Kultur Südpfalz Lebensgefahr als Wohlfühlfaktor

Judith Achner, Isa Weiß und Miriam Grimm (von links) macht der Terror zur Schicksalsgemeinschaft.
Judith Achner, Isa Weiß und Miriam Grimm (von links) macht der Terror zur Schicksalsgemeinschaft.

Die „Expedition Chawwerusch“ zündet mit ihrer Theatersparte für junge Leute eine neue Stufe und feiert am 3. November Premiere mit dem noch immer topaktuellen Stück „demut vor deinen taten baby“ , das die erst 28-jährige Autorin Laura Neumann schon vor fünf Jahren schrieb. Die Inszenierung von Éva Adorján richtet sich vor allem an Schüler ab 14 Jahren und entstand in Zusammenarbeit mit dem Studiengang Darstellendes Spiel des Zentrums für Kultur und Wissensdialog (ZKW) der Universität Landau.

„Eine Girl-Group, die Terror verbreitet – zum Wohle aller“, lautet die Schlagzeile zu diesem Stück und wie man sich die Umsetzung dieser skurrilen Geschichte der bereits vielfach ausgezeichneten Theaterautorin Laura Neumann vorstellen soll, konnten Schüler der Integrierten Gesamtschule Kandel am Donnerstag schon mal bei einer Probe mit anschließender Frage- und Antwortrunde erfahren. Etwa zwanzig Minuten der 75 Minuten langen Inszenierung gab es für die jungen Leute, die alle das Fach Darstellendes Spiel belegen, schon mal zum Anfüttern. Die Kost war, so zeigten die Reaktionen, nicht ganz leicht verdaulich, machte aber Appetit auf mehr. Als Kulisse hat sich der erfahrene Bühnenbildner Gerd Friedrich, der erstmals als Gast bei Chawwerusch arbeitet, eine Art klarsichtigen Triumphbogen ausgesucht, der durch verschiedene Lichtreflexe für die unterschiedlichsten Szenen taugt. Das ist der einzige Beitrag aus männlicher Sicht zu dem ansonsten ausschließlich von Frauen umgesetzten Thema. „Ich habe es sehr genossen und finde es sehr schön“, dass hier nur Frauen agieren, meint Regisseurin Éva Adorján, die auch Dozentin für Darstellendes Spiel an der Uni ist. Schließlich handele es sich um ein „Frauenstück“, mit drei weiblichen Hauptdarstellerinnen, die das Thema Terror und Angst vor Terror aus ihrer Sicht beleuchten und mit gezielt eingesetzter Frauenpower managen. Bewusst werden dabei Assoziationen zur Punkrockband Pussy Riot, der Pussyhat-Bewegung und den Femen, die den „Sextremismus“ als Waffe einsetzen, gestreut. Aber dennoch, so beschwichtigt Anja Ohmer, Leiterin des ZKW, werden hier auch Belange angesprochen, die Männer betreffen und vor der älteren Generation nicht Halt machen. Im Kern gehe es darum, dass man nach einer extremen Gefahrensituation, einer Grenzsituation zum Tod, das Leben neu bewertet, „alles auf Anfang setzt“, das Wichtige vom Unwesentlichen trennt. Diese Erfahrung kann man nach einer Krankheit, einem Unfall oder einem Terrorakt machen, dem man gerade noch entkommen ist. Die Gefahr eines Terrorakts, die in unserem Alltag so realistisch geworden ist, hat Autorin Laura Neumann zum Dreh- und Angelpunkt ihres völlig irrwitzigen, schräg-skurrilen Stücks gemacht, das als Erzähltheater angelegt ist, wie im Zeitraffer funktioniert und auch Éva Adorján zu einer grellen, schrillen und temporeichen Inszenierung inspiriert. Und worum geht es nun genau? Drei sich bislang fremde, sehr unterschiedliche Frauen – gespielt von Chawwerusch-Mitglied Miriam Grimm und den Gastschauspielerinnen Judith Achner und Isa Weiß – werden durch eine Bombendrohung zu einer Schicksalsgemeinschaft. Die Terrorwarnung erweist sich zwar als Fehlalarm, das Gefühl der Erlösung nach überstandener Todesangst aber hat seine Wirkung nicht verfehlt und schweißt die drei Frauen dauerhaft zusammen. In ihrer Wohngemeinschaft schweben sie – entlastet von früheren Sorgen – auf einer Wolke des Glücks. Diesen Wohlfühlzustand will das „Girl-Trio“ mit anderen teilen und so fingiert es Terroranschläge an publikumsstarken Orten, darunter übrigens eine Disco, womit schlagartig bewusst wird, wie sehr die Realität das schräge Stück längst eingeholt hat. Aber Mia, Lore und Bettie haben ja keine echten Waffen … Und der Erfolg gibt ihnen zumindest anfangs dermaßen Recht, dass die Regierung einschreiten muss, um den für sie untragbaren Hyper-Glückszustand des Landes zu beenden. Was bei den jungen Zuschauern die Frage aufwerfen soll, in welcher Welt mit welchen Werten sie wirklich leben wollen. Wie dick es am Ende tatsächlich kommt, ist bei den vielen Haken, die diese „verrückt-lustige, teilweise auch schockierende Story“ schlägt, für die IGS-Schüler auch nach den zwanzig Schnupperminuten nicht erkennbar. Die einen suchen Hinweise im grellen Kostümoutfit, andere im Selbstverständnis der einzelnen Figuren und der Rollenverteilung zueinander, wieder andere interessieren sich eher dafür, wie man sich als Darstellerin in dieser wuchtig-fulminanten Frauenpower-Knallerinszenierung, fühlt. Sogar die Regieassistenz mit den Studentinnen Elisa Ferrari und Iphigenie Xenitidou ist ausschließlich weiblich. „Das ist sehr energetisierend“, versichert Isa Weiß, „wie so ein Ritt“, bei dem man freilich – wie der Titel schon gemahnt – auch stürzen könnte. Empfohlen ist das Stück ab 14 Jahren. Info Premiere ist am 3. November, 20 Uhr, danach Vorstellungen am 4. und 5. sowie 10. und 11. November freitags und samstags um 20 Uhr, sonntags um 19 Uhr. Außerdem Vormittags-Vorstellungen für Schulen unter der Woche. Terminvereinbarung im Theaterbüro unter Telefon 07276 5991.

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