Kultur Südpfalz Fantastische und poetische Geschichten

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Das letzte Bild steht unvollendet, mitsamt der Staffelei, im Zentrum der Ausstellung im Gewölbekeller des Forums „S“. Ein weibliches Gesicht mit Demutsblick in der rechten Bildhälfte, auf der gegenüberliegenden Seite hat Heinz Brzoska vertikale Linien angelegt. Farbflächen in Rosa und Himmelblau strahlen dem Betrachter entgegen und lassen so gar nicht das dramatisch tragische Ende des Malers ahnen. „Es kommt mir vor, als schwebe es in den Himmel“ beschreibt Christel Ludowici ihr Gefühl beim Anblick des großformatigen Gemäldes. Die Ausstellung im Gewölbekeller in der Landauer Westbahnstraße, in dem bereits ihr verstorbener Gatte Helmo Künstlern ein Forum bot, hat sie noch mit Heinz Brzoska selbst geplant, wenige Wochen bevor er sich im Sommer 2015 das Leben nahm. „Das ist jetzt der endgültige Abschied“ bringt Künstlerkollege Xaver Mayer das Gefühl vieler Freunde und Bekannte auf den Punkt. Das Häuschen in Rhodt, in dem Brzoska seit 1987 lebte und arbeitete, ist verkauft, die Bilder nimmt die Schwester, Christine Oost, mit nach Köln. Ein letztes Mal also blickt der Künstler den Besuchern, die die Treppe herabsteigen, aus einem Selbstporträt durch die große Brille in die Augen. Gerade so, als wolle er in dem ihm eigenen Akzent mit dem rollenden „R“ sagen: „Ich brrauch mal frrische Luft“, um sich aus dem Trubel zurückzuziehen und rauchend zu sinnieren. Um zu fabulieren und die Gedanken in seine Bildsprache zu übersetzen, die er selbst „Sich-nicht-entscheiden-Können“ nannte. Die reine Formensprache Rembrandts hatte ihn als Zehnjährigen derart in den Bann gezogen, dass er beschloss, Maler zu werden. Im Kattowitzer Lyzeum für Bildende Kunst, das er von 1955 an bis zur Übersiedlung nach Deutschland besuchte, faszinierte ihn Picassos Kubismus. Aus diesem inneren Diskurs entstand in 50 Jahren ein umfangreiches Werkschaffen vielschichtiger Kompositionen zwischen abstrakt und gegenständlich. Realistische und maskenhafte Physiognomien im Zustand der Verwandlung, nackte Figuren, die sich selbst inszenieren oder Gestalten aus Mensch und Tier gleichzeitig, hineingesetzt in unwirkliche Räumlichkeiten, bilden fantastisch poetische Geschichten zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Ohne Anfang und Ende bieten sie dem Betrachter genügend Spielraum für die eigene Fantasie und jeweilige Stimmung. Am 12. Januar 1942 in Kattowitz geboren, kam Brzoska mit der Familie als 16-jähriger Spätaussiedler nach Deutschland. Nicht mehr Pole und noch nicht Deutscher, bis er die Sprache beherrschte, einen Schulabschluss hinlegte und zehn Semester an den Kölner Werkschulen, vorrangig bei Otto Gerster, Kunst studierte. Bereits in der Heimat hatte er ein Lyzeum für Bildende Künste besucht. Nur mit der widerwilligen Zustimmung des Vaters, einem Kaufmann, der das „Gekritzel“ des Sohnes als wenig gewinnbringend einstufte. Dennoch hat Heinz Brzoska das schier Unmögliche geschafft und immer vom Verkauf seiner Kunst leben können. Nun, da seine Anhängerschar weiß, dass nichts nachkommen wird und das noch vorhandene umfangreiche Werk künftig in einer Kölner Garage ein Lager findet, wird dem Meister posthum Geld und Ehre zuteil. Viele Kunstfreunde wollen sich die Erinnerung an den Künstler Heinz Brzoska durch den Erwerb einer Malerei mit Harzölfarben, einer aquarellierten Tuschegrafik oder -zeichnung bewahren. Bereits am Tag der Eröffnung waren die gezeigten ausdrucksstarken Stimmungsbilder, die kaleidoskopartig durch das Sichtbare hindurch das eigentlich Wesentliche offenbaren wollen, alle verkauft. Manchmal hat Brzoska erkennbar leibhaftige Freunde in diese Fantasiewelten gesetzt. Arno Zipp zum Beispiel, der von 1962 an sein erster Mäzen war und ihn von Haßloch aus nach Rhodt mitnahm zu Wilhelm Steigelmann, der ihn von 1970 an bei sich wohnen ließ, bis Brzoska sich das kleine Häuschen leisten konnte. Von 1984 an war die Küche in der Gartenstraße 3 sein Atelier. Hier verwob Brzoska die Kunst der Malerei mit ihrer Schwester, der klassischen Musik, zu faszinierend seelentiefen Gespinsten. Seinen irdischen Leib hat er demonstrativ an die Erde zurückgegeben, sein künstlerischer Nachlass wird auf ewig an farbige und schwarze Zeiten, fröhliche und traurige Arien, milde Schatten und eisigen Frost in selbst erlebten Dramen und Lustspielen des Malers Heinz Brzoska erinnern. Info Ausstellung bis 27. November in der Landauer Westbahnstraße 20, Öffnungszeiten: Mittwoch und Samstag 14 bis 17 Uhr, Sonntag 10 bis 12 und 14 bis 17 Uhr. |srs

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