Rheinpfalz Merkel ist die in der Kabine von Schweini & Co

OBERNHEIM-KIRCHENARNBACH. Julia Klöckner nimmt einen neuen Anlauf: „Kennt ihr Angela Merkel?“ Für Drei- und Vierjährige ist Merkel uninteressant. „Oh, ist das schwierig“, gibt Klöckner den Erklärungsversuch lachend auf. Sie hat sich auf ihrer Sommertour, bei der sie sich dem Thema Bildung von der Basis nähern will, vorgenommen mit anzupacken. Sie will erfahren, was Erzieherinnen leisten, wo der Schuh drückt. Der drückt gewaltig, erfährt Klöckner schnell. Im Gespräch. Mit Politikern. Verbandsbürgermeister Thomas Peifer und Ortsbürgermeister Andreas Traub weisen auf ein Riesen-Problem hin: die personelle Besetzung. Theoretisch gut, praktisch schlecht. Vor allem, wenn Erzieherinnen krank werden. Woher Vertretungen nehmen, gerade im ländlichen Raum? „Vertretungspool“ wird notiert. „Freistellungszeit für die Kindergartenleiterinnen“ folgt. Das ist die Zeit, die für administrative Aufgaben, Elterngespräche und ähnliches benötigt wird. Deutlich zu kurz ist diese bemessen, unterstreicht Claudia Rudig, seit zweieinhalb Jahren Leiterin der Kindertagesstätte, in der in zwei Gruppen 40 Kinder betreut werden. Während des Politiker-Erzieherinnen-Gesprächs auf dem Flur – die Landtagsabgeordnete Susanne Ganster und die Bundestagsabgeordnete Anita Schäfer begleiten Klöckner – kommen immer mal Kinder vorbei. Auf dem Weg zur Toilette. Zeit zum Anpacken. „Hallo“, sagt Klöckner, als sie den ersten Gruppenraum betritt. Den Kindern den Begriff Politiker erklären, geht schon mal schief. Politikeralltag. Den Bürgern Politik erklären, funktioniert ja auch nicht immer. Klöckner erklärt, dass sie da sei, um den Erzieherinnen ein bisschen zu helfen. Das verstehen die Kinder. Erzieherinnen – selbst die, die nur kurz zu Besuch da sind – bekommen einen Vertrauensvorschuss. „Wie heißt Du?“, fragt Julia Klöckner ein Mädchen. „Julia!“ Wie auch sonst. Es wird gelacht. Lou-Ann, die Freundin der kleinen Julia, kommt dazu. Das Vertrauen wächst. „Soll ich Euch beim Puzzeln helfen?“, fragt Klöckner die Jungs am Tisch. „Nein, das müssen wir alleine machen“, lautet die Antwort. Anpacken beim Puzzeln ist nicht gefragt. Also weiterreden. Es geht um Themen wie Sprachförderung, mit welchen Voraussetzungen Kinder in den Kindergarten kommen, die Veränderungen dadurch, dass Kinder immer früher den Kindergarten besuchen. Besuchen müssen, weil beide Eltern berufstätig sind. „Die Gesellschaft hat sich schon immer verändert, wir halten sie auch nicht auf. Die Frage ist: Wie begleiten wir sie?“, bilanziert Klöckner. Jetzt ganz Politikerin. Das ist den Kindern zu langweilig. Die dreijährige Julia und die vierjährige Lou-Ann beginnen am Nebentisch zu malen. Luftballons, an denen die Schnur abgerissen ist. Sicherheitshalber malt Lou-Ann jede Menge Schnüre. Für die nächsten Luftballons. Sie haben Spaß und fangen an zu singen. „So sehen Sieger aus, schalalala“ und lachend singen sie: „So gehen die Deutschen, die Deutschen, die gehen so.“ Natürlich wissen sie auch, wie die Gauchos gehen. „Die Gauchos gehen so!“ Die vierjährige Annelie hat aus dem Gesangs-Duo ein Trio werden lassen. Genug geredet, findet jetzt auch Klöckner. Schließlich ist sie zum Anpacken da. Frühstück wird zubereitet. Im zweiten Gruppenraum. Auf dem Weg dahin hält Lou-Ann Klöckner einen Klebestift hin. „Kannst du mir den mal aufmachen?“, fragt sie. Klar geht das. Anpacken heißt die Devise. Kappe runter, Stift zurück. Lou-Ann sagt danke und klebt. „Wie heißt das hier?“, will die in Bad Kreuznach geborene Klöckner beim Obst schnippeln wissen. Quetsche, Pflaume? Und was lässt sich daraus machen? „Obstkuche“, schnell ausgesprochen wie in Bad Kreuznach oder „Obstkuuuuche“, wie in der Pfalz. Sprachförderung im Praxistest. Raphael klettert zu der Pflaumen schneidenden Klöckner auf den Schoss, während diese weitere Probleme geschildert bekommt. Fünf Jahre dauert die Erzieherinnenausbildung. Dazu die Verantwortung, die Arbeitsbedingungen und die beispielsweise im Vergleich zu Grundschullehrern schlechte Bezahlung. Ein Arbeitsleben auf diesen kleinen Stühlen verbringen? „Zum Glück bin ich so klein“, sagt Anita Schäfer lachend auf dem kleinen Kindergartenstuhl. Wie lange hält man das aus? Selten ein vorgesehenes Arbeitsleben lang. Auch der Geräuschpegel im Kindergarten ist oft hoch. „Kuck mal.“ Amelie und Juliana lassen Julia Klöckner in ihr Freunde-Buch schauen. Klöckner erfährt, dass es die große und die kleine Leonie gibt, dass „Hello Kitty“, die kleine Katze, sehr beliebt ist, und sie bekommt ein Bild geschenkt. Von Amira. Ein Bild vom Kindergartenalltag hat Klöckner sich auch machen können. Sie hat einiges gehört, einiges gesehen. Basteln, lesen, malen, Essen zubereiten, Vertrauensperson für die Kinder sein. Wenn auch in Obernheim-Kirchenarnbach Krippenplätze zur Verfügung stehen, kommen Füttern und Windeln wechseln dazu. „Das Lied über mich“, singen die Kinder zum Abschied. Klöckner strahlt. Sie bekommt noch ein Bild geschenkt, auf dem sich alle Kinder verewigt haben. Noch ein Lied, wünscht sie sich zum Abschied. „Kennt ihr ein Vogel-Lied?“ Nee. Aber „Atemlos“. Kindergarten 2014. Na dann, „Atemlos“. Blieb nur die Frage offen: Wer ist Angela Merkel? Ist doch klar. Merkel ist die Frau, die bei der Fußball-WM in der Kabine bei Schweinsteiger, Lahm und Götze war.

x