Kultur Südpfalz Schöne Balance

Marianne Sägebrecht hätte Karriere in Hollywood machen können. Sie hätte nur Ja sagen müssen. Aber sie hat Nein gesagt. Das war 1989. Sie wirkt auch 26 Jahre danach nicht so, als hätte sie diese Entscheidung bereut. Am Samstag war die Schauspielerin, Kabarettistin und Autorin, die in wenigen Wochen 70 Jahre alt wird, mit ihrem Programm „Frühlingserwachen“ in Bad Bergzabern.

Marianne Sägebrecht nimmt mit ihrer Herzlichkeit, Empathie, Ehrlichkeit und Authentizität das Publikum für sich ein, auch wenn manchmal der rote Faden nicht zu erkennen ist. Mal heiter, mal tiefgründig, mal frivol plaudert sie mit dem Publikum. Erzählt rund drei Stunden aus ihrem Leben, von ihren Überzeugungen. „Ich möchte ihnen die andere Seite der Sägebrecht vorstellen“, sagt sie. Komisch findet sie selbst den Titel „Frühlingserwachen“ bei Temperaturen, bei denen sich das Publikum Luft zufächelt. Sie glaubt an eine „große geistliche Kraft“, kämpft für „das Recht auf Melancholie“, zitiert Hildegard von Bingen, Brecht und Brockes. „Unsere Werke und Worte haben Auswirkungen“, ist ihre Überzeugung. Für die Musik hat sie Gitarrist und Sänger Ralf Glenk mitgebracht, dem sie freundschaftlich verbunden ist und der mit Stücken und Liedern das Publikum begeistert. Männer spielen in ihrem Leben schon lange keine Rolle mehr. „Es ist uns gelungen, uns zu verstehen, man muss den Vater des Kindes heilig halten“, sagt sie zum Vater ihrer Tochter, von dem sie 1979 geschieden wurde. Der Begriff Vergebung sei aus ihrem Leben nicht mehr wegzudenken: „Es ist mir eine große Freude, wenn es mir gelingt, reinen Tisch zu machen.“ Sie fordert das Publikum mit vielen Themen aus ihren nicht gewöhnlichen Leben, mit Zitaten bekannter und wenig bekannter Dichter wie Theodor Kramer. „Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden“, zitiert sie den Philosophen Kierkegaard. Wechselt zu den Wechseljahren, zu denen sie auch ein Buch geschrieben hat. „Es ist das Alter, in dem der Geburtstagskuchen unter den Kerzen kollabiert.“ Dass Frauen in den Wechseljahren Heldinnen sind, honoriert das überwiegend weibliche Publikum mit Beifall. Als „Promitussi“ sei es nicht einfach zu leben, aber sie sei dem toughen Management entgangen, erzählt sie über ihre Zeit in Hollywood. Ihre großen Filme, die lukrativen Angebote, auf die sie verzichtet hat. Die spinnt, die könnte fünf Häuser in Hollywood haben, habe man mit Unverständnis auf diese Entscheidung reagiert, zu der auch beigetragen habe dass sie ihre „wundervolle“ Enkelin habe aufwachsen sehen wollen. „Geld war für mich nie eine Versuchung“ erzählt die Schauspielerin im Gespräch mit der RHEINPFALZ. Für das Gespräch opfert sie ihre gesamte Pause, sie wirkt nicht aufgesetzt oder kalkuliert, gibt keine vorgefertigten Antworten, ihre Offenheit ist ein seltenes Erlebnis. Sie habe großes Vertrauen ins Leben, das sei wohl in der nicht gewöhnlichen Großfamilie, in der sie aufgewachsen sei, gelegt worden, sagt sie. Sie erzählt von ihrem Leben auf dem Land, der Natur, mit der sie lebt, den Kräutern, mit denen sie sich beschäftigt. Der Hospizbewegung, die ihr wichtig ist. Und ihren Zukunftsplänen, von denen sie viele hat. Nach Surinam wird sie fahren, ein Buch schreiben, eine Tafelrunde in „Maryland“ anbieten. „Man muss sich wachhalten, ich habe eine schöne Balance“, sagt die Ganzheitsphilosophin, wie sie sich selbst bezeichnet. Sie vergisst im Gespräch, dass sie seit fünf Minuten wieder auf der Bühne sein müsste. Wenn sie sagt „Ich habe keine Angst vor der Zukunft“, glaubt man ihr. (pfn)

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