Rheinpfalz Bäcker, Büttenredner, Bürgermeister

Nach 15 Jahren als Stadtchef ist Schluss: Aus Bürgermeister Matheis wird demnächst Opa Wilhelm.
Nach 15 Jahren als Stadtchef ist Schluss: Aus Bürgermeister Matheis wird demnächst Opa Wilhelm.

«RODALBEN.» Die letzten Wochen als Bürgermeister gemütlich ausklingen lassen? Mitnichten. „Ich bin jeden Tag in der Verwaltung“, sagt Matheis, der seine Amtszeit engagiert zu Ende bringen möchte: Ehejubiläen, Geburtstage, die Einarbeitung seines Nachfolgers Claus Schäfer. Politisch interessiert, war Matheis schon immer, aber selbst Politiker werden? Das war für den Bäckerssohn lange keine Option. Im katholischen Rodalben waren die Christdemokraten tonangebend. Auch seine Familie sei katholisch, für die CDU in die Politik gingen aber weder er noch sein Vater. In der heimischen Bäckerei kauften Protestanten und Katholiken ein, da hielt man sich neutral. Wer braucht schon eine Partei? Nach dem Tod seines Vaters übernahm Matheis früh den Betrieb, musste aber bald umsatteln. Bäcker-Asthma machte die Arbeit in der Backstube unmöglich. Er lernte Schlosser, arbeitete bei den Amerikanern, wechselte dann in den Außendienst. Bis er vor über 15 Jahren den Entschluss fasste, Bürgermeister von Rodalben zu werden. Seinen Job kündigte er – noch ehe er die Wahl gewonnen hatte. „Ich hatte im Gefühl, dass ich das schaffe“, sagt Matheis lachend, der als unabhängiger Kandidat antrat. Ein Himmelfahrtskommando dürfte manch anderer gedacht haben, fuhr die CDU doch Ergebnisse von über 80 Prozent ein, wie Matheis sagt. Doch Matheis war in Rodalben bekannt. Das eigene Geschäft, das Engagement in Vereinen: Im Judoclub war er aktiv, bei den Keglern und im Carnevalverein. Büttenredner, Vorsitzender, Sitzungspräsident – die Narren wurden zur Partei des unabhängigen Kandidaten, der sich für den Wahlkampf einiges einfallen ließ. Am Wahlmorgen verteilte er in der ganzen Stadt Tüten mit Brötchen. Als die in den frühen Morgenstunden geliefert wurden, saßen im Matheis’schen Keller schon 20 Karnevalisten, bereit zum Tütenpacken und zum Verteilen. In den Peterhof lud er zum Frühstück ein, sogar eine Reise ins Disneyland gab es zu gewinnen. Seinen Wahlkampf ließ sich Matheis 15.000 Mark kosten. Der Erfolg gab ihm Recht. Wilhelm Matheis (43,6 Prozent) zwang CDU-Kandidat Anton Matheis (47,1) in die Stichwahl. „Plötzlich merkten die Leute: ,Der hat ja doch eine Chance’“, erinnert sich Rodalbens Stadtchef. Die Uneinigkeit in der CDU, seine Bekanntheit – es reichte: Matheis holte zwei Wochen später 58,7 Prozent, wurde Bürgermeister und blieb es 15 Jahre. Geklapper und Proteste Vieles konnte er während seiner Amtszeit in Rodalben mitgestalten: Straßenbauprojekte wurden umgesetzt, die Straßenbeleuchtung großteils auf LED-Technik umgestellt, die Sommerfeld-Kita erweitert, die Kindertagesstätte St. Dominikus saniert, die Horbergbrücke neugebaut. Der Arme-Sünder-Brunnen wurde hergerichtet mit einer Skulptur von Stephan Müller. Dafür hatte Matheis Spenden gesammelt. Das alte Sanierungsgebiet der Stadt wurde 2017 abgeschlossen, einem neuen der Weg bereitet. Welches Projekt – es waren viele mehr – ihm besonders am Herzen liegt, kann Matheis nicht sagen. Wohl aber, welche ihm Kopfzerbrechen bereiteten: der Ausbau der Hauptstraße und der Neubau der Lohnbrücke. Gegen die neue Brücke liefen einige Anwohner Sturm, eine Bürgerinitiative gründete sich, die hohen Kosten wurden moniert – schließlich schaffte es das Projekt ins Schwarzbuch des Steuerzahlerbundes. Inzwischen ist Ruhe eingekehrt, auch in Rodalbens „Klappergasse“. Durch lose, klappernde Pflastersteine war der Abschnitt der Hauptstraße zu seinem Namen gekommen. Auseinandersetzungen mit der Baufirma folgten, schließlich wich das Pflaster Asphalt. Manch anderes Projekt bleibt unvollendet. Das Gewerbegebiet „Grünbühl“, das so wichtig für Rodalben und Pirmasens wäre, scheitert bislang am Veto der Bundeswehr. „Mir geht es dabei weniger um die Gewerbesteuer als um die Arbeitsplätze“, sagt der Bürgermeister. Auch ein Neubaugebiet hätte er gerne umgesetzt, den Einzug von Aldi begleitet, aber „ich bin sicher, dass der Markt kommt“, so Matheis, der heute 65 Jahre alt wird. Langeweile? Mitnichten. Zur Wahl im Mai ist der Amtsinhaber nicht mehr angetreten. Die Gesundheit spielte nicht mehr mit. 2015 erlitt Matheis einen Schlaganfall, kleinere folgten. Als er 2017 als Verbandsbürgermeister kandidieren wollte, bremsten ihn die Ärzte. Wie viele Warnschüsse er noch brauche, fragten sie ihn. Keinen mehr. „Ich merke ja selbst, dass ich nicht mehr so leistungsfähig bin“, muss er sich eingestehen. Am 9. August lädt er zur großen Abschiedsfeier, am 22. August, dem Tag der konstituierenden Ratssitzung, ist dann endgültig Schluss. Es beginnt ein neuer Lebensabschnitt: Seine Tochter erwartet Anfang September ein Kind, aus Bürgermeister Matheis wird Opa Wilhelm. Und während sich das eine wandelt, bleibt anderes gleich. Auch künftig wird man Matheis auf Flohmärkten in der Region sehen. Antiquitäten haben es ihm angetan. Rund 400 Wanduhren dürften in Keller und Speicher auf Reparatur oder Verkauf warten. Langeweile kommt da nicht auf.

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