Landau Das Trio Engelrausch begeistert im Alten Kaufhaus

Sonst ein Tango-Trio, rund um Weihnachten aber die Formation Engelrausch (hier beim Auftritt in Kaiserslautern vor Kurzem): Mart
Sonst ein Tango-Trio, rund um Weihnachten aber die Formation Engelrausch (hier beim Auftritt in Kaiserslautern vor Kurzem): Martin Wagner, Akkordeon, Hanns Höhn, Kontrabass, und Andreas Neubauer, Schlagzeug.

Ein normaler Werktag zwischen Weihnachten und Neujahr. Die Geschenke sind längst ausgepackt, die Kerzen ausgepustet. Wer will denn da noch „Stille Nacht“ hören? Oder „Oh du fröhliche“? Wenn allerdings das Trio mit dem hochweihnachtlichen Namen Engelrausch auftritt, kann man schon mal eine Ausnahme machen.

Die Frankfurter Musiker spielen nämlich weihnachtliche Melodien auf eine bisher ungehörte, unerhörte Art: Traditionelles Liedgut aus dem Gesangbuch oder dem Kinderliederbuch wird verjazzt und gegen den Strich gebürstet.

Das ist Engelrausch: Martin Wagner, Akkordeon, Hanns Höhn, Kontrabass, und Andreas Neubauer, Schlagzeug. An ungefähr zehneinhalb Monaten im Jahr sind die Drei unter dem Band-Namen Tango Transit unterwegs. Mit Stücken zwischen Jazz und Tango haben sie sich einen Namen gemacht, sind schon auf über 500 Konzerten im In- und Ausland aufgetreten. Sobald es aber anfängt, nach Glühwein und Lebkuchen zu riechen und die so genannte besinnliche Zeit anbricht, verabschiedet sich das Trio vorübergehend vom Tango und verwandelt sich in Engelrausch.

Eine Urgewalt

Was das für ein zutreffender Name ist, spüren die Zuhörer im Foyer des Alten Kaufhauses schon in den ersten Minuten. Engelhaft zart erklingen die alten Melodien – aber nur ganz kurz. Rauschhaft ist, was durch Improvisation daraus entsteht: Eine musikalische Urgewalt bricht los, die alle und alles mitreißt. Hanns Höhn, der im tannengrünen Samtsakko auftritt, umarmt innig und kraftvoll seinen Bass; er entlockt dem behäbigen Instrument, das man sonst eher als brummelnden Begleiter kennt, rasante Tonfolgen.

Auch Martin Wagner scheint mit seinem Akkordeon zu verschmelzen, lässt zum Beispiel das sanfte „Maria durch ein Dornwald ging“ in einen Orkan von Klängen münden, die so gar nichts mehr mit Christkindseligkeit zu tun haben. Man meint, die unterschiedlichsten Instrumente zu hören. Es quäkt und jubelt, jault und jammert. Was Andreas Neubauer beiträgt, sind furiose Soli am Schlagzeug, ein bemerkenswerter Kontrast zu den Ursprungskompositionen wie „Kling Glöckchen klingelingeling“ oder gar „Stille Nacht“. Jeder der drei hat die Qualität eines Solisten und beweist das in diesem eindrucksvollen Konzert.

Ein Nebelhorn tutet

Der Umgang mit den alten Weihnachtsevergreens ist ausgesprochen kreativ. Bilder tauchen auf, die in den tausendmal gehörten Liedern längst verschüttet sind. Beispiel: „Es kommt ein Schiff, geladen“. „Stellen wir uns vor, wie stehen am Wasser, an einem Fluss unserer Wahl, und es kommt etwas gefahren…“, sagt Hanns Höhn. Und dann erlebt das Publikum, wie sich aus der Ferne wummernde Geräusche nähern, Schiffsschrauben, ein Schiffsmotor, Nebelhorngetute, dazu das ewige Rauschen des Flusses. Die melancholische Melodie des „Schiffes“ kommt näher und näher, wird laut, entfernt sich dann wieder – und zurück bleibt das düstere Bild des schwer beladenen Kahns.

Noch ein Bild: „Abends will ich schlafen gehen, 14 Englein um mich steh’n“ heißt das gefühlige Lied von Engelbert Humperdinck aus „Hänsel und Gretel“. So idyllisch kann Engelrausch das natürlich nicht stehen lassen. In ihrer Improvisation lassen die drei Musiker die 14 Nothelfer von allen Seiten hereinschleichen und hereinhüpfen – passenderweise im komplizierten 14-Achtel-Takt. Die Melodie löst sich auf, und die „Englein“ schweben zuletzt ab in ein rauschhaftes Getümmel.

So geht das mit vielen der unsterblichen Weihnachtslieder. Das Publikum ist spürbar mitgerissen von Engelrausch. Das besondere nachweihnachtliche Erlebnis verdanken die etwa 80 Zuhörer dem Kulturverein Altstadt und insbesondere Gerry Getto-Marz, die das Jazztrio eingeladen und das Konzert organisiert hat.

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