Rheinpfalz Der Flugrost fährt mit

DAHN. Ein Jahrhundert Motorradgeschichte steht Lenker an Lenker auf dem Parkplatz am Haus des Gastes aufgestellt. Zufrieden schaut Lothar Schlicher auf die Teilnehmerliste. „Wir haben bisher 72 Anmeldungen, das ist super“, freut sich der Fahrdienstleiter und Verantwortliche der traditionellen Veteranenrundfahrt des Motorsportclub Supero.

Es ist nicht irgendeine Rundfahrt, die Veranstaltung feiert Geburtstag. An diesem Samstag schickt Moderator Josef Thiel aus Worms schließlich 75 Motorräder, Roller, Gespanne und einige Motorfahrräder auf den exakt 105 Kilometer langen Rundkurs durch den Pfälzerwald. Es ist 9.30 Uhr, eine Stunde vor dem Startschuss haben die meisten Teilnehmer ihre Gefährte bereits auf Hochglanz poliert. Reges Treiben herrscht auf dem Parkplatz. Die Fahrer fachsimpeln über Motorradgeschichte, über dieses und jenes Bauteil und über Gott und die Welt. Geselligkeit wird großgeschrieben unter den Veteranen. Mehr und mehr Zuschauer mischen sich derweil unter die Fahrer, die meisten mit Fotos in der Hand. Die Blicke zieht keine auf Hochglanz polierte Maschine auf sich, im Gegenteil: Interessierte Motorradliebhaber versammeln sich um eine auffällig verrostete Maschine. Deren Besitzer, Holger Willms aus Stutensee bei Karlsruhe, ist mächtig stolz. „Erst seit einem Monat gehört sie mir“, klärt er auf. Das auffällige Gefährt mit der Startnummer 3 am Lenkrad ist kein Motorrad, es handelt sich um ein Motorfahrrad. Die „Kayser“, so heißt der Hersteller, ist Baujahr 1940 und hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Willms kennt sie. „Sie ist im Originalzustand, deshalb auch der Flugrost, das bleibt alles so“, sagt er. Die „Kayser“ hat Besatzungskennzeichen der französischen Armee. „Ursprünglich gehörte sie einem Postboten in Bad Kreuznach, der sein Gefährt nach dem Krieg einem französischen Soldaten im Rahmen der Zwangsenteignung abgeben musste“, erzählt der Badener. In einem Schuppen im Elsass stand das Motorrad über Jahrzehnte hinweg, bis sich der ursprüngliche Besitzer mit dem damaligen Soldaten in Verbindung setzte und dieser wegen der entstandenen deutsch-französischen Freundschaft das Gefährt wieder zurückgab. Weniger für Geschichte als vielmehr für die Sicherheit interessiert sich Walter Zwick. Unschwer zu sehen, weil es auf seinem Hemd zu lesen steht, gehört er dem TÜV an und inspiziert alle Oldtimer vor dem Start. Kritisch beäugt er das Motorfahrrad. „Die Reifen sind grenzwertig“, gibt er zu verstehen. Willms beschwichtigt: „Ich habe neue Schläuche und ich verspreche, ich fahr’ langsam.“ Grünes Licht erteilt der TÜV-Prüfer schließlich doch. Lächelnd klärt der stolze Besitzer auf: „Sie fährt 50 aber schneller nicht.“ Mit stolzen 4,9 Pferdestärken macht sich dann ab 10.30 Uhr Günter Henrici auf die Strecke. Spannend ist die Frage, ob der Besitzer oder das Motorrad älter ist? „Ich bin Baujahr 1940, mein Motorrad ist Baujahr 1944“, sagt er stolz. Auf einem alten Wehrmachtsmotorrad, einer 125er DKW, ist er unterwegs. „Es war das kleinste Fahrzeug der Wehrmacht seinerzeit“, weiß er zu berichten. Stolz plaudert er über die kleinen Unterschiede, die seine DKW von einer herkömmlichen unentschieden, zwölf an der Zahl. Mit strahlenden Augen, wie ein kleines Kind, zeigt er auf den Wirbelluftfilter und erklärt, dass seine Militärmaschine ein Kompressionsventil besitzt. Henrici ist bereits zum fünften Mal am Start. „Wenn der mal stirbt, wird er ausgestopft“, scherzen Teilnehmer über das Veteranenoriginal. Zwischenzeitlich greift Schlicher zum Mikrofon. Nach der Begrüßung und der Vorstellung der Strecke lautet sein Appell: „Bitte fahrt vernünftig, ihr habt genügend Zeit.“ Derweil kramt eine Teilnehmerin in ihrem kleinen Tankrucksack. „Ich suche das Geburtstagsgeschenk für meinen Bruder“, erklärt sie aufgeregt. Anni Weigand aus Elmstein ist mit ihrer 18 PS Adler Sprinter, Baujahr 1958, dabei und wird ihrem Bruder Manfred Dieterich, der als Streckenposten eingesetzt ist, nachträglich ein kleines Geburtstagsgeschenk überreichen. Bereits zum fünften Mal geht der Merzalber Kurt Golsong auf Veteranenrundfahrt mit seiner BMW R 25, Baujahr 1951. „Ich fahre jährlich mindestens 2500 Kilometer. Wann immer es geht, sitz’ ich auf dem Bock“, sagt der Merzalber Metzger. Pünktlich um 10.30 Uhr knattern dann die Motoren. Ein Teilnehmer hadert mit der Technik. Schon im ersten Kreisel im Dahn schraubt er noch recht gelassen an seinem Motorrad. „Ich weiß nicht warum, noch nicht, aber plötzlich lief sie nicht mehr“, betreibt er Ursachenforschung mit Schraubenzieher und Geduld. Für ihn ist die nostalgische Rundfahrt nach hundert Metern beendet. Eine Premiere, auf die Schlicher gern verzichtet hätte, ist unsportliches Verhalten eines Teilnehmers. „Ich musste ihn disqualifizieren.“ Alle anderen Teilnehmer kommen schließlich wohlbehalten wieder an und fast alle, trotz einiger Regengüsse, trockenen Hauptes.

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