Rheinland-Pfalz Erich und die Deutschlehrer – ein Interview über Kästner im Unterricht
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Herr Walter, wo und wie ist Kästner heute noch relevant?
Erich Kästner ist ein Klassiker der Moderne! Ich hatte früher mal einen Lehrer, der meinte spaßeshalber, dass diejenigen Werke Klassiker sind, die in einer Klasse gelesen werden. Und das stimmt irgendwie. Sie haben etwas Exemplarisches. Bekannt sind die Kinderbücher wie „Emil und die Detektive“. Aber richtig stark war er auch in der Lyrik. Kästner hat in den 1920er- und 1930er-Jahren eine literarische Epoche mitgeprägt, die der „Neuen Sachlichkeit“.
Wo findet sich die im Werk?
Im Stil seiner Gedichte vor allem. Der war im wahrsten Sinne des Wortes cool, also unterkühlt, auch sarkastisch, auf jeden Fall nutzte Kästner Alltagssprache. Das klang locker, aber genau darin besteht auch die Kunst. So zu schreiben, dass es locker klingt, aber dennoch eine Schwere hat. Das kann nicht jeder.
Weil seine Sprache leicht verständlich wirkt: Wird Kästner deshalb noch in der Schule gelesen?
Mit seinen Gedichten kann man Schülerinnen und Schüler an Lyrik heranführen. Lyrik ist ja oftmals etwas, was für die jungen Leute „komisch“ wirkt. Nehmen wir das Gedicht „Sachliche Romanze“. Die ersten vier Zeilen lauten
Steht Kästner überhaupt noch auf dem Lehrplan?
Nicht ausdrücklich. Lyrik des 20. Jahrhunderts ist grundsätzlich vorgesehen, da ist Kästner mit dabei. Im Saarland wurde mal diskutiert, seinen Roman „Fabian“, der bereits zweimal verfilmt wurde, auf den Lehrplan zu nehmen. Das wurde aber wieder verworfen.
Was war für Sie der Einstieg in Kästners Werk?
Sein Roman „Fabian“. Unter uns Schülern machte die Runde, dass da so viele „schweinische“ Passagen drin wären
100 Jahre her, und doch aktuell.
Seine Texte passen sehr gut in die heutige Zeit, wie ich finde. Sein Selbstverständnis hat er so beschrieben: „Ich setze mich sehr gerne zwischen Stühle / Ich säge an dem Ast, auf dem wir sitzen./Ich gehe durch die Gärten der Gefühle,/die tot sind, und bepflanze sie mit Witzen.“ Insbesondere der letzte Teil, „Gefühle, die tot sind“ – das passt doch wunderbar in unsere Facebook-Instagram-Tinder-Welt.
Inwiefern saß er zwischen den Stühlen?
Da waren zum einen die Nazis, die seine Bücher verbrannten und ihn einen Kulturbolschewiken nannten, dann gab es die Kommunisten, denen war er nicht revolutionär genug. Das hallte übrigens lange nach. Als ich in den 1970ern studierte, war der Seminar-Marxismus weit verbreitet, deren Held war Bertolt Brecht. Kästner war den meisten nicht links genug. Dass ich mich mit ihm befasst habe, hat mein Literaturverständnis enorm geschult.
Kästner ging während der Nazi-Zeit nicht ins Exil, blieb in Deutschland.
Das stimmt. Das wird ihm immer wieder vorgeworfen. Ich sehe das aber eher als einen Ausdruck von etwas leichtsinnigem Mut und auch Solidarität. Er hatte eine starke Bindung an die Mutter, wollte sie nicht allein lassen. Wäre er ins Ausland und hätte dort gegen Hitler geschrieben, es wäre auf seine Eltern zurückgefallen, die dann in Bedrängnis gekommen wären. So hat er stattdessen beispielsweise in der Schweiz unpolitische Unterhaltungsromane veröffentlicht, etwa „Drei Männer im Schnee“, der auch verfilmt wurde. Befreundete Autoren haben ihn unter ihrem Namen veröffentlichen lassen, eine durchaus riskante Sache. Und er hat, unter Pseudonym, das Drehbuch für den „Münchhausen“-Film mit Hans Albers schreiben dürfen. Das stört mich nicht, ich bin kein nachträglicher Inquisitor. Und: Man zeige mir eine einzige Zeile, in der er sich für die Nazis ausspricht.
Was haben Sie in Ihrer Dissertation untersucht?
Vereinfacht gesagt: Das Verhältnis von Form und Inhalt beziehungsweise Weltbild der Gedichte Kästners. Sie ist 1977 erschienen, angefangen habe ich mit der Arbeit, da hat Kästner noch gelebt.
Haben Sie ihn getroffen?
Ich
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