Rheinpfalz Erst genau hinschauen, dann retten

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Scheinwaise oder echt in Gefahr – flauschige Jungvögel brauchen die Hilfe des Menschen nur in seltenen Fällen. Sitzt ein junger Mauersegler am Boden, ist er ohne den Mensch ein Todeskandidat.

Es ist jedes Jahr das gleiche Drama. Plüschig-flaumige Jungvögel verlassen das Nest, noch bevor das Federkleid richtig ausgebildet und flugtauglich ist. Scheinbar hilflos rufen sie laut nach ihren Eltern. Auf ahnungslose Menschen wirken die Federlinge einsam, hilflos und in großer Gefahr. Nun, ganz ungefährlich ist die Situation für solch einen Jungvogel in der Tat nicht. Sein durchdringendes Rufen muss den Fressfeinden – Raubvögel, Marder, Füchse und Katzen – wie eine Symphonie im Ohr läuten. Gegen diese Gefahr hilft sich die Vogelwelt durch die Aufzucht von mehreren Jungtieren und möglichst mehreren Bruten im Jahr. Die fast flügge Vogelbrut verteilt sich nach dem Verlassen des Nestes an verschiedene Stellen des Gartens oder Wäldchens. So können nur einzelne Tiere, und nicht die gesamte Brut auf einmal, von natürlichen Feinden entdeckt werden. „Beobachten Sie aus sicherer Entfernung den Vogel, der da so scheinbar verlassen am Boden sitzt und sie werden sehen: Die Altvögel versorgen ihn mit Futter“, bittet Alfred Klein vom Naturschutzbund (Nabu) Weilerbach Vogelfreunde, die Situation sorgfältig einzuschätzen. Lediglich wenn Gefahr droht, wenn Jungtiere beispielsweise auf der Straße sitzen, sollte man laut Klein eingreifen, die Jungtiere wegtragen und an einem geschützten Ort, aber nicht zu weit vom Fundort, wieder absetzen. Noch nackte Jungvögel sollten möglichst vorsichtig ins Nest zurückgesetzt werden. Vögel stören sich im Gegensatz zu manchen Säugetieren nicht am menschlichen Geruch. Jungvögel werden daher auch nach dem Umsetzen wieder von den Alttieren angenommen und versorgt. Ganz anders verhält es sich bei den Mauerseglern. Ist so ein Jungtier raus aus dem Nest und sitzt auf dem Boden, dann ist es ein Todeskandidat; die Alttiere kommen nicht, um es zu füttern. Die große Hitze der letzten Tage hat den Mauerseglern, die unter den Dächern in Ritzen ihre Jungen großziehen, ordentlich zugesetzt. Viele der Kleinen sind vorzeitig aus dem Nest geflüchtet oder auf der Suche nach Abkühlung rausgefallen, ohne fliegen zu können. „In und an den Nestern haben Backofentemperaturen geherrscht“, weiß Vogelschützer Kurt Wilhelm von der großen Not der kleinen Mauersegler. Wilhelm hat in Kaiserslautern eine anerkannte Vogelauffangstation und derzeit unter anderem 32 Mauersegler, die ihm von aufmerksamen Menschen gebracht wurden, zu versorgen. Sind sie flugfähig, dann übt er den Start mit ihnen, wirft sie gekonnt in die Luft und freut sich mit ihrem Entschwinden. Bis zu 300 Anrufe hat er wegen in Not geratener Mauersegler hinter sich. Sie sind nicht seine einzigen Patienten. „120 Vögel von der Eule, dem Turmfalken, der Amsel bis zur Singdrossel waren bislang hier“, zählt er auf und betont, dass bei der extremen Hitze auch junge Amseln, Rotschwänzchen oder Spatzen der Hitze im engen Nest entfliehen und einfach rausspringen. Hier rät auch er: erst einmal abwarten und beobachten, ob sie nicht weiter gefüttert werde. Auch wer eine junge Eule in Bodennähe auf dem Ast finde, solle diese nicht mitnehmen. Das sei normal, aus dem Nestling werde für ein paar Tage nun mal ein Ästling. Streiche eine Katze umher, dann empfiehlt Wilhelm, das Jungtier etwa zwei Meter hoch in einen Strauch zu setzen und abzuwarten, ob die Eltern kommen. Alfred Klein verweist zudem auf das Bundesnaturschutzgesetz. Demzufolge dürfen Jungvögel nur vorübergehend und nur dann aufgenommen werden, wenn sie verletzt oder krank, und somit tatsächlich – so wie die Mauersegler – hilflos sind. Jungvögel, die mit nach Hause genommen werden, hätten selbst bei fachgerechter Pflege deutlich schlechtere Überlebenschancen als in der Natur. „Die Handaufzucht ist immer nur die zweitbeste Lösung“, so Klein. Der Nabu rät zudem, Jungvögel immer in eine anerkannte Auffang- oder Vogelpflegestation zu bringen. Hier werde die tiergerechte Aufzucht gewährleistet und die Gefahr einer Fehlprägung auf den Menschen, die eine Wiederauswilderung nahezu unmöglich macht, vermieden.

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