Rheinpfalz Hahn: „Das wär’ ein Skandal im Skandal“

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In der Sondersitzung des Landtags über den geplatzten Hahn-Verkauf zielt CDU-Chefin Julia Klöckner vor allem auf Malu Dreyer: Die Ministerpräsidentin verspiele jegliches Vertrauen. Das Regierungslager flüchtet sich in Worthülsen und Gegenangriffe. Innenminister Lewentz bleibt bei seiner Linie, die EU-Vorgaben hätten keine Alternative zugelassen und die Berater grünes Licht gegeben.

MAINZ. Julia Klöckner ist wieder da. Bei der Wahl im März hat sie krachend gegen Malu Dreyer verloren. Die Amtsinhaberin war vielen Wählern vertrauenswürdiger erschienen als die CDU-Herausforderin. Es war ein Dämpfer, den Klöckner nicht verbergen konnte. Gestern war die Kampfeslust zurück. Rhetorisch gekonnt setzte die CDU-Chefin immer wieder die Botschaft: Malu Dreyer trage die Verantwortung für das Desaster beim Versuch, den Flughafen Hahn zu verkaufen und verspiele so das Vertrauen der Menschen. Ob Dreyer die Geschäftspläne des chinesischen Kaufinteressenten gelesen habe, fragte Klöckner. Eine unrealistische Vervielfachung des Frachtumschlags auf dem Hahn sei dort in Aussicht gestellt worden, und der Bau einer zweiten Landebahn. Oder habe sich Dreyer die Verträge gar nicht selbst angesehen? Dann wäre „das ein Skandal im Skandal“, kritisierte Klöckner. Vielleicht wollten Dreyer und ihr SPD-Innenminister Lewentz gar nicht so genau hinsehen, mutmaßte die CDU-Frau. Sei deshalb niemand vor Vertragsabschluss nach China geschickt worden, um sich ein Bild vom Käufer zu machen? Vor der Wahl sei der Verkauf verschleppt worden, danach sollte es ganz schnell gehen, kritisierte Klöckner. Dann kam sie auf den Kern ihrer Vorwürfe: Die SPD wollte das Problem mit dem Hahn offenbar über den Wahlsonntag retten, um den Airport anschließend schnell loszuwerden, damit sich die Genossen im Falle einer Insolvenz des Airports von jeder Verantwortung freisprechen können. Schaden für die Region habe Dreyer angerichtet und Schaden für die Glaubwürdigkeit der Politik, schimpfte Klöckner. Nächste Woche wird mit dem Misstrauensantrag Teil zwei der CDU-Attacke folgen. Ein Mangel an Vertrauen in die Politik – das ist es, was die oppositionelle AfD in den Landtag gespült hat. Deshalb ist das Hahn-Desaster auch für AfD-Fraktionschef Uwe Junge ein gefundenes Fressen. Er übte Kritik an der EU, die mit ihren Flugleitlinien in die Souveränität des Landes eingreife. Wie die CDU warf auch die AfD der SPD vor, den Hahn-Verkauf über den Wahltag geschleppt zu haben. Aus parteipolitischem Kalkül sei Steuergeld riskiert worden. Junge forderte die Neuausschreibung des Hahn-Verkaufs und den Rücktritt Dreyers. Der „Ampel-Dampfer“ habe bereits Schlagseite. Kurz vor 12 Uhr, die Debatte war bereits Stunden heiß gelaufen, ergriff Dreyer selbst das Wort. Würde sie die Rolle der Demütigen einnehmen, sich entschuldigen dafür, dass die Regierung mit der laschen Prüfung der Geschäftspartner der Shanghai Yiqian Trading Co. Ltd. (SYT) das ganze Land der Lächerlichkeit preisgegeben hat? Nichts dergleichen. Dreyer rückte die Verantwortlichkeiten zurecht. Das Innenministerium habe den Verkaufsprozess „in eigener Ressortverantwortung“ verfolgt. Der Verkaufsprozess sei verzögert worden wegen des „offenbar betrügerischen“ Handelns des Meistbietenden. Er habe in „krimineller Absicht“ gehandelt, Berater und das Innenministerium seien getäuscht worden. „Das ist bitter, dass uns dieser schlimme Fehler passiert ist“, sagte Dreyer. Welchen Fehler sie genau meinte, blieb unklar. Wie zuvor schon Lewentz stellte Dreyer die Arbeit der Wirtschaftsberatungsgesellschaft KPMG bei der Prüfung der Käufer infrage. Auf Zwischenrufe aus der Opposition sagte sie: „Wir schieben nicht Verantwortung ab; aber es ist absurd, wenn Sie glauben, man kann nicht darüber sprechen, wie uns ein Beratungsunternehmen unterstützt hat.“ In der Rede von Innenminister Roger Lewentz, die Klöckner als „Aktenvortrag“ bezeichnete, kam nur einmal die Wendung „tut mir leid“ vor – als er daran erinnert wurde, dass er gerade aus vertraulichen Papieren zitiert hatte. Sein Handeln beim Verkauf? Alle Sicherungsmechanismen seien eingebaut gewesen, er habe die Reißleine rechtzeitig gezogen: „Ich bin überzeugt, wir haben entschlossen gehandelt.“ Lewentz Staatssekretär Randolf Stich (SPD), der gerade aus China zurückgekehrt war, unterhielt sich mit Regierungsmitgliedern, ging aber nicht ans Rednerpult. Es war die Aufgabe von SPD-Fraktionschef Alexander Schweitzer, den Misstrauensantrag gegen Dreyer zurückzuweisen. „Diese Koalition steht hinter der Ministerpräsidentin insgesamt, und wir werden mit dem Antrag in allen Konsequenzen im Sinne der Wähler umgehen.“ Schweitzer lobte die Konversionspolitik des Landes im Allgemeinen, sagte, die Regierung habe schon viel für den Flughafen Hahn getan, und sprach von einer schwierigen Phase. Eher unfreiwillig erntete Schweitzer Beifall von der CDU-Fraktion für den Satz: „Man kann Verantwortung nicht in den Raum stellen, man muss sie auch persönlich wahrnehmen.“ Thomas Roth, FDP-Fraktionschef und von Hause aus Unternehmensberater, sagte Sätze wie: „Wir fordern nun alle zum sachlichen und lösungsorientierten Dialog auf.“ Auch sein dritter Auftritt im Landtag überzeugte nicht. Grünen-Fraktionschef Bernhard Braun unterstützte die Landesregierung im Bemühen, mit den beiden verbliebenen Bietern zu sprechen. Nur in privater Hand habe der Flughafen eine Zukunft. „Wir wollen doch eine dauerhafte Nutzungsperspektive“, sagte er. Weder Braun noch Roth ließen Zweifel offen, dass Klöckners Misstrauensantrag ins Leere laufen wird.

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