ausschließlich mit Künstlern aus dem deutschen Osten, Luthers Heimat, wenn man so will, besetzt sind. Außerdem spielt – man staunt nicht schlecht – zu diesem prominenten Datum das exzellente (und sicher teure?) Akamus-Ensemble Berlin? Könnte man sagen, das Luther-Jahr macht’s möglich? Menschen aus der Region, in der eine Komposition entstanden ist, haben einen ganz besonders authentischen Zugang dazu, auch nach Jahrhunderten. Diese Erfahrung fasziniert mich immer wieder aufs Neue. Deshalb ist es tatsächlich kein Zufall, dass wir Solisten aus Bachs und Luthers Heimatregionen engagiert haben. Mit dem Barockorchester Akamus konnten wir das mit Abstand „angesagteste“ Alte-Musik-Ensemble des deutschen Ostens verpflichten. Die Evangelische Kirche der Pfalz und der „Freundeskreis der Evangelischen Jugendkantorei der Pfalz“ machen’s möglich. Das hat natürlich mit dem Luther-Jahr zu tun und erfüllt uns mit großem Stolz und tiefer Dankbarkeit. | Interview: Gertie Pohlit

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