1. FC Kaiserslautern Abpfiff – der Betzenberg-Krimi (5)

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In welchem die Mutter vom Feldkamp ihre Geburtstagsblumen in die Mülltonne wirft und sich im Hubertushof auf Mördersuche begibt.

Die Schwester vom Feldkamp hat dann natürlich doch nicht verhindern können, dass die Mutter mitkriegt, dass der tote Schiedsrichter ausgerechnet in dem Hotel gefunden worden ist, wo sie heute Abend ihren Geburtstag feiern will. In der „Rheinpfalz“ haben sie zwar das Hotel nicht mit Namen genannt. Aber solche Sachen sprechen sich in der Pfalz auch ohne Zeitung in Windeseile herum.

Kaum waren am Morgen die ersten Nachbarn und die Freunde aus ihren Seniorentreffs da, um zu gratulieren, hat einer angefangen, davon zu erzählen. Und dass die Mutter nicht gleich einen Schock gekriegt hat, lag nur an dem Mann vom Altenheim, der in diesem Augenblick an der Tür geklingelt hat. In der einen Hand einen mickrigen Blumenstrauß, in der anderen ein christliches Traktat mit dem Titel „Der Herbst des Lebens“.

Die Mutter, die irgendwie einen siebten Sinn für diese Situationen hat, ist deswegen erst gar nicht zur Tür gerannt, sondern in die Küche, wo sie ihn durch das Fenster abgewimmelt hat. „Ach“, hat sie gesäuselt. „Das tut mir so leid. Aber wir sind gerade im Aufbruch. Der Schorsch will mich zum Grab von meinem Mann fahren, wo ich für ihn beten will.“

Das war natürlich faustdick gelogen. Die Mutter war noch nie am Grab ihres Mannes, um zu beten. Aber wie sollte der fromme Mann vom Altenheim darauf anders reagieren, als wohlwollend mit dem Kopf zu nicken und „Das ist aber schön, Frau Feldkamp“ zu sagen? „Da will ich nicht weiter stören.“

Ja, die Mutter kann auch mit 89 Jahren immer noch ganz schön raffiniert sein, hat sich der Feldkamp dabei gedacht. Und vielleicht habe ich auch das von ihr geerbt.

Die Blumen hat die Mutter dann gleich in den Mülleimer unter dem Küchenfenster geworfen. Und das Traktat gleich hinterher. Doch dann hat sie plötzlich angefangen, ein bisschen zu zittern. Erst langsam. Dann immer heftiger: „Nee! Da geh ich nicht hin. Das bringt Unglück. Wer weiß, da sitze ich vielleicht genau auf dem Stuhl, auf dem vorher ein Toter gesessen hat. Nee, da bringen mich keine zehn Pferde hin!“

Mord klingt spannender als Herzinfarkt

Jetzt ist genau das passiert, was die Schwester vom Feldkamp befürchtet hat. All ihre sorgfältigen Vorbereitungen für die Geburtstagsfeier sind über den Haufen geworfen. Und wenn die Claudia eines nicht abkann, dann das, wenn nichts nach Plan läuft.

„Aber Mutter“, versucht sie deshalb, sie umzustimmen: „Das ganze Essen ist doch schon bestellt. Und wenn wir das so kurzfristig abbestellen, müssen wir es trotzdem zahlen.“

„Nee!“ Die Mutter bleibt stur.

„Und die Freunde vom Schorsch, die kommen doch auch.“

Die Mutter überlegt einen Moment. Die Freunde vom Schorsch mag sie. Den Heiner, und auch den Jean, der eigentlich richtig Jean-Marie mit Vornamen heißt, genauso wie der ehemalige Torwart Jean-Marie Pfaff. Und alle drei sind schon in Rente und fahren fast jeden Tag mit dem Rad die Weinstraße hoch und runter, um sich rüstig zu halten und dafür Sorge zu tragen, dass ihr Schorlepegel nicht sinkt. Oder sie treffen sich am Abend im Tennisclub vom Schorsch, wo sie inzwischen nur „Das Kleeblatt“ heißen.

Manchmal sitzt dann dort auch die Mutter mit am Tisch, wenn der letzte Rieslingschorle des Tages bestellt wird. Und den Jean hat sie dabei besonders ins Herz geschlossen, weil der früher auch mal bei der Kripo war. Genauso wie ihr Vater. Zwar nicht in der Mordkommission, sondern nur beim Einbruch. Aber Einbruch ist auch interessant. Besonders heute, wo man so viel von Einbrecherbanden in der Zeitung liest und sie sich jedes Kennzeichen von einem Auto notiert, das an ihrem Haus in Haßloch vorbeifährt und ihr verdächtig vorkommt.

Ist ihr nicht gerade letzte Woche ein alter Mercedes aufgefallen, der ein Haus weiter geparkt hat? Und sahen die vier jungen Männer darin nicht irgendwie merkwürdig aus? So ganz anders? So gar nicht wie von hier? Und hat einer von denen sie nicht auch noch so frech angegrinst, als sie die leere Mülltonne vom Bürgersteig gerollt hat?

Eigentlich hätte sie den Jean ja gleich anrufen wollen, um ihm ihre verdächtige Beobachtung zu melden. Aber in der Aufregung hat sie seine Telefonnummer nicht mehr gefunden. Bis sie gemerkt hat, dass sie die eigentlich gar nicht hat. Aber jetzt, heute Abend, wäre ja die Gelegenheit, mit ihm darüber zu reden …

Die Mutter überlegt einen Moment. Doch dann ist ihr Aberglaube stärker als ihre Angst vor Einbrechern.

„Nee“, stampft sie mit dem Fuß auf. „Das bringt Unglück. Dass der am Herzinfarkt gestorben ist, ist doch auch ein Zeichen. Ich hab“s doch auch am Herz. Oder wollt ihr vielleicht, dass ich endlich tot bin?“

Oh, hat der Feldkamp gedacht, jetzt wird“s brenzlig.

Aber dann hat er die rettende Idee gehabt und sie ganz sachte in den Arm genommen.

„Aber was ist, wenn der Schiedsrichter gar keinen Herzinfarkt gehabt hat? Vielleicht ist er ja ermordet worden?“

Claudia schaut ihren Bruder entsetzt an. Spinnt der jetzt vollkommen und macht der Mutter nur noch mehr Angst?

Doch die Rechnung vom Feldkamp geht auf. Die Mutter und ihr Aberglaube, das hat seine eigene Logik. Dass sie mit ihrem schwachen Herz jederzeit tot umfallen kann, genauso wie der Schiedsrichter, ist ihr bewusst. Dass sie aber in ihrem Alter noch ermordet werden könnte, ist außerhalb ihrer Vorstellungskraft. Also können ihr der Schiedsrichter und sein Tod im Hotel nichts anhaben. Logisch. Und als ihr wenig später der Präsentkorb der Gemeinde überreicht wird, ist sie schon Feuer und Flamme: „Also ich glaube ja nicht, dass der normal gestorben ist, dieser Schiedsrichter“, sagt die Mutter zu einem etwas verdutzten stellvertretenden Bürgermeister der Gemeinde Haßloch. „Ich glaube, der ist ermordet worden.“

Mutter Feldkamp hat den richtigen Riecher

Das Romantik-Hotel Hubertushof liegt auf der Hardt in der Nähe von Neustadt an der Weinstraße. Im Rücken der Pfälzerwald, nach vorne der weite Blick über die Weinberge in die Rheinebene. Besonders beliebt bei jungen Paaren, die ein romantisches Wochenende verbringen wollen. Bekannt aber auch für seine gute, bodenständige, regionale Küche.

Die Mutter vom Feldkamp hat sich für ein Cordon bleu entschieden, und Claudia sieht mit Wohlgefallen, wie sie den Teller mitsamt dem letzten Krümel leer isst. „Gell“, sagt sie zu ihr. „In Gesellschaft schmeckt es doch am besten.“

Doch nach dem Essen ist sie plötzlich verschwunden, die Mutter. Und als Erster ist es natürlich der Claudia aufgefallen, die erst einmal auf dem Klo nachschaut. Doch dort ist sie nicht. Auch draußen auf der Terrasse nicht. Und auf dem Parkplatz vor dem Hotel auch nicht. Und an der Rezeption hat sie auch niemand gesehen.

Die Schwester vom Feldkamp kriegt langsam Panik. Tausend Schreckensbilder schießen ihr auf einmal durch den Kopf. Von älteren dementen Menschen, die hilflos und verwirrt durch die Straßen irren. Von dem Vater einer Kollegin, den sie erst nach zwei Tagen hundert Kilometer entfernt im Frankfurter Hauptbahnhof gefunden hatten. Und hat die Mutter nicht vor Kurzem mal vergessen, den Herd abzuschalten? Muss man nicht befürchten, dass das auch mal ihr widerfährt, dieses furchtbare Schicksal? In ihrem hohen Alter?

Die Claudia ist den Tränen nahe, als der Feldkamp plötzlich eine Ahnung hat, wo die Mutter sein könnte, und die Treppe hochsteigt zu den Hotelzimmern. Und wirklich: In der obersten Etage findet er sie, wie sie langsam über die Flure schleicht und plötzlich vor einem Zimmer stehen bleibt und ihr Ohr an die Tür lehnt.

„Da ist es passiert“, flüstert sie. „Da ist er umgebracht worden, der Schiedsrichter! Merkst du denn nicht, wie unheimlich es hier ist?“

Die Mutter und ihre Ahnungen. Der Feldkamp hat Mühe, sich ein Lachen zu verkneifen. War es nicht er, der ihr diesen Floh ins Ohr gesetzt hat?

„Aber es ist doch gar nicht klar, dass der Sandig ermordet worden ist“, versucht er seine Mutter wieder von ihrem Mördertrip herunterzubringen. „Und außerdem: Hast du schon gesehen, was da an der Tür steht?“

Die Mutter schüttelt den Kopf. Etwas verlegen. Ohne Brille kann sie eigentlich gar nichts mehr lesen. Auch wenn sie das nie zugeben würde. „Das ist die Hochzeitssuite“, sagt der Feldkamp. „Und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, warum ein Schiedsrichter auf Dienstreise in einer Hochzeitssuite übernachten sollte.“

„Vielleicht war ja kein anderes Zimmer frei“, murmelt die Mutter etwas enttäuscht. Aber dann lässt sie sich ohne großes Murren wieder zurück ins Restaurant bringen. Nicht ohne zu erwähnen, dass das natürlich der Knaller ist, wenn sie das beim nächsten Seniorentreff erzählt.

Was der Feldkamp in dem Moment nicht ahnen kann, ist, dass seine Mutter absolut recht hat. Aber das wird sich schon bald ändern.

Weiterlesen? Alle Teile des Betze-Krimis finden Sie hier.

Zur Person

Udo Röbel, geboren 1950 in Neustadt an der Weinstraße, ist Journalist und Autor. Der ehemalige RHEINPFALZ-Volontär wurde später in die Chefredaktion des Kölner „Express“ und an die Spitze der BILD-Zeitung berufen. Für seine Rolle in der sogenannten Kießling-Affäre wurde er mit dem Wächterpreis der deutschen Tagespresse ausgezeichnet. 1988 stieg er bei der Geiselnahme von Gladbeck zu Entführern und Geiseln ins Auto. Das Verhalten der Medien während der Geiselnahme führte zu einer Erweiterung der Richtlinien im Pressekodex. Heute lebt Röbel in Hamburg und Berlin. Ein Interview mit dem Autor finden Sie hier.

Journalist und Autor Udo Röbel.
Journalist und Autor Udo Röbel.

An dieser Stelle finden Sie ein Video via GlomexSport.

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