Rheinpfalz Demonstranten kommen im Bus in die Pfalz

Weiße Luftballons stehen für das Bündnis „Wir sind Kandel“, das sich gegen Fremdenfeindlichkeit und Hass einsetzt.
Weiße Luftballons stehen für das Bündnis »Wir sind Kandel«, das sich gegen Fremdenfeindlichkeit und Hass einsetzt.

Mehr als 4500 Menschen sind am Samstag zu vier Demonstrationen nach Kandel gereist. Die Stadt zählt knapp 9000 Einwohner, ihre Bewohner sind zunehmend genervt vom Demo-Tourismus. Mit weißen Luftballons setzen 200 Menschen ein Zeichen.

Um 16.15 Uhr wird es laut: Die Demonstrationszüge von AfD und „Kurfürstlicher Antifa“ ziehen in Parallelstraßen los, für einen kurzen Moment gibt es Blickkontakt. Die demo-erfahrenen Polizisten packen die Ohrenstöpsel aus, die Antifa trommelt, pfeift und trötet . Dabei geht es leise los: Ein Hubschrauber kreist um 13.30 Uhr über der Stadt. Der Nachmittag mit vier Demonstrationen rückt näher. Das frisch gegründete Bürgerbündnis „Wir sind Kandel“ hat zur Luftballonaktion aufgerufen, „Für ein friedliches Miteinander“, heißt es auf Postkarten. Einige Polizisten, viele Medienvertreter und zirka 200 Demonstranten treffen sich am Stadtrand, wo die Wohnbebauung in Ackerland übergeht. Weiße Ballons werden aus einem Kofferraum heraus verteilt, mit Gas befüllt. Dann steigen sie unter Applaus hoch und fliegen gen Süden. Just über den Kreisel hinweg, der immer stärker von Mannschaftswagen der Polizei gesichert wird.

Schweitzer statt Dreyer

Die Autobahn-Auffahrt Kandel-Süd ist gesperrt, der Osten der Stadt gehört den Demonstranten. Unterhalb des SBK-Markts sammeln sich die Teilnehmer der Demo der „Kurfürstlichen Antifa“. Auch Kandeler sind vor Ort, Vertreter von „Die Partei“ entrollen Transparente, vorsorglich werden Oropax verteilt. Wegen einer Limousine mit Mainzer Kennzeichen kursiert kurz das Gerücht, dass die Ministerpräsidentin vor Ort wäre. Aber es war Alexander Schweitzer, Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag, der einen Ballon steigen ließ. Mit Landtags- und Bundestagsabgeordneten von CDU und SPD verlässt er den Osten von Kandel, bevor die Demos starten. In Hörnähe, aber nicht in Sichtweite zur Antifa sammeln sich hinter dem Lidl die Teilnehmer der AfD-Demo „Kandel ist überall“. Dort freut man sich über den Zuspruch, zirka 4000 sind gekommen. Viele Teilnehmer sind mit Bussen angereist, Dialekte aus anderen Regionen sind zu hören. Junge Aktivisten laufen Seite an Seite mit Senioren, das Sanitätsteam muss Menschen mit Kreislaufproblemen helfen. Einmal muss die Polizei Pfefferspray einsetzen. Als gegen 16 Uhr beide Züge losgehen, kommt es kurz zum Sichtkontakt. Auf dem weiteren Weg sind Querstraßen mit querstehenden Polizeiwagen abgesperrt, Polizisten säumen die Straßen, sichern ab. Der Kontakt der Gruppen soll vermieden werden. Zurück am Kreisel stocken die Züge wegen Provokationen.

Junge Rednerin aus Wien

Etwas näher an der Innenstadt sammeln sich etwa 300 Menschen um Marco Kurz für seine Demonstration eines „Frauenbündnisses“. Kurz zieht regelmäßig mit kleinen Demos um die Kandeler Verwaltung und fordert den Rücktritt der Bürgermeister. Diesmal will Kurz „die Rote Karte zeigen“. Vor Ort werden deshalb rote Mützen verkauft und es wird offensiv mit Sammelbüchsen geklappert – die Kundgebungen werden offensichtlich auf Dauer teuer. Eine der Rednerinnen ist eine junge Frau, Amy aus Wien. Sie spricht über Probleme mit Flüchtlingen in Deutschland. 18.15 Uhr: Langsam lösen sich die Demos auf. In der Rheinstraße steht ein überlebensgroßes Schwarz-Weiß-Foto der Ermordeten. Schwer erträglich: Bei einer kurzen Diskussion gibt ein Mann den Eltern des ermordeten Mädchens die Schuld, weil diese den späteren Täter in ihr Haus gelassen hätten. Eine Gruppe von Demonstranten mit „Kandel ist überall“-Buttons wird über ein Fenster im Erdgeschoss mit Schorle versorgt. Doch die meisten Rollläden sind weiter geschlossen. Aus einigen Häusern hängen weiße Bettlaken, dazu erklingt aus einem Fenster die Friedenshymne der 1980er, „Ein bisschen Frieden ...“ Kandel kommt zur Ruhe. Die nächsten Demos sind schon angemeldet.

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