Kultur Südpfalz Auch im Internet ein Star

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Sie drehen Filme, machen Kabarett, singen, schreiben, sind auf Lesetour. Wann relaxen Sie?

Ich relaxe einmal am Tag, dann gehe ich hier in Berlin in den Grunewald. An jedem Werktag bin ich eine knappe Stunde in der Natur, das hilft mir sehr viel. Seit ich dieses Programm „In my Sixties“ spiele, ist so viel Großartiges passiert. Ich arbeite wahnsinnig viel, aber es macht mir Spaß und es gibt mir auch Energie. Sie sind 67. Vor 40 Jahren war man, wenn man die 60 überschritten hatte, jenseits von Gut und Böse. Aber heute ist man, Gesundheit und Fitness vorausgesetzt, noch mittendrin. Was ist denn für Sie das Beste an Ihrem Jahrgang? Am besten finde ich, dass ich nicht mehr wirklich etwas beweisen muss. Das macht mich gelassen und gibt mir eine große Ruhe. Aus dieser Ruhe kommt meine Kraft zum Arbeiten. Ich bin auch keine hektische Person, ich bündele gut, ich kann besser gewichten und ich bin nicht so zerrissen von Ehrgeiz oder diesem Mich-messen-Müssen, das erreicht mich gar nicht. Ich kann mehr darauf achten, was ich gerne mache, die Lesung zum Beispiel, für mich eine Herzenssache. Ich bin ja gelernte Literaturwissenschaftlerin und das kommt mir zugute. Wie viele Bücher stehen denn bei Ihnen daheim im Regal? Da stehen ganz viele. Auch solche, die ich noch nicht gelesen habe, die ich geschenkt bekommen habe und irgendwann mal lesen will. Ich habe sie nie gezählt. Ich habe eine große Front mit sechs Ikea-Regalen nebeneinander, die sind alle voll. Und in dem anderen Zimmer habe ich angebaut, weil der Platz nicht reichte. Ich habe viele Kunstbücher, viel Reiseliteratur, eine große Abteilung mit Wörterbüchern. Ich finde Wörterbücher großartig. Ich habe sogar noch den kompletten Brockhaus, das sogenannte Konversationslexikon. Das durfte früher in keinem intellektuellen Haushalt fehlen: Ein Meter Brockhaus, tonnenschwer. Ja. Da brauche ich dann schon mal eine Leiter, um ranzukommen. Sie sind in Tübingen aufgewachsen, können Sie denn auch Schwäbisch? Natürlich! Darauf beruht ja meine Karriere – (spricht auf Schwäbisch weiter): „Die hat ja a’gfanga, wie ich die schwäbische Pfarrersfrau in ,Oh Gott, Herr Pfarrer’ g’spielt hab. Des war ja quasi praktisch die Grundlage drfür, daß ich die Roll“ überhaupt kriegt han.“ Sie haben vier ältere Brüder, was haben Sie von denen gelernt? An denen habe ich bewundert, dass sie irgendwie schlau, witzig und wortgewandt sind. Der Ton wurde geprägt durch große verbale Geschicklichkeiten. Drei meiner Brüder sind Juristen geworden, der vierte ist Lehrer. Ich war auch sehr eingeschüchtert durch meine Brüder, ich hab gedacht, so schlau und gut und schnell werde ich nie reden können. Ich musste mich erst mal davon befreien, dass die so übermächtig großartig waren und brauchte meine Zeit, bis ich meine eigene Sprache gefunden hatte und merkte, dass ich auch reden kann. Aber inzwischen haben Sie es denen gezeigt! Genau! (lacht) Mein ältester Bruder war Bürgermeister in Tübingen und später Landrat. Ich weiß noch, dass es damals hießt „des isch des Schweschderle vom Kroymann“. Später hieß es: „Kroymann? Des isch doch der Bruder von der Kroymann.“ Waren Sie denn schon mal in Landau? Nein, noch nie. Aber ich kenne Pirmasens. Dort habe ich Freunde. Werden Sie auf der Straße erkannt? Jetzt mehr als vor einigen Jahren. Aber eigentlich werde ich übersehen, wenn ich verhuscht und ungeschminkt mit Brille rausgehe. Dann erkennt mich kein Mensch. Im Internet kursiert seit Anfang März Ihr sehr cooles Video „Wir sind die Alten“ mit den wunderbaren Zeilen: „Ihr seid zwar die geilsten, aber wir sind die meisten“. Es wurde weit mehr als eine Million Mal angeklickt. Stammt der Text von Ihnen? Nein, ich arbeite mit einer Produktionsfirma, und außer mir gibt es noch andere Autoren, unter anderem welche, die auf Musikvideos spezialisiert sind. Und die sind großartig. Ein Lied zu schreiben, ist etwas anderes, als Dialoge oder auch Monologe zu schreiben. Unglaublich, im Alter bin ich ein Internethit geworden! In Ihrer Lesung geht es um die Liebe zweier lesbischer Frauen in den 1950er-Jahren. Sie selbst hatten vor rund 25 Jahren im „Stern“ Ihr Coming-out als Lesbe. Wie hat die Öffentlichkeit damals reagiert? Mein Sender hat das erst mal gar nicht zur Kenntnis genommen. Und es brauchte ein paar Jahre, bis es in der lesbischen Community ankam, es gab ja bis dahin nur Hella von Sinnen und Cornelia Scheel, die sich offen bekannt haben und vielleicht noch eine tapfere Abgeordnete der Grünen. Mit etwas Zeitverzögerung hat das doch etwas ausgelöst: ich habe ganz viel Feedback bekommen, dass es jüngere Lesben geholfen habe, dazu zu stehen. Auch Patricia Highsmith hat sich damals nicht dazu bekannt und ihren Roman unter Pseudonym veröffentlicht. Im Zeitgeist der 50er wäre das ja fast ein Todesurteil gewesen. Das weiß ich nicht. Jemand musste doch mal anfangen mit dem Denken, es hätte ja sonst noch 50 Jahre genauso weitergehen können. | Interview: Elke Partovi DOPPELTERZEILENUMBRUCH

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