Rheinpfalz „Für die Position hab’ ich das Schlappmaul“

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Die Landeshauptstadt verwandelt sich in diesen Tagen zur Narrenhochburg, es beginnt die Zeit der Saalfasnacht. Ein Mann ist in diesen Tagen ganz besonders gefordert: Der Sitzungspräsident der Sendung „Mainz bleibt Mainz“, Andreas Schmitt. In 41 Tagen absolviert er 86 Termine. Mit ihm sprachen wir über die Kampagne und deren Themen.

Herr Schmitt, steht Ihr Vortrag für Ihre Figur als Obermessdiener schon?

Endgültig schreibe ich ihn erst wenige Tage vor dem ersten Auftritt, aber im Prinzip arbeite ich das ganze Jahr daran. Daraus wurden 38 DIN-A-4-Seiten, von denen 80 Prozent nicht mehr zu gebrauchen sind. Ich bin keiner, der sich in der Weihnachtszeit hinsetzt und sagt: „Komm Vortrag, jetzt schreib ich dich.“ Ich mache nicht nur Klamauk, das habe ich mir von Rolf Braun abgeschaut Dem legendären Sitzungspräsidenten bis 1989. Das war damals schon eine sehr erfolgreiche Mischung aus Zeitkritik, Politik und Komik. Dafür muss man das ganze Jahr über sammeln. Manchmal kriegt man dann aber kurz vor Weihnachten noch eine Steilvorlage wie die Sache mit dem Finther Kardinal Müller und diesen 20.000 Euro hinter der Wurstdose Sie meinen das Schwarzgeld in der Schublade von Müllers inzwischen suspendierten Verwaltungsleiter Mauro Ugolini im Vatikan. (lacht immer noch) Das ist natürlich ein Gottesgeschenk, da muss man sich draufstürzen. Offen für Neuerungen bin ich immer. Man darf nicht beim Januar-Vortrag stehenbleiben. Fasnachtlich organisiert sind Sie im Karnevalsverein „Eiskalte Brüder“. ... und ich bin Aktiver und Komitee-Mitglied beim Mainzer Karneval-Verein, dem MCV. Aber, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, die „Ranzengarde“, die früher einen Mindestbauchumfang forderte, hätte Sie wohl kaum abgewiesen. War das mal eine Option? Sie werden lachen, meine ersten Schritte in der Mainzer Fasnacht waren 1979 bei der Ranzengarde. Damals war ich im sogenannten Eröffnungsspiel und hatte auch einen Vortrag eingereicht, aber die damalige Programmkommission hielt mich für zu untalentiert. Es irrt der Narr, solang er strebt, könnte man frei nach Goethe dazu sagen. Was sind Sie lieber: Sitzungspräsident oder Obermessdiener? Das macht beides Spaß. Als Sitzungspräsident sehe ich mich als Kapitän vom ganzen Schiff. Wenn man aber den ganzen Abend im Komitee gefangen ist, ist es schön, zum Schlussvortrag noch einmal nach unten zu gehen. Das ist ja in jeder Sitzung der heikelste Punkt – nachdem vier oder gar sechs Stunden das Narrenfeuerwerk abgebrannt wurde. Das mute ich ungern jemand anderem zu und ich mache es gerne, auch weil ich für die Position das Schlappmaul hab’. Ich habe das Organ, zu später Stunde die Halle noch zu packen, damit es zu einem guten Abschluss kommt. Im März sind Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz. Wie sehr geht die politisch-literarische Fasnacht auf die Landespolitik ein? Ich gehe davon aus, dass es viele Bezugspunkte geben wird – noch immer die Altlasten von König Kurt, den Nürburgring oder das Schlosshotel. Was genau kommt, dazu muss man die ersten Sitzungen abwarten. Welche der drei Spitzenkandidatinnen Malu Dreyer (SPD), Julia Klöckner (CDU) oder Eveline Lemke (Grüne) bietet denn bessere Vorlagen? Das ist ja das Schlimme! (lacht) Sowohl Malu Dreyer als auch Julia Klöckner oder Eveline Lemke sind politisch in einer Phase, in der sie heftig arbeiten, in der es Reibungspunkte gibt, aber die großen Fehlgriffe, die Rheinland-Pfalz mal bewegten, hat keine der Damen zu verantworten. Bis jetzt haben sie noch keinen Skandal produziert. Als Fasnachter möchte man sagen: Schade! Dominierende Themen dieser Tage sind die Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, der Terror und der Krieg in Nahost. Werden das die Fasnachter aufgreifen? Das muss man sogar aufgreifen. Das gehört zur politischen Gegenwart dazu. Ich hatte im Jahr 2002 auch einen Scherz zum 11. September – und der kam gut an. Beim Rosenmontagszug habe ich vergangenes Jahr zwar verstanden, dass man aus Sicherheitsbedenken den Wagen zum Attentat auf Charlie Hebdo aus dem Programm genommen hat. Aber das ist schon der Anfang vom Ende der Meinungsfreiheit. Genau das ist es, was diese Kerle wollen: Unsere Freiheit und Demokratie, unsere Lebensweise durch Terror unterwandern. In der Bütt kann und sollte man dagegen gehen.

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