Kultur Südpfalz Rehabilitation eines Lehrers

Carl Friedrich Müller-Palleske wirkte von 1893 bis 1911 an der damaligen Höhere Töchter Schule, dem Vorläufer des MSG.
Carl Friedrich Müller-Palleske wirkte von 1893 bis 1911 an der damaligen Höhere Töchter Schule, dem Vorläufer des MSG.

Carl Friedrich Müller-Palleske ist aus dem öffentlichen Gedächtnis nahezu eliminiert. Dabei war der Landauer einst ein angesehenes Mitglied des öffentlichen Lebens: Müller-Palleske war ab 1893 Leiter der damaligen Schule für Höhere Töchter – heute Max-Slevogt-Gymnasium –, und zudem als Literat erfolgreich. Doch 1911 wurde er wegen des Vorwurfs der Homosexualität aus „Amt und Würde“ entfernt. Wenig später, so Christian Könne, verliert sich Müller-Paleskes Spur vollständig. Könne war einer der Referenten beim Ersten Tag der Pfalzgeschichte. Seine umfangreiche Recherche hat ihn zu Medien, Meldestellen und Archiven unter anderem in Berlin, Frankfurt, Heidelberg, Zürich, Speyer und natürlich Landau geführt, und er hält die Causa Palleske längst nicht für abgeschlossen. Laut Könne war Carl Friedrich Müller 1856 in Rügenwalde im heutigen Polen geboren worden. Nach dem Pädagogik-Studium in Berlin ging er zunächst als Privatlehrer nach Paris, später mit Frau und Sohn nach London. Ab 1871 führte er zusätzlich den Namen seiner Frau. Wohl nicht ganz uneigennützig, wie Könne mutmaßt, denn sein Schwiegervater, Emil Palleske, galt als anerkannter Schiller-Experte und war zudem mit Gottfried Keller befreundet. Die Landauer Geschichte der Palleskes beginnt 1893 in der Waffenstraße 28. Müller-Palleske, umtriebiger, beliebter Pädagoge, tritt auch mit Gedichten und Theaterstücken hervor, meist zu historischen Anlässen wie runden Geburtstagen, beispielsweise zu Hindenburg, Prinzregent Luitpold und Kaiser Wilhelm, zu dessen 100. Jubeltag er 1897 das Stück „Aus Nacht zum Licht“ schreibt und mit seinen Schülerinnen aufführt. Er setzt sich stark für die Bildung von Mädchen und überhaupt die Rechte von Frauen ein und unterstützt Frauenvereine. Frühe Förderung erhält seine Schülerin Martha Saalfeld, die 1905 eine Hauptrolle in seinem Schiller-Gedenk-Stück spielt. Enge Kontakte unterhält Müller-Palleske auch zur jüdischen Gemeinde. Eine von Müller-Palleske mitgestiftete Skulptur zum Gedenken an Goethes Ehefrau Christiane, deren Rolle er im geschichtlichen Diskurs für unterschätzt hielt, ist bis heute im Frankfurter Palmengarten zu bewundern. Überdies würdigt er seine Familie und ihr literarisches Umfeld in vielzähligen Publikationen. Teile der Briefe und Textsammlungen befinden sich heute im Deutschen Literaturarchiv Marbach. Der berufliche wie gesellschaftliche Tod tritt abrupt ein: Als die Berliner Polizei 1911 bei einem als homosexuell verdächtigten Mann Briefe Müller-Palleskes mit eindeutigem Inhalt sicherstellt, erfolgt Meldung nach Landau. Er folgt dem Rat seiner vorgesetzten Behörde in Speyer und verlässt am 13. September – bis zur Klärung der Vorwürfe, wie es heißt – die Pfalz Richtung Basel. Bereits am 15. September wird ihm das als Verletzung der Amtspflicht angekreidet und mit Amtsenthebung und dem Verlust sämtlicher Rentenansprüche geahndet. Man entledigt sich des „Skandals“ also rasch und ohne Federlesens. Ob die Mutmaßungen über Palleskes homo- oder bisexuellen Neigungen tatsächlich fundiert oder Gerüchten von Gegnern seines offensiv liberalen und frauenfreundlichen Engagements geschuldet waren, bleibt bis heute im Dunkel. Die Schweiz gewährt Asyl. Ohne Papiere wird die Familie bis 1918 in Zürich geduldet, dann erfolgt die Rückkehr nach Deutschland, wo die Familie – mutmaßlich begünstigt durch das allgemeine Chaos nach Kriegsende, so Könnes Deutung – neue Melde- und Ausweisdokumente erhält. Von da an verliert sich jegliche Spur. Bemerkenswert sei, so Könnes abschließende Feststellung, dass sich weder in Landau noch Speyer, dem Sitz der Schulbehörde, der kleinste Hinweis auf die Existenz des Pädagogen finde. Lediglich die oft ganzseitigen Kolumnen in der damaligen Tagespresse gäben Aufschluss über sein anerkannte Wirken. Auch gibt es kein einziges Foto. Er werde weiterforschen, so Christian Könne, der mittlerweile auch die Schulleitung des Max-Slevogt-Gymnasiums an seiner Seite weiß. Und Dominique Ehrmantraut – sie unterrichtet dort Evangelische Religion - hat fürs Frühjahr bereits eine Unterrichtseinheit zu Carl Friedrich Müller-Palleske im Blick.

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