Rheinpfalz Schwul? Hajoo!

Der polnische Priester Krzysztof Charamsa (links) und sein Mann im Jahr 2015 in Rom.
Der polnische Priester Krzysztof Charamsa (links) und sein Mann im Jahr 2015 in Rom.

Der katholische Priester Krzysztof Charamsa hat weltweit Aufsehen erregt, als er sich als Mitglied der Glaubenskongregation zu seiner Homosexualität bekannte. Seine priesterliche Arbeit begann er in der Südpfalz. Von Rainer Dick

Zu den ersten Reaktionen gehörte eine SMS aus der Pfalz. Als am 2. Oktober 2015 die ungeheuerliche Meldung um die Welt ging, ein Mitglied der päpstlichen Glaubenskongregation habe sich als erster Vatikan-Angehöriger zu seiner Homosexualität bekannt, wurde dies in der Südpfalz mit besonderem Interesse verfolgt. Denn hier hat Krzysztof Charamsa seine Priestertätigkeit begonnen. Den schweren Weg zum „Coming out“ schildert der Pole in seinem Buch „Der erste Stein“, das er zugleich als Streitschrift „gegen die Heuchelei der katholischen Kirche“ begreift. Leidenschaftlich, keineswegs ohne Zorn und Bitterkeit, zeichnet er Vatikan und Klerus als Machtkartell von „Männern, die von mehr als einem Hauch von Weiblichkeit umgeben, gleichzeitig aber von Hass auf Homosexualität erfüllt sind“. Dass die Streitschrift dennoch nicht zur Generalabrechnung gerät, hat seinen Grund in der tiefen Gläubigkeit des promovierten Theologen aus Gdingen. Das Gebot der Menschen- und Nächstenliebe – so lautet die Botschaft – gibt auch Schwulen ein Recht auf Religion: „Ich bin Priester, ich bin schwul – und ich bin überglücklich, das eine wie das andere zu sein.“ Bis zur Niederschrift dieses Satzes hat Krzysztof Charamsa jenen schmerzvollen Dornenweg vieler Homosexueller beschritten, der gesäumt ist von Selbstzweifeln und Zerrissenheit, Ohnmacht und Aufbegehren, von der Suche nach Rat und Beistand, vor allem aber von Ängsten, Verzweiflung sowie gewollter oder erzwungener Geheimniskrämerei. Anfangs habe „die Frage der Homosexualität in meinem Kopf nicht existiert“, sagt Charamsa im Gespräch mit der RHEINPFALZ am SONNTAG. „Ich habe die katholische Doktrin nicht in Frage gestellt, mich vielmehr hinter einer Mauer aus Büchern verschanzt, aber nur solchen, deren Lektüre die Kirche für angemessen hält.“ Mit 19 Jahren trat er dem Priesterseminar im polnischen Pelplin bei, studierte in Lugano und nach der Priesterweihe 1997 an der päpstlichen Gregoriana-Universität in Rom. Polnisch sei zwar seine Muttersprache, „aber ich denke italienisch“. Er kann allerdings auch in schönstem Südpfälzisch „hajoo“, „alla dann“ und „donkschää“ sagen. In den Jahren 2000/01 war Charamsa in Burrweiler und Gleisweiler tätig, später in Maikammer. „Eine gute Schule“ sei die Zeit an der Weinstraße „mit ihren sehr, sehr schönen Dörfern, den Weinfesten und den aufgeschlossenen, freundlichen Menschen“ gewesen. Es ist diese Offenheit, die er in der Amtskirche vermisst. Im Anspruch, als alleinige Instanz übers „Normalsein“ zu entscheiden, habe sich Rom „von der komplexen menschlichen Natur“ immer weiter entfernt, sogar die Gläubigen im Stich gelassen, sagt er. Dabei gehörte Krzysztof Charamsa jahrelang selbst zu denen, die von Amts wegen über Fragen des Glaubens, der Moral und „Sittlichkeit“ entscheiden. Nach Dozenturen an der Gregoriana und der Regina-Apostolorum-Universität wurde er Sekretär der Theologischen Kommission und damit Mitglied der Kongregation für die Glaubenslehre, der einst als „Heilige Inquisition“ bekannten Zentralbehörde des Vatikan. In dieser Funktion führte Charamsa den päpstlichen Ehrentitel „Kaplan Seiner Heiligkeit“ und wurde als Monsignore angesprochen. Ausgerechnet bei dieser Arbeit erwachten Zweifel in dem Mann, der von der Kindheit an „das Christentum als sichersten Hafen“ empfindet. Er wurde sich des Zwiespalts bewusst zwischen der eigenen Sexualität und der rigorosen Ablehnung durch die Amtskirche. Sie habe ihm – wie vielen anderen in seiner Lage – „nie echten Beistand geleistet“ und ihn stattdessen zur Heuchelei gezwungen. „Aber auch Schwule sehnen sich wie alle Menschen nach Partnerschaft, Geborgenheit und Liebe.“ Er sei immer wieder Männern begegnet, „die homosexuell waren wie ich und Diener der Kirche wie ich“. Den Zeitpunkt seines „Coming out“ hat Krzysztof Charamsa, der zu dieser Zeit bereits in fester Partnerschaft mit dem Spanier Eduard Plamas lebte, bewusst ausgewählt. Anfang Oktober 2015 versammeln sich 270 Priester und Laien aus aller Welt in Rom zur Familiensynode. Charamsas Bekenntnis, dem er eine Liste von zehn Forderungen an die Kirche beifügt, kommt einem Paukenschlag gleich. Die Glaubenskongregation wirft ihn raus, er verliert seinen Lehrauftrag und alle übrigen kirchlichen Ämter, wird vom Priesterdienst suspendiert. Dennoch gibt es auch – keineswegs nur von Betroffenen – sehr viel Zustimmung. „Eine der ersten Reaktionen ist aus der Pfalz gekommen“, erinnert er sich. „Es war eine SMS und lautete: ,Du bleibst mein Freund.’ So etwas macht unglaublich viel Mut.“ Im Übrigen sieht sich Krzysztof Charamsa nach wie vor als gläubiger Katholik, wenn auch im Widerspruch zur Amtskirche. „Priester werde ich ja immer sein“, sagt der polnische Ex-Pfälzer, der inzwischen mit seinem Mann in Barcelona lebt. Sein Buch ist bereits in 19 Sprachen übersetzt, außerdem hält er Vorträge, spricht vor gesellschaftspolitischen Kongressen und genießt das, was er „endlich ein Leben in Freiheit“ nennt.

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