1. FC Kaiserslautern Abpfiff – der Betzenberg-Krimi (14)

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In welchem der Feldkamp das rote Spitzenhöschen klaut und ihn ein Navigationsgerät zu einer neuen Spur führt.

Als der Feldkamp am nächsten Morgen aufwacht, steht ein Leichenwagen vor dem Haus, und in der Küche sitzt ein fremder Mann im schwarzen Anzug.

„Wir besprechen gerade die Beerdigung“, sagt die Frau Sandig. „Aber das kann warten. Ich muss Ihnen ja erst einmal ein ordentliches Frühstück machen.“

Diesmal lehnt der Feldkamp dankend ab, stottert etwas davon, dass er nun doch dringend losmüsse und überhaupt schon viel zu viel von ihrer Gastfreundschaft in Anspruch genommen habe und außerdem er ja auch keine frische Wäsche mithabe … und …

Viel weiter kommt er nicht. Weil ihm die Frau Sandig natürlich sofort anbietet, er könne doch gern ein paar Sachen von ihrem Mann haben, und überhaupt, er habe doch ungefähr dieselbe Größe und ob er sich nicht was Schönes aussuchen wolle, wo sie doch jetzt eh nicht wisse, wohin mit all den Hemden und Anzügen.

Nein.

Das Einzige, zu dem sich der Feldkamp noch überreden lässt, ist eine schnelle Tasse Kaffee – wobei die ihm beinahe aus der Hand gefallen wäre, als die Frau Sandig auch noch sagt: „Wollen Sie ihn noch einmal sehen?“

NEIN!!!

Das geht jetzt entschieden zu weit! Auch noch mit der Frau Sandig in die Leichenhalle fahren! Was denkt die sich eigentlich? Ich bin doch nicht die Ersatzfamilie von der! Langsam reißt ihm wirklich die Hutschnur!

Der Beerdigungsunternehmer duckt sich erschrocken in seinem Stuhl, als er die zornigen Augen von dem Feldkamp sieht. Und auch die Frau Sandig scheint zu begreifen, dass sie jetzt gerade eine Grenze überschritten hat.

„Danke, danke, danke“, sagt sie immer wieder, als sie den Feldkamp zur Tür bringt. „Danke für alles, was Sie für mich getan haben! Das werde ich Ihnen nie vergessen.“

Und dann drückt sie ihm zum Abschied ein Küsschen auf die Wange.

Puh, denkt der Feldkamp, als er endlich im Auto sitzt. Das war aber jetzt auch höchste Zeit, hier zu verschwinden. Jetzt brauch ich erst einmal eine Zigarette.

Leider findet er aber keine. So sehr er auch seine Taschen durchwühlt. Das Einzige, was er findet, ist ein roter Damenslip in seiner Jeans – und ein zweites Handy in seinem Sakko, das Handy von dem toten Sandig. Und als der Feldkamp die spitzenverzierte Seide zwischen seinen Fingern ertastet, muss er grinsen. Was das Leben doch manchmal für Purzelbäume schlägt: Zuerst ist der Slip in der Hosentasche von dem Sandig gelandet und jetzt in seiner.

Hm, wird wohl der eine oder andere unter euch denken. Hat der Feldkamp vielleicht einen kleinen Wäschefetisch? Oder warum sonst hat er der Frau Sandig das Damenhöschen von der Wäscheleine im Badezimmer geklaut? Aber da kann ich euch beruhigen. Spätestens, seit er gestern Abend die Fotos von der „Elblette“ entdeckt hat, ist er felsenfest davon überzeugt, dass das Höschen noch eine wichtige Rolle spielen wird in dieser verrückten Geschichte. Vielleicht sogar als Beweisstück. Genauso wie das Handy von dem Sandig, das er ebenfalls einfach mitgenommen hat, ohne die Frau Sandig zu fragen. Immerhin könnte er da sagen „aus Versehen“, wenn sie danach fragt. Und was die Frau Sandig über das verschwundene Höschen denkt, ist ihm im Moment egal. Vielleicht bringt sie das sogar endlich von ihren immer heftiger werdenden Annäherungsversuchen runter und zur Erkenntnis, dass er vielleicht keinen Deut besser ist als ihr verstorbener Mann. Außerdem hat er das Gefühl, dass sie heilfroh sein wird, dieses sündige Ding nicht mehr im Hause zu haben.

Eine Stunde später sitzt der Feldkamp im Zug. Eingedeckt mit Zeitungen, einer Leberkässemmel, zwei Butterbrezeln und Zigaretten, die er nicht rauchen darf, obwohl gerade jetzt sein Gehirn nach Nikotin lechzt wie ein Verdurstender in der Wüste nach Wasser.

Wie immer, wenn es gerade auf Hochtouren kommt. Denn Feldkamp steht plötzlich vor einem neuen Rätsel: dem 5er-BMW, den er vorhin zurückgebracht hat. Der Firmenwagen von dem Herrn Sapina. Das Auto, das er in der Hotelgarage auf dem Betzenberg gesehen hat. Er wollte gerade aussteigen, als ihm noch eine Idee gekommen ist: sich nämlich das Navi von dem BMW einmal näher anzuschauen.

Und was hat ihm das Navi angezeigt? Als letztes Fahrtziel?

Neustadt an der Weinstraße.

An der Mandelgasse 3.

Die Adresse vom Hubertushof.

Warum hat sich der Fahrer des BMW für das Hotel interessiert, in dem der Sandig abgestiegen ist, fragt sich der Feldkamp. Ist es ihm genauso ergangen wie ihm, der ja auch erst einmal geglaubt hat, dass der Schiedsrichter im selben Hotel übernachtet wie seine Kollegen? Und wer ist denn dieser Kerl überhaupt? Und was hat er von dem Sandig gewollt? Zu gern hätte er dazu auch den Herrn Sapina befragt. Aber der war noch nicht in seinem Büro gewesen, als er das Auto zurückbrachte. Und vielleicht war das auch gut so. Denn was wäre, wenn der Sapina sogar selbst das Auto gefahren hätte? Wäre er dann jetzt nicht misstrauisch – und wenn, warum?

Das Karussell im Kopf vom Feldkamp beginnt sich mal wieder immer schneller zu drehen. Aber ehe er jetzt noch weiter rumspinnt, wird er endlich den Hofreiter anrufen, den er gestern Abend nicht mehr im Hotel erreicht hat.

Jetzt aber ist er sofort am Apparat, und das Erste, das er den Feldkamp fragt, ist: „Hat denn die Frau Sandig inzwischen das Geld, um die Rechnung zu bezahlen?“

Der Feldkamp beruhigt ihn, und als der Hofreiter hört, dass er mit dem Geld gerade auf dem Weg ins Hotel ist, hört er sich auch gleich wieder entspannter an – und empfänglicher für die Fragen, die der Feldkamp hat.

„Ja“, sagt er. „In der Nacht vom Samstag auf den Sonntag hat auch eine Dame bei uns übernachtet. Einzelzimmer. Eine Nacht. Sogar die einzige Frau, die allein gereist ist. Die anderen Frauen waren alle mit ihren Männern da. Aber ob sie blond war und jung, das kann ich dir nicht sagen. Ich habe sie nicht eingecheckt an diesem Abend. Einmal muss ja auch ich freihaben.“

„Und beim Auschecken am Sonntagmorgen? Ist dir da so eine Frau aufgefallen?“

„Nein. Aber vielleicht war ich da gerade oben auf dem Zimmer von dem Sandig, als sie abgereist ist.“

„Und kannst du mir sagen, wie die Dame hieß?“

Die Stimme vom Hofreiter wird wieder etwas schmallippig: „Na hör mal! Hast du schon mal was von Datenschutz gehört?“

„Ja“, antwortet der Feldkamp. „Vom Recht am eigenen Bild übrigens auch. Und das gilt auch für Tote, die in ihrem Hotelbett fotografiert werden.“

Pause.

„Na gut“, sagt der Hofreiter dann. „Von Lewitz hieß die Dame. Sabine von Lewitz. Und rate mal, wo die herkommt?“

„Woher soll ich das wissen? Doch halt! Vielleicht auch aus Memmingen, wie der Sandig?“

„Nee, die Dame kommt aus Hamburg. Genauso wie du!“

Aus Hamburg? Also wirklich eine Elblette! Und auch noch eine adlige! Und er trägt gerade das Höschen spazieren, das ihr gehört? Der Feldkamp greift zu seiner Leberkässemmel. Das muss er erst einmal verdauen!

Doch es kommt gleich noch toller. Die Überraschungen scheinen kein Ende zu nehmen an diesem Morgen. Denn als der Feldkamp sich aus dem Berg Zeitungen neben sich als Erstes die „Allgäuer Zeitung“ fischt, fallen ihm gleich zwei Artikel auf, die mit dem Sandig zu tun haben.

Gut, der erste Artikel ist eigentlich keiner. Es ist eine Todesanzeige, in der die Sportkameraden vom Bayerischen Fußballverband um Fassungslosigkeit ringen und versuchen, ihrer Bestürzung über den unerwarteten Tod ihres von allen so geschätzten Schiedsrichters Ausdruck zu verleihen. Was den Feldkamp natürlich zu einem leichten Stirnrunzeln veranlasst, weil von von allen geschätzt kann ja eigentlich keine Rede sein. Da braucht man bloß einmal einen FCK-Fan zu fragen.

Der zweite Artikel ist dann aber wirklich ein redaktioneller Bericht. Gleich auf der ersten Seite im Lokalteil:

Prozess um Falschgeld

droht zu platzen

Nach dem Tod des Bundesliga-Schiedsrichters Peter Sandig steht der Prozess gegen einen mutmaßlichen Falschgeld-Kurier auf der Kippe. Sandig, im Hauptberuf Zolloberinspektor beim Zollamt Memmingen, war einer der Hauptzeugen der Staatsanwaltschaft und sollte eigentlich gestern vor dem Landgericht Memmingen aussagen.

Zusammen mit einem Kollegen hatte er laut Anklage im Herbst vergangenen Jahres den 32-jährigen aus Kroatien stammenden Angeklagten im Eurocity Zürich–München kontrolliert. Dabei war den beiden Beamten auch ein Aktenkoffer in der Gepäckablage direkt über dem Sitzplatz des Reisenden aufgefallen.

Beim Öffnen des Koffers entdeckten die Zollfahnder gefälschte 50-Euro-Scheine im Wert von hunderttausend Euro, deren Herkunft bis heute nicht geklärt ist.

Auch vor dem Landgericht Memmingen hat der Angeklagte stets bestritten, Besitzer des Koffers zu sein. Fingerabdrücke von ihm, die auf dem Gepäckstück gesichert wurden, erklärte er damit, dass er den Koffer angefasst habe, als er sich Platz für sein eigenes Gepäck schaffen wollte.

Umso wichtiger für die Staatsanwaltschaft wäre gestern die Aussage von Sandig gewesen. Zumal auch sein jüngerer Kollege, zum damaligen Zeitpunkt noch als Zollinspektoranwärter im Vorbereitungsdienst, derzeit nicht für eine Aussage zur Verfügung steht. Im Zuge einer schweren depressiven Erkrankung befindet er sich zurzeit zur stationären Behandlung in einer Klinik.

Der Verteidiger des beschuldigten Kroaten, der Memminger Rechtsanwalt Klaus-Jürgen Richter, hat deshalb gestern vor Gericht die Aufhebung des Haftbefehls gegen seinen Mandanten beantragt. „Die Anklage stand schon vor Prozessbeginn auf wackeligen Füßen“, sagte er zur „Allgäuer Zeitung“. „Und nach dem Ausfall der beiden Hauptzeugen ist die Indizienkette noch brüchiger geworden. Meinem Mandanten ist daher kein Tag länger die Untersuchungshaft zuzumuten.“

Über den Antrag auf die Freilassung will das Landgericht bis zum nächsten Verhandlungstag entscheiden. Der Prozess soll in der kommenden Woche fortgesetzt werden.

Peter Sandig war am letzten Sonntag im Alter von 39 Jahren tot in einem Hotelzimmer in Neustadt an der Weinstraße aufgefunden worden. Stunden vor einem Drittligaspiel auf dem Betzenberg in Kaiserslautern. Nach Angaben der Ermittlungsbehörden starb Sandig an einem Herz-Kreislauf-Versagen. Fremdeinwirkung haben die Gerichtsmediziner inzwischen ausgeschlossen. m.i.

Der Feldkamp braucht ein bisschen, bis er seine Gedanken richtig sortiert hat. Dass der Sandig als Zolloberinspektor im Außendienst unterwegs gewesen war, war ihm bisher noch nicht in den Sinn gekommen. Bis dato hatte er sich ihn eher als einen Schreibtischbeamten vorgestellt, der wie ein Dibbelschisser peinlich genau Formulare mit fünffachem Durchschlag ausfüllt.

Vielleicht vermute ich ja richtig, dass es euch im Moment genauso wie dem Feldkamp geht, nachdem er den Artikel gelesen hat. Jetzt auch noch Falschgeld. Und schon wieder ein Kroate. Und immer wieder mittendrin der Sandig. Und dazu noch ein Kollege, der nicht aussagen kann, weil er depressiv ist. Langsam hat der Feldkamp wirklich Schwierigkeiten, das alles auseinanderzuhalten. Die Liste seiner Fragen wird einfach immer länger. Es wird Zeit, dass er sich die alle einmal aufschreibt, bevor er den Überblick verliert.

Doch vorher ruft er seinen ältesten Sohn in Berlin an. 100 000 Euro Falschgeld, darüber müsste doch schon vorher aktuell berichtet worden sein? Und wenn irgendwo etwas darüber zu finden ist, dann doch im Archiv seiner Redaktion?

Sein Ältester muss ihn enttäuschen. „Wo soll das Falschgeld gefunden worden sein? Im Eurocity Zürich–München? Nee. Das Einzige, was ich hier sehe, ist die Geschichte mit diesem Gurlitt, diesem Kunstsammler aus München, den sie vor ein paar Jahren hopsgenommen haben. Du erinnerst dich?“

Und wie sich der Feldkamp erinnert. Die Geschichte von dem alten vereinsamten Mann, der in seiner Schwabinger Wohnung einen riesigen Kunstschatz mit von den Nazis geraubten Gemälden gehortet hatte, war um die ganze Welt gegangen. Und aufgeflogen war er durch eine Routinekontrolle im Zug von Zürich nach München, wo der Zoll bei ihm 9000 Euro in bar gefunden hatte.

„Danke, Großer!“, sagt der Feldkamp trotzdem. „Und, ach so. Wenn du schon einmal dabei bist. Könntest du auch einmal gucken, ob ihr auch etwas über chinesische Wettpaten habt, die in Deutschland aktiv sind?“

„Na klar!“, sagt sein Sohn. „Da fällt mir sofort der aus Bad Dürkheim ein. Die Geschichte habe sogar ich selbst gemacht.“

Aber das hat der Feldkamp nicht mehr verstanden. Plötzlich war die Verbindung weg. Und als er auf sein Handy schaut, steht da: „Kein Netz.“

Weiterlesen? Alle Teile des Betze-Krimis finden Sie hier.

Zur Person

Udo Röbel, geboren 1950 in Neustadt an der Weinstraße, ist Journalist und Autor. Der ehemalige RHEINPFALZ-Volontär wurde später in die Chefredaktion des Kölner „Express“ und an die Spitze der BILD-Zeitung berufen. Für seine Rolle in der sogenannten Kießling-Affäre wurde er mit dem Wächterpreis der deutschen Tagespresse ausgezeichnet. 1988 stieg er bei der Geiselnahme von Gladbeck zu Entführern und Geiseln ins Auto. Das Verhalten der Medien während der Geiselnahme führte zu einer Erweiterung der Richtlinien im Pressekodex. Heute lebt Röbel in Hamburg und Berlin. Ein Interview mit dem Autor finden Sie hier.

Journalist und Autor Udo Röbel.
Journalist und Autor Udo Röbel.

An dieser Stelle finden Sie ein Video via GlomexSport.

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