Eisenberg Der letzte Zug der „Vögel des Glücks“

„Waren das eben Kraniche?“ – Diese Frage wurde in den vergangenen Wochen öfters in der Nordpfalz gestellt. Die Antwort wurde gleich von selbst gegeben: Unverkennbar das laute Trompeten der heranziehenden Vögel und das herrliche Bild des fliegenden Keils. Jeder Zuschauer freute sich über dieses Naturschauspiel, dargeboten von diesen faszinierenden Tieren.

An fünf Hauptzugtagen überflogen rund 20.000 eilige Wanderer nach dem Süden das Land um den Donnersberg. Den Betrachtern blieben nur ein Staunen und so manche Frage. Cornelia Reuther aus Bolanden, Ornithologin der Nabu-Kreisgruppe Donnersberg, hat versucht, einige dieser Fragen zu beantworten: Die Kraniche kamen von einem Sammelplatz in Brandenburg. Für die 500 Kilometer bis zum Donnersberg hatten sie etwa acht Stunden gebraucht. Ihr Ziel war der große Stausee Lac du Der im Nordosten Frankreichs. Rund 800 Kilometern später hatten sie es geschafft. Nach einer kurzen Zwischenrast nahmen sie anschließend die 1200-Kilometer-Strecke bis in ihr spanisches Winterquartier unter die Flügel. Weil ihr Flug so lange dauert, müssen sie auch im Dunkel der Nacht den richtigen Weg finden können. Dabei hilft ihnen ein „eingebauter“ Kompass: Winzige Magnetit-Kristalle im Nasen- und Stirnbereich verarbeiten die Informationen über das Magnetfeld der Erde. Und so ging es im Herbst immer vorwärts nach Südwesten. Vielen Vogelbeobachtern in der Nordpfalz dürfte in diesem Jahr aufgefallen sein, dass die Vögel zum Teil ungewöhnlich tief flogen. Das liegt daran, dass ihr Orientierungssinn im Nebel versagt und sie dann ziellos umherirren. Um dem vielen Hochnebel in diesem Herbst auszuweichen, flogen sie sehr tief. Dabei war unter dem rauen Trompeten der Altvögel das hohe Fiepen der Jungvögel deutlich zu hören. Diese blieben auch auf dem Zug in der Nähe ihrer Eltern, denn die Bindungen in der Kranichfamilie sind sehr stark. Das ununterbrochene Rufen der Kraniche wird als „Trompeten“ bezeichnet. Es dient dem Zusammenhalt in der Gruppe und dem Einhalten der Flugformation im Keil. Dieser akustische Kontakt ist vor allem in der Dunkelheit wichtig. Das Fliegen schräg hinter dem Vorausfliegenden bedeutet auch eine Energie-Ersparnis. Da das dauernde Fliegen im Ruderflug sehr anstrengend ist, nutzen die Kraniche aufsteigende Luftströmungen: Deshalb steigen sie beim Kreisen nach oben, bis sie wieder Aufwind unter den Flügeln spüren. In der Kranich-Meldezentrale in Winnweiler erlebte Adolf Stauffer den Kranichdurchzug auf seine Weise: „Weil die Kraniche meistens eine Nachtschicht einlegten, klingelte das Telefon oft noch am späten Abend. Zweimal gaben die geflügelten Wanderer direkt über der Meldezentrale ein kleines Nachtkonzert. Das war Information aus erster Hand und ein besonderes Erlebnis. Innerhalb einer halben Stunde zogen sechs und elf Züge durch. Wenn ein Anrufer aus Kirchheimbolanden mitteilte, dass soeben Kraniche gehört oder gesehen wurden, dann stand ist 20 Minuten später in Winnweiler auf der Straße und freute mich an den heranziehenden ,Vögeln des Glücks’: Kein Zweifel, das waren ganz sicher, die aus der Kreisstadt angemeldeten.“ Manche Anrufer verwechselten die Kraniche übrigens mit Schneegänsen. Diese Meinung beruht auf Beobachtungen in früheren Zeiten, als tatsächlich Schneegänse vor dem ersten Schnee auftauchten. Alte Leute kennen übrigens noch eine andere Bezeichnung für diese winterankündigenden Vögel: „Halgänse“, was auch in diese Richtung zu erklären ist.

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