Kultur Südpfalz Der Kosmos des Gemeinplatzes

Beim Gastspiel am Freitag in der Landauer Festhalle war unübersehbar, dass Gerd Dudenhöffer als Heinz Becker, die Inkarnation miefiger Stammtisch-Rhetorik mit saarländischem Zungenschlag, einen beträchtlichen Anteil jüngeren Publikums anzog und befeuerte.

Vor leerer Kulisse ein einziger Holzstuhl, Marke Eckkneipe 1965 mit ausgebleicht geblümtem Stuhlkissen, an der Bühnenfront mittig platziert. Das genügt. Die Requisite ist karg, mehr ist auch nicht nötig, um zu wissen, wer gleich Platz nehmen wird. Seit 37 Jahren tourt Dudenhöffer nun schon quer durch die Republik, seine spießige Kultfigur Heinz Becker – gleicherweise Alter Ego wie Gegenentwurf zu Dudenhöffer privat – ist nicht ganz so alt, aber durch -zig Bühnenprogramme mittlerweile altgedient. Doch sie „zieht“ wie eh und je. Schiebermütze, Karohemd und leicht oben ausgestellte, von Gürtel gehaltene Beinkleider – so kennen und lieben wir ihn. Das aktuelle (und zwischen Premiere 2013 und heute mutmaßlich aktualisierte) Programm „Die Welt rückt näher“ verspricht explizit globale Rundumschläge und richtig: In gewohnter Becker-Manier fehlte von den Krisengebieten über sexuellen Missbrauch, Weltreligionen, Ausländer-Polemik, desolaten Baugroßprojekten bis zum Alterssex nichts im Spektrum der frech pointiert und zuweilen „hart an de Grenz, wie ma in de DDR jo g’saat hat“ formulierten Gemeinplätze. So schwadroniert Heinz Becker über muntere zwei Stunden quer durch die Weltpolitik, vergisst dabei aber nicht, seine kleinen Scharmützel „mem Hilde“ einzustreuen. Und zwischen den perlend purzelnden Stammtisch-Parolen verirrt sich gelegentlich wie eh und je mal ein „Neger“, werden die Frauen gesellschaftlich eingenordet („die soll deheem bleiwe – die enzig legitim Frauebewechung is die memm Staabduch im Wohnzimmer“) oder Politiker punktgenau auf die Plätze verwiesen; „Unsumme – bei so viel Nulle falle die paar Polidiger gar nimmi uff“. Ab und an wird ein bisschen gekalauert, wenn der alte Freund auftaucht, der „net wees, wasser will – mool isses Cola se warm, mool se kald“. Pause. Zeigefinger aufs Knie. Mimik vielsagend verächtlich. „Hannich zu em g’saad: Ei, do schdell’s doch in den Kiehlschrank un loss die Dier uff“. Aber Dudenhöffers perfekt zur Schau gestellte Stammtisch-Mentalität – sein altvorderes Geschwätz, das im munteren Plauderton so gnadenlos aus den abgründigsten Tiefen des geballten Vorurteilsfundus schöpft, dass einem zuweilen der Atem stockt – ist eine perfekt ausgeklügelte und präzise gesteuerte Inszenierung. Nichts bleibt dem Zufall überlassen, die Texte sind trotz ihrer umgangssprachlichen Nonchalance anspielungsreich und penibel ausgefeilt. Alles sitzt passgenau, inklusive der stereotypen, etwas linkischen Gestik, der Verstrickungen im Geflecht der Fremd- und Igitt-Wörter („Phedopile“), die Pointen werden aufgebaut und explodieren präzise. So gibt es etwa einen epischen Exkurs über Stuttgart 21, die „Musikhool in Hamburch“ und immer wieder den Berliner Bahnhof. Und unversehens kommt der Schwenk zu Tebartz van Elst: „Do kammer jo halle devon, was mer will – aber der ist wenischens ferdich wor. Un de Abfluch hadder er a schun gemach“. Am Ende, als alle Brüller verstummt sind und der Applaus brandet, die Metamorphose: Ohne Mütze, wohlfrisiert und mit Designerbrille kaum wiederzuerkennen, liest Dudenhöffer als Dudenhöffer noch ein paar Aphorismen aus seinem neuesten Buch, humorig nachdenkliche Reimereien von fast philosophischem Tiefgang. Heute übrigens feiert der Mime aus dem saarländischen Bexbach seinen 65. Geburtstag. Wir gratulieren! (gp)

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