Rheinpfalz Kreuze vor Grundig

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Elektroinstallateur, Betriebsratsvorsitzender, hauptamtlicher Gewerkschaftsführer. Werner Cappel hat in den vergangenen fünf Jahrzenten große Veränderungen, darunter die Einführung der 35-Stunden-Woche für Metaller, in der Arbeitswelt miterlebt und für die Region ein Stück auch mitgeprägt. Am gestrigen Sonntag trat der langjährige Erste Bevollmächtigte der IG Metall Homburg-Saarpfalz in den Ruhestand.

Mit 14 begann für ihn 1965 mit der Lehre zum Elektroinstallateur das Berufsleben, 1972 wurde er mit 21 Jahren der jüngste Betriebsratsvorsitzende Deutschlands, 1986 dann Gewerkschaftssekretär. 35-Stunden-Woche, Strukturreformen, Wiedervereinigung, Wirtschafts- und und Finanzkrisen. Die großen Arbeitskämpfe fallen alle in seine Zeit. Immer war der Kampf um faire Arbeitsbedingungen und Löhne, der Einsatz für die Beschäftigten zentrales Element seines Tuns. Zuletzt im Widerstand gegen unkontrolliertes Lohndumping über Werksverträgen. Cappel hat die Höhen genauso erlebt wie die Tiefen, die berauschenden Erfolge ebenso wie Zerreißproben und Niederlagen. Als Betriebsratvorsitzender und später Sekretär der IG Metall stand Cappel immer in vorderster Linie. Auch wenn er selbst nicht aufhört, die Erfolge bei „seiner Mannschaft“ zu finden. „Größeres Durchsetzen war fast immer nur zusammen und gemeinsam möglich. Im Team mit Belegschaften, mit den Gremien. Mit Menschen, die gleiche Interessen und Ziele hatten.“ Aber es ist oft seiner Arbeit zu verdanken gewesen, dass sich diese Teams zusammenfanden. Als Cappel 1972 bei Grundig in Rammelsbach Betriebsratsvorsitzender wurde, lag der Anteil der Gewerkschafter bei acht Prozent in der Belegschaft. Als 1984 der Kampf um das Werk begann, waren es 96 Prozent. Mit dieser Mannschaft organisierte Cappel den Protest gegen die geplante Schließung. „In einer Nacht- und Nebelaktion haben wir neben dem Werk 400 Holzkreuze aufgestellt. Am nächsten Morgen sah es aus wie auf einem Friedhof.“ Bundesweit ist Rammelsbach in den Schlagzeilen. Am Ende werden alle Beschäftigten, die das wünschen, ins Werk Miesau übernommen. „Nur durch den Zusammenhalt kam das Angebot zustande“, ist Cappel überzeugt. Die 80er Jahre sind für die IG Metall und damit auch für Cappel eine Zeit des Konflikts. Der damals neue Bundeskanzler Helmut Kohl ist eher den Arbeitgebern zugeneigt. Das wird deutlich, als es um die 35-Stunden-Woche geht. Durch Streiks in Zulieferwerken stehen auch in Homburg und der Region die Bänder still. Die Beschäftigten werden kalt ausgesperrt. Die Bundesanstalt für Arbeit verfügt, dass kein Kurzarbeitergeld gezahlt wird. Die Gewerkschaft gerät unter Druck. „Wenn das Bundessozialgericht den Erlass damals nicht gekippt hätte, wir hätten ernsthafte Probleme bekommen. Die IG Metall hätte zerbrechen können.“ Sie zerbricht nicht, und nach der deutschen Einheit 1990 hilft Cappel beim Aufbau der ostdeutschen Gewerkschaften. „Eine historische Zeit“, wie er sich erinnert. „Es war eine völlig neue Welt. Es bestand immenser Beratungsbedarf, und es gab große Erwartungen. Ich war immer zwei, drei Tage in Homburg, den Rest der Woche in Thüringen.“ Um die Jahrtausendwende schlägt dann der Strukturwandel im Saarland durch. „2000 hatten wir eine Schließung nach der anderen. DSD, KSB, Mannesmann, Vogt in Miesau. Nur noch ein Betrieb blieb dort übrig.“ Cappel, gerade erst an die Spitze der IG Metall Homburg-Saarpfalz gerückt, muss nun bei „bitteren Entscheidungen das Bestmögliche für enttäuschte Menschen herausholen“. Gleichzeitig erlebt er bei Tarifverhandlungen, welche Wirkung Großkundgebungen mit Tausenden Metallern haben können. Dieser massive Rückhalt wird 2008 enorm wichtig. Die schwerste Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit beginnt. „Wir waren gerade mitten in den Tarifverhandlungen, und plötzlich kommt die Nachricht, bei Bosch und Schaeffler sind alle Aufträge weg. Zuvor bedeuteten Wirtschaftsabschwünge immer automatisch auch Entlassungswellen. Diesmal jedoch haben wir durchgesetzt, dass die Leute in Kurzarbeit gehen. Wir wussten nicht, wohin die Reise geht, aber unsere Mitglieder standen zu uns. 2009 ging es wieder aufwärts.“ Nach mehr als 15 Jahren als Erster Bevollmächtigter geht Werner Cappel nun in den Ruhestand. Sein Nachfolger Ralf Reinstädtler übernehme „eine ganz stabile, schlagkräftige IG Metall-Verwaltung, die von den Arbeitgebern ernst genommen wird und eine wichtige Rolle spielt“. Heute mehr denn je. Beim Ausräumen des Zweibrücker Gewerkschaftshauses entdeckte Cappel vor Jahren die alten Gewerkschaftsbücher. Von der Gründung 1903 bis zur Auflösung im Mai 1933 lag die Geschichte vor ihm. „Gänsehaut pur“ sei das gewesen, erinnert er sich. Der letzte Eintrag berichtet knapp von der „Schutzhaft“ des Vorsitzenden und der Anwesenheit eines Vertreters der NSDAP, Tagespunkt: Abwicklung der Gewerkschaften. Diese letzten Eintragungen berührten Cappel und schärften sein Bewusstsein. „Menschen in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen sind empfänglich für Versprechungen.“ Damals wie heute. Die Tendenzen zum Lohndumping und kurzfristiger Gewinnmaximierung, die zu beobachten seien, treiben ihn um. „Sozialkürzungen rächen sich immer.“ (sach)

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