Kultur Südpfalz Große Gefühle

Besser hätte das Publikum dem Aufruf „Wohl dem, der sich vergnüget“ nicht folgen können. In dem sehr passenden Ambiente des Kirrweilerer Pfarrhofs lauschte es am Sonntag konzentriert und amüsiert den verschiedenen Gedichten aus der Zeit des Barock und von Rose Ausländer. Vorgetragen, ja inszeniert wurden sie von Kerstin Bachtler und Bodo Redner. Auf der Laute und der Flöte begleitete Andrea C. Baur.

Im Pfarrhof sind die Stühle zurechtgerückt. Lautenmusik erschallt. Die Besucher harren nicht einer einfachen Lesung, sondern des avisierten Barocklyretts, in dem die Poesie nicht nur rezitiert, sondern der Inhalt nahezu gespielt wird. Erste Erfahrungen mit dieser Art des Vortrags haben die zwei Schauspieler mit dem Lyrett „Madame, ich liebe Sie“ gewonnen. Und das sei beim Publikum mehr als gut angekommen, so die beiden. Im langen schwarzen Spitzenkleid erscheint Kerstin Bachtler, und mit ihr im feinen Zwirn Bodo Redner. Da werden gleich zu Beginn die römischen Götter beschworen, die das Schicksal der Menschen in ihren Händen halten. Die größte Macht von allen aber scheint Amor zu haben, dem jeder zu Füßen fällt. „Ach, was kann die Liebe nicht“, ist die Quintessenz des ersten Beitrags, dem noch etliche im ähnlichen Duktus folgen. Ja, amor vincit omnia – die Liebe besiegt alles – das ist der rote Faden, der sich durch den Nachmittag zieht. Die Liebe in sämtlichen Spielarten, mit all ihren Höhen und Tiefen, mit ihren Freuden und ihren Schmerzen wird thematisiert. Und die Dichter des Barock verstanden ihr Metier. Große Gefühle wussten sie trefflich in Worte zu kleiden. Obwohl der moderne Mensch sicher nicht anders liebt und leidet, vermag er kaum ähnlich ausdrucksstarke Bilder zu finden. Die Sinnlichkeit des Barock wird in jeder Silbe bewusst. „Und dabei“, sagt Kerstin Bachtler später im Gespräch, „war das keine einfache Epoche“. Mit Kriegen, Hungersnöten, Krankheiten, Pest und Cholera, Tod und Verderben seien die Menschen konfrontiert gewesen. Dennoch schwelgten die Dichter, als lebten sie in einem Schlaraffenland. Dieser üppigen, überbordenden Flut an Emotionen stellen Redner und Bachtler die kurzen und prägnanten Akzente von Rose Ausländer gegenüber. Die jüdischstämmige Lyrikerin aus der Bukowina hat in der Zeit der Nazi-Herrschaft über Europa Not und Elend erfahren, und nichtsdestotrotz ist es auch ihr gelungen, Gedichte voller Zärtlichkeit zu schreiben, die in der Dunkelheit jener Tage helle Glanzlichter setzten. Den beiden Vortragenden gelingt es perfekt, die Inhalte der Liebeslyrik zu transportieren. In Gestik, Mimik oder in ihren Bewegungen vermögen sie es, die mitunter für heutige Ohren fremden Worte so zu interpretieren, dass sie verstanden werden. Ob im Dialog oder im Monolog, ob in Fragen und in Antworten oder im synchronen Sprechen, jedem Zuhörer ist es ein Leichtes, dem Gesagten zu folgen – wie Gelächter oder erstaunte Kommentare zeigen. Dabei schmachten sich die Protagonisten nicht immer nur an. Im Gegenteil: in den Werken von Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau, Georg Heinrich Weber, Martin Opitz oder Andreas Gryphius sowie von anonymen Dichtern werden auch kleine Sticheleien, etwa unfreundliche Szenen einer Ehe nachempfunden. Da ist die junge Witwe, die sich über den Greis lustig macht, da ist der Mann, der die Frau vor der Vergänglichkeit ihrer Schönheit warnt, oder der Junggeselle, der einer Hochzeit nur mit Schrecken entgegensieht. Da verschreibe er sich doch lieber dem Kartenspiel und dem Buhlen, als eine Jungfer zu freien und später eine ihn teuer zu stehen kommende Familie unterhalten zu müssen, ist seine Conclusio. Unzählige Werke, erklärt Kerstin Bachtler, studierte Literaturwissenschaftlerin, habe sie gewälzt, bis sie die richtigen Gedichte gefunden habe. Dass sie erfolgreich war, bestätigen die Zuhörer nicht zuletzt mit ihrem kräftigen Applaus. Aber auch die Hambacherin Hedda Brockmeyer habe als Regisseurin einen großen Teil zum Gelingen der szenischen Lesung beigetragen, habe stets das nötige Feedback gegeben, sagt sie.

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