Rheinland-Pfalz Tour de Pfalz (4): Fast wie in Hamburg …

Die Sonne kommt raus: Schnell ein Foto machen!
Die Sonne kommt raus: Schnell ein Foto machen!

Die Pfalz. (Fast) unendliche Weiten, Ebenen, Berge, Wasser, Wiesen. Und viel Wald. Die RHEINPFALZ hat sich wieder auf den Weg gemacht. Kreuz und quer durch die Pfalz. In unserer Sommerserie berichten Redaktionsmitglieder, was sie bei der „Tour de Pfalz 2018“ erlebt haben. Heute: die große Hafenrundfahrt Mannheim-Ludwigshafen.

Wieder etwas dazugelernt: Die große Hafenrundfahrt Mannheim-Ludwigshafen beginnt gar nicht auf dem Rhein, sondern auf dem Neckar. Die Anlegestelle der „Kurpfalz“ liegt recht idyllisch unterhalb der Mannheimer Kurpfalzbrücke. Schwanen- und Entenfamilien dümpeln in Ufernähe, blenden den Verkehrslärm offensichtlich aus. Auch wir Neustadter schalten beim Anblick des beflaggten, weiß-blauen Passagierschiffs automatisch in den Erholungsmodus. Das Wetter ist durchwachsen. Wolken schieben sich immer wieder vor die Sonne. Trotzdem quetschen wir uns zu fünft an ein rundes Tischchen auf dem Deck. Es sieht enger aus, als es ist. Die bequemen Holzbänke bieten ausreichend Platz. Lediglich mit der Beinfreiheit ist es nicht weit her. Die 30 Meter lange und 5,40 Meter breite „Kurpfalz“, Baujahr 1929, kann problemlos 220 Menschen durch die Gegend schippern. An diesem Mittwochmittag gehen rund 140 an Bord. Die meisten sind Rentner, aber auch ein paar Familien nutzen die Sommerferien für einen Bootsausflug.

Hafenrundfahrt spannender als erwartet

Schiffseigner Robert Schneider ist überall präsent. Der 59-Jährige verkauft die Karten, hilft alten Damen, die engen Treppen zu erklimmen, verstaut allerlei sperriges Gerät und beantwortet geduldig Fragen. Als Kapitän trägt er ein schniekes weißes Hemd zur wildgemusterten Camouflage-Hose. Will heißen: Er ist der Chef, muss aber überall mit anpacken. Zur Crew gehören Katja, Samantha und Ulrike. Katja ist die Steuerfrau, kümmert sich um die Theke und hat keine Zeit für Smalltalk. Bis alle Getränke- und Essenswünsche erfüllt sind, ist die zweistündige Fahrt fast zu Ende. Schlimm findet das niemand. Die Mädels müssen schließlich auf drei Etagen bedienen. Bier, Radler, Brezeln und Obazder schmecken jedenfalls, als sie endlich eintrudeln. So eine Hafenrundfahrt zwischen Mannheim und Ludwigshafen ist eine gemütliche Angelegenheit. Und spannender als erwartet. Ingo aus Norddeutschland lachte sich am Wochenende schlapp, als wir ihm auf dem Mußbacher Eselshautfest von unserem Vorhaben erzählten. Dabei bilden die beiden Industriehäfen mit über 70 Kilometern Hafenufer und rund 16 Millionen Tonnen Schiffsgüterumschlag einen der größten Binnenhäfen Europas. Mit Hamburg lässt es sich natürlich nicht vergleichen. Trotzdem hat der Rundkurs mit seinen acht verschiedenen Häfen, an denen wir vorbeituckern, seinen Reiz. Dass die Fahrt so kurzweilig ist, liegt am Schiffsführer, der seine ahnungslosen Passagiere unermüdlich mit Informationshäppchen füttert – ohne das Ganze zu überfrachten.

Vorschriften teilweise existenzbedrohend

Schneider thront über unseren Köpfen in seiner engen Fahrerkabine, steuert das Schiff souverän über den Rhein, passiert den alten Mühlauhafen, umrundet die Friesenheimer Insel und sorgt äußerst unterhaltsam dafür, dass am Ende alle schlauer nach Hause gehen. Man merkt ihm an, dass die Hafenrundfahrt seine Lieblingstour ist. Einen Spickzettel braucht er nicht einmal für die vielen Zahlen. „Ich habe alles im Kopf“, sagt das wandelnde Lexikon. „Seit 1997 betreiben wir die Personenschifffahrt, in dieser Zeit konnte ich einiges an Fakten über die Fabriken und die beiden Flüsse sammeln.“ Es komme auch immer wieder Neues hinzu. Wenn er Zeit hätte, könnte Schneider ein Buch über die Industriegeschichte am Rheinufer schreiben. Mehr als einen freien Tag pro Woche hat er aber nicht. Die „Kurpfalz“ sei zwar echte Qualitätsarbeit, erzählt er. „Dennoch müssen wir dauernd etwas ersetzen. Der Motor ist neu, das Radar und der Schiffsboden ebenfalls. Gerade haben wir 60.000 Euro in die Technik investiert.“ Für einen kleinen Betrieb sei es nicht leicht, sämtliche Vorgaben zu erfüllen. Schneider ärgert sich, dass die Vorschriften teilweise existenzbedrohend sind. „Viele Kollegen mussten aufgeben. Wir haben jetzt alles in der Reihe, sagen aber auch: nach uns die Sintflut.“ Der Schiffseigner glaubt nicht, dass die Kurpfalzpersonenschifffahrt noch eine Zukunft hat, wenn er in Rente geht.

Weite Teile des Ufers bestimmt die BASF

Die Hafenrundfahrt ist mit Abstand die beliebteste Tour, die Schneider organisiert. Er freut sich, dass dieses Angebot nicht nur von Einheimischen, sondern auch von vielen Touristen genutzt wird. Oft sind Gruppen an Bord. Diesmal dominiert die Heppenheimer Rheuma-Liga. Die Ausflügler lauschen andächtig und tauschen Schiffserlebnisse aus. Am Nachbartisch dreht sich alles um Kreuzfahrten aus dem Netto-Prospekt. Am Ufer reiht sich unterdessen eine Industrieanlage an die nächste. Weite Teile bestimmt die BASF. Wie beim Tennis rucken alle Köpfe gleichzeitig nach links oder nach rechts – je nach Sehenswürdigkeit. Zu bewundern gibt es den Mannheimer Salzkai, das Museumsschiff, das Containerterminal, den Schifffahrtspegel, diverse Brücken, die Sternwarte, die Rapsmühle und vieles vieles mehr. Ganz neue Einblicke, nicht nur für die fünf Landratten aus der Vorderpfalz. Auf Deck frischt es immer wieder auf, bis sich kurz vor der Ludwigshafener Rheingalerie doch noch die Sonne durchsetzt. Am besten gefallen uns die historischen Fabrikgebäude. Ein Jammer, dass heute nicht mehr so gebaut wird, da sind wir uns einig. Dank Schneider wissen wir jetzt, wie eine Kammerschleuse funktioniert, dass Zewa die Abkürzung für Zellstofffabrik Waldhof ist, dass die größte Schrottschredder am Rheinufer steht und dass die Mannheimer Schokoladenfabrik jährlich 80.000 Tonnen Kakaobohnen verarbeitet. Wer noch mehr erfahren möchte, kann ja am Mittwoch einfach mal mitfahren…


Info

—Nächste Tour am 23. Juli: Abenteuer auf der Kaiserslauterer Gartenschau. —Die bisherigen Folgen und Video: https://www.rheinpfalz.de/lokal/ aus-dem-suedwesten/

Kapitän Robert Schneider hat sein Patent seit 1983.
Kapitän Robert Schneider hat sein Patent seit 1983.
Alle an Bord: die winkende Tour-de-Pfalz-Truppe unter der Regie von Petra Depper-Koch (rechts).
Alle an Bord: die winkende Tour-de-Pfalz-Truppe unter der Regie von Petra Depper-Koch (rechts).
Flusskreuzfahrtschiffe liegen vor dem rotgestrichenen Mannheimer Schifffahrtspegel.
Flusskreuzfahrtschiffe liegen vor dem rotgestrichenen Mannheimer Schifffahrtspegel.
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