Kultur Südpfalz Konflikt der Kulturen

Überzeugendes Spiel: Klaus Cofalka-Adami (Afzal) und Paula Skorupa (Zarina).
Überzeugendes Spiel: Klaus Cofalka-Adami (Afzal) und Paula Skorupa (Zarina).

War der Prophet Mohammed ein ganz normaler Mann mit Schwächen und Gelüsten, die von der Überlieferung des Koran eingeebnet und getilgt wurden? In den Augen der Glaubenshüter ist das schiere, strafwürdige Blasphemie. Das Theaterstück „Afzals Tochter“ von Ayad Akhtar, das jetzt im Studio des Staatstheaters Karlsruhe zu sehen ist, führt auf hohem Niveau vor, wie diese ketzerische Sicht eine ganze Familie in die Katastrophe führt.

Der pakistanische Einwanderer Afzal hat sich in Amerika eine solide Existenz als Taxi-Unternehmer aufgebaut, hält aber bei aller geglückten Integration in der neuen Heimat an seinem Glauben fest. Als orthodoxer Muslim pflegt er die gewohnten traditionellen Muster und Gebote seiner Religion zu Hause weiter und ist seinen beiden Töchtern ein ebenso fürsorglicher wie übergriffiger Vater. Für die ältere Zarina, die als moderne Muslima in Harvard studiert und dort an einem Roman arbeitet, hat er ohne ihr Wissen auf einem Dating-Portal den jungen Amerikaner Eli als genehmen Ehemann ausgeguckt, der als Konvertit zum Islam übergetreten ist und als Imam eine eher aufgeklärte Linie vertritt. Aber selbst Eli, der Zarina heiratet, ist entsetzt über die kritische Tendenz ihres Buches, geht es dort doch um Gender-Aspekte des Islam, um Korrekturen am traditionellen, nach ihrer Ansicht verfälschten Bild des Propheten und also um die Rolle der Frau, wie sie im Koran zur Doktrin erhoben wird. Als Afzal, der ahnungslos die Studien seiner hochbegabten Tochter seit Jahren finanziert, deren Buchmanuskript unversehens in die Hände fällt, bricht eine Welt für ihn zusammen – vollends als er erfährt, wie sehr Zarinas angepasste jüngere Schwester Mahwish insgeheim darunter leidet, dass sie in gläubiger Unterwerfung unter die Dogmen des Glaubens in entehrende Sexualpraktiken mit ihrem Verlobten eingewilligt hat. Im Zusammenprall der Kulturen bricht die Familie auseinander. Die stille, versöhnliche Pointe am Ende kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier im Stile eines intelligenten Konversationsstückes eine bewegende Tragödie erzählt wird. Der amerikanische Autor Ayad Akhtar, der 1970 als Sohn pakistanischer Immigranten geboren wurde, schildert das Milieu seiner Werke aus eigenem Erleben. Ebenso wichtig wie der authentische Charakter seines Stückes „Afzals Tochter“, das 2014 in den USA erfolgreich uraufgeführt wurde und auf gründlichen Quellenstudien zum Koran beruht, ist seine brillante Begabung für dramaturgische Spannung und flüssige, nicht selten pointierte Dialoge. Sein „well made play“ behandelt die interkulturellen Probleme des religiös begründeten Konflikts mit eindringlicher Farbigkeit, gescheiter Präzision und gelegentlichen ironischen Akzenten, die dem schweren Thema eine anregende Leichtigkeit geben. Die glänzende Karlsruher Einstudierung das Stückes im Studio des Staatstheaters wird den Möglichkeiten der Vorlage vorzüglich gerecht. Auf der vollständig leeren Wohnzimmer-Bühne von Friederike Meisel sind die vier Darsteller ganz auf sich und ihren Text gestellt. Das lenkt die Aufmerksamkeit auf das Wort und stört die Dichte des 90-minütigen Abends nicht durch überflüssige szenische Garnituren, aufdringliche Video-Spielereien und Musik-Untermalung. Die Sorgfalt des Regisseurs Robert Teufel in der Arbeit mit den Schauspielern zahlt sich überzeugend aus. Paula Skorupa entwirft als Zarina das nachdrückliche Porträt einer zielstrebigen jungen Frau auf der mutigen Suche nach der bedrängenden Wahrheit ihres Glaubens. Der auch hier wieder ausgezeichnete Sascha Tuxhorn gibt dem fortschrittlichen Eli spannungsreiche Kontur zwischen Skrupeln und Loyalität. Dem Vernehmen nach wird dieser glänzende Darsteller das Karlsruher Ensemble, dem er seit 2015 angehört, zum Ende der Spielzeit wieder verlassen – betrüblich, aber wohl verständlich. Marthe Lola-Deutschmann als bedauernswerte Mahwish lässt in der neurotischen Plapperei des lebensfrohen Mädchens dessen Tragik der Selbstverleugnung durchscheinen. Und Klaus Cofalka-Adami als Afzal betont anfangs allzu deutlich die liebevolle Überfürsorglichkeit des Patriarchen mit komischer Übertreibung, um so die Fallhöhe die unglücklichen Vaters besonders rührend zu entfalten. Der sehenswerten Aufführung gelingt dank hervorragender Darsteller und einfühlsamer, überzeugend dosierter Personenregie ein Musterbeispiel stückdienlichen, unaufdringlichen und dadurch um so eindringlicheren Schauspielertheaters. Info Die nächste Vorstellung ist am 3. Januar. Karten und weitere Aufführungen unter Telefon 0721 933333 sowie im Internet unter www.staatstheater.karlsruhe.de.

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