Rheinland-Pfalz „Zum Experimentierlabor degradiert“

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KAISERSLAUTERN (jüm). Auf Unverständnis stoßen beim Arbeitskreis Fledermausschutz Rheinland-Pfalz Pläne der Landesregierung sowie einiger Kommunen, mitten im Pfälzerwald Dutzende von Windrädern aufzustellen. In der vorgesehenen Region zwischen Leimen im Westen und Eußerthal im Osten drohen unter dem höchsten Schutzstatus stehende Arten ausgelöscht zu werden, warnt der Arbeitskreis-Experte Guido Pfalzer (Kaiserslautern).

Im Gebiet des geplanten Windparks kommen nach Angaben des Arbeitskreises alle acht Fledermausarten vor, für die in Deutschland Windräder erfahrungsgemäß eine tödliche Gefahr darstellen. Zwar sind die Tiere in der Lage, mit ihren hochfrequenten Rufen nachts Insekten aufzuspüren und zu erbeuten. Aber dieses Echo-Ortungssystem versage bei Hindernissen, die wie die Enden großer Rotorblätter mit Geschwindigkeiten von 200 Stundenkilometern von oben oder unten auf sie zurasen, erläutert Guido Pfalzer. Im zentralen Pfälzerwald kommen nach seinen Worten mit dem Kleinen Abendsegler und der Nordfledermaus sogar zwei Arten vor, die nicht nur bundesweit sehr selten, sondern auch noch besonders stark durch Windräder gefährdet sind. Windenergie-Befürworter würden zwar immer wieder behaupten, dass sich die Anzahl solcher „Schlagopfer“ durch Vorsorgemaßnahmen deutlich verringern lasse, sagt der Kaiserslauterer Experte. So sollen die Rotoren während solcher Zeiträume, in denen die Fledermäuse besonders aktiv sind, abgestellt werden. Dadurch, so argumentieren die Befürworter, würde sich die Anzahl der Schlagopfer pro Windrad und Jahr auf weniger als zwei Tiere senken lassen. Diese Angaben beruhen aber nicht nur auf einer umstrittenen Berechnungsmethode, sondern beziehen sich auch auf Untersuchungen in weitgehend unbewaldeten Gebieten, hält Pfalzer dagegen. Bisher gebe es „keinen wissenschaftlichen Nachweis“ dafür, dass solche Abschaltungen auch in Wäldern ähnlich wirksam seien. Aufgrund von Erkenntnissen im Schwarzwald sei vielmehr bekannt, dass dort mit durchschnittlich 37 toten Tieren pro Windrad und Jahr zu rechnen sei. Im Pfälzerwald mit seinem höheren Laubholzanteil müsse sogar mit noch mehr Schlagopfern gerechnet werden. Aber selbst wenn es gelingen würde, die Anzahl der getöteten Fledermäuse auf jährlich zwei Tiere pro Windrad zu begrenzen, wäre dies nach Pfalzers Überzeugung noch kein Grund zur Entwarnung. Denn angesichts der geringen Geburtenrate der Weibchen sei es für eine Fledermauskolonie bedeutsam, ob sich in ihrem „Fluggebiet“ ein, zwei oder fünf Rotoren drehen und wie viele Artgenossen sie dadurch jährlich verlieren wird. Notwendig sei es deshalb, den Schwellenwert, bis zu dem Schlagopfer noch zulässig sein sollen, nicht pro Anlage oder Windpark zu definieren, sondern bezogen auf die jeweils betroffene Kolonie. Dies setzt aber nach den Worten des Kaiserslauterer Experten voraus, dass die örtlichen Fledermaus-Vorkommen im Zuge einer Bestandsaufnahme über einen längeren Zeitraum untersucht werden. Bei einer so versteckt lebenden Tiergruppe sei das jedoch – wenn überhaupt – nur mit großem Aufwand möglich. Pfalzers Fazit: „Erst wenn die Quartiergebiete und der Zustand der betroffenen Population bekannt sind, kann beurteilt werden, welche zusätzlichen windkraftbedingten Verluste tragbar sind.“ Doch gerade was die Fledermausvorkommen im Pfälzerwald angeht, ist die Datenlage laut Pfalzer aufgrund fehlender Anstrengungen des Landes „desolat“. Obwohl Fledermäuse für die vor zehn Jahren erfolgte Ausweisung des größten rheinland-pfälzischen Fauna-Flora-Habitat- (FFH-) Schutzgebietes entscheidend gewesen seien, habe es dort noch immer keine Grunddatenerfassung für diese Tiergruppe gegeben. Auch stehe ein Bewirtschaftungsplan für das FFH-Gebiet „Biosphärenreservat Pfälzerwald“ noch aus. Die bekannten Fledermausdaten würden fast ausschließlich durch Ehrenamtliche erhoben, die im Arbeitskreis Fledermausschutz organisiert seien. Die Genehmigung eines Windparks im Pfälzerwald würde nach Überzeugung des Fledermaus-Experten voraussetzen, dass die noch offenen Fragen wissenschaftlich fundiert untersucht werden. Die derzeit bei der Genehmigung von Windrädern in Waldgebieten herangezogenen Untersuchungsmethoden befänden sich aber teilweise noch im Experimentierstadium. Beispielsweise lasse sich nur mit Hilfe von Heliumballons feststellen, welche Fledermäuse hoch über den Baumkronen unterwegs sind. Pfalzer sieht deshalb die Gefahr, dass die Region zum „wissenschaftlichen Experimentierlabor“ degradiert werde – mit unumkehrbaren Folgen für die dort lebenden Fledermäuse. Die Tatsache, dass über 120 Jahre alte Laub- und Mischwälder als Ausschlussgebiete für Windräder ausgegrenzt werden, unmittelbar daneben aber Windräder prinzipiell gebaut werden dürfen, „zeugt nicht gerade von ökologischem Sachverstand der politisch Verantwortlichen“, meint Pfalzer. Schließlich würden die Tiere Höhlen alter Bäume als Quartiere nutzen und dort ihren Nachwuchs aufziehen. Der Kleine Abendsegler beispielsweise jage in einem Radius von sieben bis 17 Kilometern um seine Baumhöhlen. Um die Tiere zu schützen, wären daher sehr große windradfreie Puffer um solche Waldgebiete nötig.

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