Rheinpfalz Fahndung nach dem Virus

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KOBLENZ. Um nach der Ehec-Epidemie schneller auf Lebensmittelskandale reagieren zu können, wurde auch in Rheinland-Pfalz eine spezielle Einsatzgruppe gegründet. Die Task Force namens Iker gehört zum Landesuntersuchungsamt. Fünf Mitarbeiter suchen bei Herstellern nach Schwachstellen, um Verbraucher in Zukunft besser zu schützen.

Listerien sind Lebensmittelherstellern ein Gräuel. Die stäbchenförmigen Bakterien, die Durchfall verursachen können, sind in der Natur allgegenwärtig. Sie finden sich aber auch in tierischen Lebensmitteln, die nicht erhitzt wurden. Rohmilchkäse, Mettwurst oder Rohesser können Listerien enthalten. Wird mit Jauche gedüngt, können die Keime auch auf Gemüse gelangen. Kontrolleure finden sie zum Beispiel häufiger in küchenfertig abgepackten Salaten. Die beim Landesuntersuchungsamt in Koblenz angesiedelte „Interdisziplinäre Kontrolleinheit Rheinland-Pfalz“, kurz Iker genannt, hat es oft mit Listerien zu tun. Gegründet wurde die Einsatzgruppe vor drei Jahren, um schneller auf Lebensmittelskandale reagieren zu können. Zur Erinnerung: 2011 hatte die Ehec-Epidemie bundesweit für Panik gesorgt. Zunächst war eine verunreinigte Charge spanischer Salatgurken als Verursacher ausgemacht worden, dann aus Bockshornkleesamen gezogene Sprossen. Bis heute ist unklar, was passiert ist. Rund 4000 Menschen infizierten sich mit Ehec, 53 starben. 350 Fälle ließen sich tatsächlich auf die kontaminierten Sprossen zurückführen. Wie die Verbraucherorganisation Foodwatch herausfand, konnten die Behörden Ehec weder in den ägyptischen Samen nachweisen, noch konnten sie den Keim in dem niedersächsischen Sprossenbetrieb finden. Lediglich eine Mitarbeiterin war betroffen. Die Behörden gehen davon aus, dass der Samen in Ägypten verunreinigt wurde. Bewiesen ist das nicht. Den spanischen Gurken-Produzenten kostete der Skandal fast die Existenz. Der Biohof in Niedersachsen stoppte seine Sprossenproduktion und erlitt gewaltige Umsatzeinbußen. Bis heute haben sich die Betreiber nicht von ihrem Schock erholt. Da es wochenlang dauerte, bis die Ehec-Welle endlich abebbte und der angebliche oder tatsächliche Verursacher gefunden war, wurden die Kontrolleinheiten ins Leben gerufen. Bislang musste sich Iker in Rheinland-Pfalz in keiner neuen Krisensituation bewähren. So bleibt Zeit für „risikoorientierte Kontrollen“. Das Iker-Team besteht aus fünf Mitarbeitern: zwei Lebensmittelchemikern, einer Tierärztin, einem Lebensmitteltechnologen und einem -kontrolleur. Leiterin ist Gabriele Luhofer, sie koordiniert die Arbeit der Einsatzgruppe. 2016 habe sich Iker mit fünf Projekten befasst, so Luhofer. Zum einen ging es um mikrobiologische Eigenkontrollen der Betriebe, die krankmachende Bakterien fernhalten sollen. Zum anderen befassten sich die Experte mit Lebensmitteltransporten und -zusatzstoffen. Außerdem nahm das Team die großen Molkereien unter die Lupe und untersuchte Lebensmittelbedarfsgegenstände wie Pfannen und Töpfe. Iker arbeitet laut Luhofer eng mit den Kommunen, den Landkreisen und den Ministerien zusammen. Gemeinsam werden Projektpläne erstellt, um passende Betriebe herauszupicken. Bei kleinen Lebensmittelherstellern reicht ein Tag, dann wissen die Experten, wie es um die Eigenkontrolle bestellt ist. In großen Unternehmen kann die Bestandsaufnahme laut Luhofer fünf Tage dauern. Während die Lebensmittelkontrolleure der Kommunen unverhofft auftauchen, um sich ein Bild der hygienischen Verhältnisse zu machen, werden die Iker-Besuche vorher angekündigt. Schließlich müssen alle Verantwortlichen vor Ort sein, wenn Dokumentationen geprüft werden. 48 Untersuchungsverfahren hat Iker allein im vergangenen Jahr gemeinsam mit den Kommunen durchgeführt. Ziel ist, das Qualitätsmanagement landesweit zu verbessern. „Bei manchen Besuchen wurden gleich mehrere Projekte abgedeckt“, erzählt Luhofer. Listerien war die Iker-Gruppe natürlich ebenfalls auf der Spur. Ein kleiner Fisch verarbeitender Betrieb hatte damit Probleme. Die Keime hatten Fachleute des Landesuntersuchungsamtes in eingeschickten Proben gefunden. „Danach wurde die Ware komplett vernichtet, der Betrieb gereinigt und desinfiziert“, sagt Luhofer. Das Iker-Team ging dann gemeinsam mit der zuständigen Behörde in den Betrieb, um alles abzuchecken: Anlieferung, Kühlung und Produktion. Nach der Desinfektion wurde erneut kontrolliert. Umgebungsproben sollten sicherstellen, dass alle Keime beseitigt wurden. Dabei wurde eng mit dem Landauer Institut für Hygiene und Infektionsschutz zusammengearbeitet. Erst dann kam das Okay vom Veterinäramt. „Der Betrieb durfte wieder produzieren, verknüpft ist das aber mit weiteren engmaschigen Proben“, so Luhofer. Mit Listerien hat es das LUA oft zu tun, da sie erst beim Kochen abgetötet werden. „In Mettwurst sind immer ein paar drin“, sagt Luhofer. „Damit sie sich nicht vermehren, muss die Wurst hygienisch verarbeitet werden.“ Dies müsse regelmäßig kontrolliert werden. Im Großen und Ganzen ist die Einsatzgruppe mit den Bedingungen bei den rheinland-pfälzischen Lebensmittelherstellern zufrieden. Luhofer lobt das dichte Netz der Qualitätskontrollen bei den rheinland-pfälzischen Molkereien und anderen Betrieben, die bundesweit aktiv und auf dem Weltmarkt vertreten seien. Genau sehen die Iker-Leute auch bei den Herstellern von Lebensmittel-Bedarfsgegenständen hin. Töpfe, Pfannen, Rührbesen und Verpackungen dürfen keine schädlichen Stoffe abgeben. Im EU-Recht gibt es hier spezielle Rechtsvorschriften. Zweifel hat die Truppe aber hinsichtlich der Qualitätskontrollen bei Importen aus Fernost. Verlangt wird auch hier eine lückenlose Dokumentation hinsichtlich der verwendeten Materialien und der Produktionsweise, um die Qualität zu sichern. Die Experten sind sich aber nicht sicher, ob die aus China vorgelegten Ergebnisse realistisch sind. Positiv wertet Luhofer das Schnellwarnsystem. Vor fünf bis zehn Jahren sei es noch schwierig gewesen, Ware zurückzurufen: „Heute wird schon beim ersten Verdacht reagiert. Und dem Ruf eines Unternehmens schadet das auch nicht mehr.“

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