Rheinpfalz Schön schauerlich: Pfälzer Betonzweckbauten

Das Hertie-Kaufhaus.
Das Hertie-Kaufhaus.

Der Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg hat seine Spuren hinterlassen: in Form von Betonzweckbauten,

die heutigen ästhetischen Ansprüchen nicht mehr ganz genügen. Oder zeitlosen Charme haben. Alles Ansichtssache.

Das „Neustadter Modell“

Stadtsanierung 1971. Die Bagger fahren vor und machen für einen Karstadt-Neubau in Neustadt 6300 Quadratmeter der Altstadt platt. Für 200 Familien werden im Westen eiligst neue Wohnungen gebaut. 500 Menschen finden einen neuen Arbeitsplatz. Als das Kaufhaus, längst unter der Marke Hertie, 2009 schließt, sind es nur noch 70 Arbeitnehmer, die ihren Job verlieren. Der Konzern spricht bei der Präsentation der Pläne von einem „Neustadter Modell“, das in anderen Städten nachgebaut werden soll. Glücklich sind heute die Städte, die damals nicht zum Zug kamen. Bewusst verarbeite Karstadt Beton statt Metall, heißt es damals. „Betonwerkstein, der durch eine Quarzvorsatzschicht eine rötlich-braune Färbung erhält“ – so die Vereinbarung mit dem Landeskonservator, um sich zumindest vom Farbton nicht vom Barock der Umgebung abzusetzen. In der Folge entstehen weitere Neubauten in der Nachbarschaft, getragen von Betonfertigteilen. Das passt zur Karstadt-Betonspindel, die Autofahrer zum Parken auf das Dach führt. Im Frühjahr 2020 soll das seit neun Jahre leerstehende Haus wiederbelebt werden – diesmal mit einer Aluminiumfassade, die das Fachwerkmuster der Umgebung nachempfinden soll. Die Zeiten haben sich geändert. Wurde der Karstadt-Architekt einst für seinen Neustadt-Entwurf gelobt, füllt die Kritik an seinem Nachfolger heute die Leserbriefspalten.  |Wolfgang Kreilinger

Eine Speyerer Zumutung

Ein eineinhalbgeschossiges Wohnhaus, ein bäuerliches Hofhaus und ein Giebelhäuschen, die vor 1714 auf der Ostseite errichtet worden sind. Ein nach Süden anschließender, langgestreckter zweigeschossiger Putzbau aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der das heutige Aussehen einer neobarocken Erweiterung und Überformung verdankt, wobei ein drittes Geschoss mit überdimensional großer Liegefigur eines Putto aufgebracht worden ist – nicht zu vergessen eine von Säulen getragene Loggia, obenauf große Steinvasen. Eine 1868 an der Ecke im Westen erbaute Villa, um nicht zu sagen in der Art eines spätbarocken Schlösschens angelegt. Und – als wäre das nicht schon heterogen genug – die Bausünden der Nachkriegszeit wie die „Liga“-Bank-Filiale anstelle des alten Gasthofes „Zum Weidenberg“: Der St.-Guido-Stifts-Platz in Speyer ist eine Zumutung! Das haben die Stadtplaner wohl genauso gesehen, wenn auch aus anderen Gründen: Der Charakter des St.-Guido-Stifts-Platzes sei „durch die Nutzung als Straßenverkehrs- und Parkfläche verloren gegangen“. Und so ist er 2012/13 neu gestaltet worden, um ihm „die ursprüngliche Bedeutung zurückzugeben“ – als „großzügiger, repräsentativer Stadtplatz“. Ziel verfehlt! Da hilft – historische Häuserzeile hin, Denkmalschutz her – nur noch die Abrissbirne.  |Claudia Heck

Pirmasens: Kleine grosse Lösung

Es sollte in den 70er-Jahren die ganz große Lösung werden, die Pirmasens städtebaulich entscheidend geprägt hätte. Ein neun Stockwerke hoher Verwaltungsbau, der sich terrassenförmig auf einem riesigen Parkhaus über die Senke der heutigen Schäferstraße von einem Hügel zum anderen erstreckt hätte. Großstadtflair wäre aufgekommen. Der Stadtrat beließ es bei der kleinen Lösung eines Parkhauses für 200 Autos und einer Fußgängerzone auf dem Dach. Sechs Millionen Mark ließ sich die damals noch solvente Stadt den Spaß kosten. Darin parken wollte anfangs kaum jemand. Der Einzelhandel versuchte mit Sonderaktionen Fahrer in das Parkhaus zu locken. Auf dem obersten Deck sollte sich eine Erweiterung der Fußgängerzone entwickeln. Mit Blumenkübeln und Sitzbänken wurde es gemütlich gemacht. Das wurde auch von trinkfreudigen Zeitgenossen genutzt, bis Sozialwohnungen darauf gebaut wurden. Ein Einkaufszentrum kam als Anbau dazu, mit dem die Besitzer aber lange Zeit nicht glücklich wurden. Ein neuer Inhaber versucht es seit 2015 mit Orient-Supermarkt, Kebab-Haus und einer wirklich großstädtischen Shisha-Lounge im XL-Format. Die Trinker sind an den Fuß des Parkhauses umgezogen, wo, eng abgegrenzt, ganz offiziell die Freiluftzecherei erlaubt wurde.  |Klaus Kadel

Ludwigshafen: Das ist Kunst!

Viele Städte haben’s einfach. Sie ärgern sich über die eine oder andere Bausünde. Doch Ludwigshafen, Hauptstadt der Pfalz, übertrumpft sie alle. Vorhang auf für die Innenstadt! Wie diese Betonwüste im Zusammenspiel mit den Hochstraßen im Panorama wirkt, ja, das ist Kunst. Die Fußgängerzone könnte als Kulisse für jeden postapokalyptischen Film herhalten. Käme ein Regisseur auf die Idee, hier eine Zombiehorde durchmarschieren zu lassen, würde ein Filmkritiker die überbordende Klischeehaftigkeit kritisieren. Der Weg führt vorbei an Ein-Euro-Shops, Billig-Bäckern und Handyläden direkt auf das Rathaus zu. Dieser größten planerischen Fehlleistung seit dem Turm zu Babel liegt ein Einkaufscenter zu Füßen. Der Besucher kämpft sich vorbei an weiteren Ein-Euro-Shops, Billig-Bäckern und – wen wundert’s – Handyläden, um das erhabene Zentrum der Macht zu betreten. Besser noch: Der Berliner Platz mit dem Walzmühl-Center. Der einzige Ort weltweit, der von einem Loch, hier: „Metropol“-Baustelle, optisch aufgewertet wird. Chapeau, Ludwigshafen! |Falk Reimer

Kuseler Land: Ein Siegeszug

Ende der 1970er-Jahre, Anfang der 1980er-Jahre erreichte der Siegeszug der Moderne das Kuseler Land. Alles, was alt war, galt auf einmal als überkommen, altmodisch, unmodern. In manchen Dörfern wie Waldmohr machten Bagger die gesamte Ortsmitte platt, um Platz zu schaffen für kastige Zweckbauten aus Beton und betongepflasterte, menschenleere Plätze. Straßen und Trottoirs aus dem für die Kuseler Gegend so typischen, weil heimischen Kopfsteinpflaster mussten auf einmal geteert werden, damit sie aussahen wie überall. Als Vorreiter der Moderne tat sich die Kreissparkasse hervor. Sie erwarb in vielen Dörfern des Kuseler Landes Gebäude in zentraler Lage – und ließ sie abreißen, um Platz zu schaffen für gesichtslose, klotzige Beton-Filialen, die unbedingt umfahrbar sein mussten, damit ein Autoschalter eingerichtet werden konnte. Moderne Zeiten. Im westlichsten Ort der Pfalz, in Breitenbach, fiel einem solchen Zweckbau ein aus Sandstein errichteter, traditioneller, typischer Westpfälzer Bauernhof zum Opfer. Während Banken und Sparkassen in anderen Regionen Deutschlands solche alten Gebäude erhielten und herausputzten, um damit zu renommieren, machte die Kreissparkasse Kusel damals alles Alte platt. Autoschalter gibt’s heute übrigens keine mehr. Und kaum noch Filialen, in denen Menschen arbeiten. | Georg Altherr

Landau: Beton oder Rosen?

Flächensanierung war schon einmal Landaus Erfolgsrezept für die Stadtentwicklung: Erst das Schleifen der Vaubanschen Festung hat die Ringstraßen mit ihren prachtvollen Villen ermöglicht. Dagegen nimmt sich das, was sich Baudezernent Maximilian Ingenthron (SPD) vorgenommen hat, geradezu bescheiden aus. Er will einen annähernd dreieckigen, zweigeschossigen Betonbau abreißen lassen, der den verharmlosenden Namen „Pavillon“ trägt und sich wie ein Keil zwischen Gründerzeit- und Jugendstil-Architektur im Umfeld drängt. Ingenthron will an seiner Stelle einen Platz anlegen lassen. Besagter Pavillon ist der Wurmfortsatz eines Wohn- und Geschäftskomplexes mit Tiefgarage, der Anfang der 1970-er-Jahre am Ostring errichtet worden ist und zur Ringstraßenarchitektur so gut passt wie die Faust aufs Auge. Pavillon hüben und Ostringcenter drüben waren mit einer Fußgängerbrücke verbunden, die vor zwei, drei Jahren wegen Baufälligkeit abgerissen worden ist. Kurios: der Pavillon besteht aus Geschäftsräumen unten und Gastronomie oben, mit einer großen Terrasse, die auf Säulen den halben Ostring überspannt. Das sieht aus wie eine überdachte Bushaltestelle. Im Pavillon gibt es im Erdgeschoss einen Dönerladen und einen Frisör, ein weiteres Geschäft wurde gerade für drei Jahre vermietet. Oben hält sich noch ein Spielsalon, aber das Café und besagte Terrasse sind ungenutzt. Eigentlich keine schlechten Voraussetzungen für eine Neuordnung. Doch die Eigentümergemeinschaft hat naturgemäß andere Vorstellungen als die Stadt: Mieteinnahmen als Altersversorgung und so. Kurz: Vor dem Baudezernenten liegt noch ein dornenreicher Weg, bevor er seinen „Rosenplatz“ einweihen kann. Wenn überhaupt.  |Sebastian Böckmann

Zweibrücker Sichtachse

Wo in Europa finden sich die schönsten Plätze? In Rom, Florenz, Siena, Madrid, Lissabon, Paris. Mag sein. Der schwedische Geograf und Reiseschriftsteller Sven Hedin, der die Welt gesehen und dabei auch die Quelle des Indus entdeckt hatte, indes vertrat die Meinung, dass die Herzogsvorstadt in Zweibrücken zu den schönsten Platzanlagen Europas zählt. Wo die Schweden recht haben, da haben sie nun mal recht. Diese Herzogsvorstadt, ein barockes Gebäude-Ensemble am Ufer des Schwarzbachs, entstand zwischen 1770 und 1790 und hat die französische Revolution, viele Machtwechsel, Kriege und Bombenhagel überlebt. Erst die Modernisierungswut nach dem Zweiten Weltkrieg setzte ihr zu. Das barocke Wohnhaus des herzoglichen Finanz- und Außenministers Johann Christian von Hofenfels schloss die Sichtachse in Richtung Norden ab – bis die Parkbrauerei auf die Idee kam, dass genau dort ihr Verwaltungsgebäude stehen sollte. Die Parkbrauerei hielt sich nicht lange in Zweibrücken, der hässliche Verwaltungskasten aber steht noch immer da – wie auch andere Nachkriegs-Beton-Klötze für Arbeitsamt, Kreissparkasse und Polizei. Die Parkbrauerei machte ihren Zweibrücker Standort vor 18 Jahren dicht. Seither schläft das Gelände so fest wie einst Dornröschen. Die Stadt will es nun aufwecken und zum Sanierungsgebiet erklären, damit dort etwas Neues entstehen kann. Anfang des Jahres hat die Unternehmensgruppe Schenk aus Pirmasens das ehemalige Gelände der Parkbrauerei gekauft – auch das Verwaltungsgebäude. Auf dem Gelände könnte ein Wohnquartier entstehen.  |Georg Altherr

Ein Lauterer Plädoyer

Im Laufe von 452 Jahren hat Kaiserslautern ein Fachwerk-Rathäuschen gezimmert und – 1968 – ein Stahlbeton-Rathaus gebaut. Das ist: zumutbar und bürgerfreundlich. Das Rathochhaus ist auch zu Recht als denkmalwürdiges Objekt klassifiziert. Der 22-stöckige Sichtbetonbau auf historischem Barbarossa-Burggelände ist schicke 84 Meter und 68 Zentimeter hoch und hat einst rund 22 Millionen Mark gekostet. 1968 beschrieb die damalige „Süddeutsche Bauzeitung“ den Bau als „Stadtkrone und beispielhafte Lösung für ein bürgerfreundliches Rathaus“. Dieses Urteil gilt bis heute! Das Erfordernis, ein neues, zentrales und bürgerfreundliches Rathaus zu bauen, war schon in den 1950er-Jahren immer dringlicher geworden. Die Ämter der Stadtverwaltung waren damals auf 18 Stellen im Stadtgebiet verteilt, in der Endphase des Neubaus auf 24 Stellen. Das „neue“ Rathaus – eben kein Schandfleck, sondern bis heute ein Hingucker – ist nun leider schon wieder zu klein. Aber keine Sorge: In den nächsten 452 Jahren wird Lautern gewiss ein weiteres bauen. Ein ganz kleines: ein Ratssaal und ein paar Amtsstübchen mit Supercomputern. Denn die Verwaltung wird dann völlig digitalisiert sein und mit den Bürgern nur noch über PCs, Smartphones oder deren Nachfolger kommunizieren.  |Gerhard Westenburger

Der „Pavillon“ am Ostring-Center.
Der »Pavillon« am Ostring-Center.
Parkhaus in der Schäferstraße.
Parkhaus in der Schäferstraße.
Zweckbauten wie die Kreissparkasse in Waldmohr schossen aus dem Boden – weichen musste auch historische Bausubstanz wie dieses B
Zweckbauten wie die Kreissparkasse in Waldmohr schossen aus dem Boden – weichen musste auch historische Bausubstanz wie dieses Bauernhaus in Breitenbach (re.) – die Sparkassenfiliale, die jetzt an dessen Stelle steht, ist inzwischen geschlossen.
Das Rathaus.
Das Rathaus.
Der St.-Guido-Stiftsplatz.
Der St.-Guido-Stiftsplatz.
Herzogsvorplatz mit Ex „Park“-Verwaltung.
Herzogsvorplatz mit Ex »Park«-Verwaltung.
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Leerstände in der Innenstadt.
Leerstände in der Innenstadt.
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