Rheinpfalz Mini-Erdbeben für den Bauer 4.0

Die Digitalisierung ist auf dem Acker angekommen. In Zukunft werden in der Landwirtschaft nicht nur Drohnen mitarbeiten.
Die Digitalisierung ist auf dem Acker angekommen. In Zukunft werden in der Landwirtschaft nicht nur Drohnen mitarbeiten.

Das Fraunhofer Institut für Experimentelles Software Engineering (IESE) in Kaiserslautern hat den Zuschlag für ein Millionen-Projekt erhalten. Das Team von Institutsleiter Peter Liggesmeyer führt dabei Regie, weitere Fraunhofer-Institute sind beteiligt. Es geht darum, die Arbeit auf dem Acker zu optimieren. „Es ist so etwas wie Industrie 4.0, nur für die Landwirtschaft“, sagt der IESE-Chef.

Es klingt noch ein bisschen nach schöner neuer Welt: In Zukunft sollen Drohnen dem Bauern Bilder schicken, an welcher Ecke seiner Felder dringend gewässert werden muss, Feldroboter werden miteinander kommunizieren und Sensoren Auskunft über die Erntebedingungen geben. „Am Ende soll die neue Technik dem Landwirt helfen, ressourcenschonender zu arbeiten, Kosten zu sparen und zudem konkurrenzfähiger zu werden“, erklärt Peter Liggesmeyer, Leiter des Kaiserslauterer Fraunhofer Instituts für Experimentelles Software Engineering (IESE). Genau da setze das Leitprojekt „Smart Agriculture“, was so viel wie intelligente Landwirtschaft heißt, an. Vieles sei im landwirtschaftlichen Bereich schon in der Mache, erläutert der Professor. So könnten Mähdrescher beispielsweise autonom fahren, es gebe Fütterungsautomaten. Jetzt gehe es darum, das vorhandene Know-how zu bündeln, fehlende Puzzlesteine zu ergänzen und besser zu werden, zusammen mit der Industrie, aber auch landwirtschaftlichen Verbänden. „Von dem Zusammenschluss sollen am Ende alle profitieren“, sagt Liggesmeyer. Es sei das erste Mal, dass sein Institut so ein Leitprojekt an Land gezogen habe. „Das ist ein sehr großer Erfolg.“ Los gehen wird es im September. Die Laufzeit des Neun-Millionen-Euro-Projekts beträgt vier Jahre. 1,5 Millionen Euro fließen nach Kaiserslautern. Engagieren werden sich in dem Forschungsvorhaben dem Vernehmen nach Firmen wie John Deere, BASF, Fendt sowie der Deutsche Bauernverband und VDMA Landtechnik. Alle seien an digitalen Lösungen im Agrarbereich interessiert. Es gehe am Ende auch darum, dem Landwirt die passenden Informationen zu liefern, was voraussetze, dass Daten, die er hat, richtig ausgewertet werden. Bislang sei auf dem Acker vieles aus dem Bauch heraus entschieden worden, sagt Liggesmeyer. Mit der Hilfe der Fraunhofer-Gesellschaft solle der Bauer künftig handfeste Entscheidungsgrundlagen erhalten. Da gehe es beispielsweise um eine punktgenaue Düngung, um den Stickstoffeintrag auf den Feldern zu minimieren. „Dazu müssen beispielsweise Wetterdaten ausgewertet werden, der Zustand der Pflanzen muss erfasst werden, der Wassergehalt im Boden. Am Ende des Tages möchte ich wissen, was die klügste Reaktion wäre“, führt Liggesmeyer aus. Sicher geplant seien Reallabors in der Region, also beispielsweise landwirtschaftliche Nutzflächen, auf denen Versuche laufen. Wo die sein werden? Da wollte sich Liggesmeyer noch nicht in die Karten schauen lassen. Das IESE werde eine große digitale Plattform aufbauen, mit im Boot seien sieben weitere Fraunhofer-Institute, beispielsweise das Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik in Freiburg, das sich mit hochsensibler Sensorik befasse. „Die bauen so etwas wie eine künstliche Nase, die den Düngezustand riechen kann“, erläutert er. Ein anderes Institut befasst sich mit Mikroseismographie. „Forscher lösen im Boden mit Schallwellen Mini-Erdbeben aus, um den Ackerzustand erfassen zu können.“ Der Chef des Fraunhofer-IESE in Kaiserslautern geht davon aus, dass nicht nur das Land Rheinland-Pfalz von den Erkenntnissen profitieren werde. „Ein großes Plus ist die Unabhängigkeit der Fraunhofer-Gesellschaft, das ist eine gute Ausgangsbasis für herstellerübergreifende Lösungen.“ Im Jahr 2017 beispielsweise war Liggesmeyer zweimal in Irland. Einmal hat er sich mit dem irischen Landwirtschaftsminister Michael Creed getroffen, ein andermal mit dem zuständigen EU-Kommissar. Liggesmeyer: „Leitprojekte der Fraunhofer-Gesellschaft gelten als sehr prestigeträchtig, sie werden gesehen.“

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