Eisenberg Kaum freie Fahrt beim Autofreien Eistal

91-72590909.jpg

Von Apfelsaft keltern in Ebertsheim bis Zapfenwerfen am Eiswoog, von Livemusik in Obrigheim bis Schnupperschießen in Ramsen gab es am Tag der Deutschen Einheit auf der mehr als 20 Kilometer langen Strecke durch das Eistal wieder eine Menge zu erleben. Zum 19. Mal war die L 395 acht Stunden lang für den motorisierten Verkehr gesperrt. Ein Schwerpunkt an Angeboten für Fußgänger, Radler und Skater befand sich in der Hauptstraße von Eisenberg.

„Wir machen erstmals Bratwurst und Burger aus heimischem Wild“, wirbt Tobias Ueberschaer für besondere Leckereien, die am Storchenturm vom Rotary Club Eisenberg-Leiningerland zubereitet und für einen guten Zweck unter die Leute gebracht werden. Etwa ein halbes Dutzend der rund 40 Clubmitglieder sind laut Präsident Stephan Müller Jäger. „Die Erlöse werden auf jeden Fall lokal zum Einsatz kommen, eventuell zur Unterstützung der Flüchtlingshilfe“, informiert er. Detlef und Lilo Osterheld aus Rosenthal loben das nicht alltägliche Fastfood: „Hervorragend.“ Erstklassig ist auch Anna-Maria Kaisers Gesang, der auf der Gitarre von Juan Moreno begleitet wird. „Wir haben erst vor 14 Tagen mit den Proben begonnen“, erläutern die zwei, die ihr Duo The Wheels nennen wollen. Hans-Werner Babik steigt von seinem Drahtesel. Ja, er sei schon öfter das autofreie Eistal hinuntergeradelt, erzählt der Biedesheimer. Nur bei Regen verzichte er darauf. Doch Niederschläge sind an diesem Samstag in weiter Ferne. Die Vielfalt der Stände fasziniere ihn und „man trifft hier immer wieder Leute, die man lange nicht gesehen hat“. So geht es auch dem zehnjährigen Johannes Schwalb, der nach den Ferien in die fünfte Klasse des Nordpfalzgymnasiums gekommen ist und seine ehemaligen Kameraden aus der Grundschule vermisst. „Schön ist das Bogenschießen beim Ramser Schützenverein“, hebt er hervor. Dort wohnt sein gleichaltriger Freund Xaver Mayer, der seine Tour mit Stockbrotessen am Eiswoog begonnen hat. Am Stand des CVJM wird gegrillt. Auch Kuchen gibt es. „In den letzten Jahren waren wir immer ausverkauft“, berichten Pfarrer Karl-Ludwig Hauth und seine Frau Eva. Das Geld sei für die Jugendarbeit bestimmt. Über einen Mangel an Helfern können sich die beiden nicht beklagen: Rund 25 opfern an diesem Feiertag ihre Freizeit. Selbst wenn – wie mehrfach zu hören ist – die Resonanz in den ersten Stunden der Veranstaltung früher größer war, herrscht um die Mittagszeit ein beachtliches Gedränge im Herzen der Stadt. Ein paar junge Mädchen kommen auf ihren Inlineskatern nicht wirklich vorwärts. Ständig müssen sie abbremsen, ausweichen, anhalten. „Es ist sehr anstrengend“, stöhnen sie und lachen. In die Pedale zu treten, ist ebenfalls nahezu unmöglich. Die meisten Leute schieben ihre Räder. Autofrei bedeutet eben nicht automatisch freie Fahrt. Detlef Osterheld ist inzwischen auf dem Markt der Kulturen neben der evangelischen Kirche angelangt. „Vielleicht werde ich ein Gericht aus Senegal probieren“, schaut er auf die Speisekarte, wo unter anderem Rind mit Couscous und etwas Vegetarisches mit Spinat, Kokosmilch und einer Nusssoße angepriesen wird. Eine Hettenleidelheimerin, die ihren Namen nicht nennen will, genießt einen Kuchen aus Bosnien-Herzegowina. Das Internationale sei das, was sie an Eisenberg so fasziniere, sagt die 73-Jährige. Sie gehört zu einer etwa 20-köpfigen Gruppe, die alljährlich das Autofreie Eistal stürmt – anfangs mit den Fahrrädern bis zum Eiswoog, heute mit dem Auto bis zur Tiefenthaler Straße und dann per pedes durch die Stadt. Vorbei geht es an bemalten Kürbissen eines Weingutes aus Dirmstein und an einem Flohmarktstand. Es riecht nach frischen Waffeln. Ein altes Mütterchen versucht in einer Hofeinfahrt Äpfel zu verkaufen. Derweil sorgt der 17-jährige Jan-Luca Ernst mit Band auf der Bühne am Rathaus mit flotter Musik für Stimmung und Kirsten Weber am CDU-Stand gegenüber für Erstaunen beim Publikum. Sie hat – in vier Tagen Arbeit – eine reich verzierte, schwarz-rot-goldene Torte anlässlich des 25. Jahrestags der deutschen Wiedervereinigung gebacken. Nach den Zutaten gefragt, springt ihr Werner Seitz zur Seite: „Ein Rezept für die Einheit gibt es nicht.“

x