Rheinpfalz Die Nummer vom Christkind

91-92987731.pdf

Der Anfang der Weihnachtsgeschichte im Lukas-Evangelium erinnert Jahr für Jahr daran, dass auch vor über 2000 Jahren Machthaber und Behörden auf genaue Daten über ihre Bevölkerung aus waren: „Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde.“ So beginnt die Erzählung von Jesu Geburt in der Übersetzung Martin Luthers. Der Forster Mundartdichter Paul Tremmel hat dies vor Jahren einmal im Nachhinein treffend ins Pfälzische übertragen: Sellemols – wie de Auguscht in Rom Kaiser war un en gewisse Cyrius war Schtatthalter in Syrie un enner namens Herodes war de Könich vun Judäa, do hott emol de Kaiser a’geordent, daß sei ganz Volk gezält werre soll – un daß jeder dorthie soll, wu er uff die Weit kumme is, for sich uffschreiwe zu losse. Schließlich hott ach domols schunn en Kaiser wisse welle, was so an Schteire eizutreiwe wär. Heutzutage würde dem kleinen Jesuskind in dieser Situation wohl folgendes widerfahren – zumindest in Deutschland: Etwa zehn Tage nach seiner Geburt bekäme es Post vom Bundeszentralamt für Steuern. Wie jedes andere Baby auch. Das Bundeszentralamt nimmt keine Rücksicht darauf, dass die angeschriebenen Säuglinge noch nicht lesen und schreiben können. Das Amt versucht auch erst gar nicht, einen persönlichen, kindgerechten Ton zu treffen. Stattdessen heißt es in sperrigem Behördendeutsch: „Sehr geehrte Dame, sehr geehrter Herr, das Bundeszentralamt hat Ihnen die Identifikationsnummer 24 120 000 241 zugeteilt. Sie wird für steuerliche Zwecke verwendet und ist lebenslang gültig. Sie werden daher gebeten, dieses Schreiben aufzubewahren, auch wenn Sie steuerlich derzeit nicht geführt werden sollten. Bitte geben Sie Ihre Identifikationsnummer bei Anträgen, Erklärungen und Mitteilungen zur Einkommen-/Lohnsteuer gegenüber Finanzbehörden immer an.“ Gestandene Großeltern schenken ihren Enkeln also besser – statt Strampler, Schnuller oder Rassel – zuallererst einmal einen Aktenordner, damit der Brief vom Bundeszentralamt für Steuern abgeheftet werden kann. Denn die Forderung „Schreiben aufbewahren“ hat die Behörde extra mahnend in Fettschrift gedruckt. Warum schon Neugeborene eine steuerliche Identifikationsnummer verpasst bekommen, erklärt das in Bonn ansässige Amt so: Zwar würden diese Steuerpflichtigen im Regelfall noch keine Einkommensteuer schulden, dennoch kämen derartige Konstellationen vor – beispielsweise bei Kapitalerträgen, die Kinder aus ererbten Vermögen erzielen. Seit diesem Jahr gibt es einen zusätzlichen gewichtigen Grund, die Post des Bundeszentralamtes ernst zu nehmen: Wer Kindergeld erhalten möchte, muss seiner Familienkasse seine steuerliche Identifikationsnummer und die Identifikationsnummer des Kindes angeben. Wir sind sicher: Kinder interessieren sich in diesen Tagen weniger für ihre elfstellige Identifikationsnummer als für die Telefonnummer vom Christkind. Die kennen natürlich auch wir nicht. Aber auf dem Speyerer Weihnachtsmarkt steht eine besondere blaue Telefonzelle – das „Himmelstelefon“. Dort konnte man in den vergangenen Wochen zumindest mit der Sekretärin des Christkinds telefonieren. Dazu mussten die kleinen Weihnachtsmarktbesucher noch nicht einmal die Nummer dieses Himmelsbüros wissen: Der Druck auf eine einzige Taste genügte, um die Verbindung herzustellen. Die Sekretärin des Christkindes hat dann immer freundlich nach Name und Alter des Anrufers und natürlich nach seinem Geschenkwunsch gefragt – die Angabe der steuerliche Identifikationsnummer war in diesem Fall nicht erforderlich ...

x