Rheinland-Pfalz Spannung im Weinberg

Trier (lrs). Der ganze Weinberg hängt voller saftiger Trauben. Besonders süß und lecker sind sie, so kurz vor der Ernte. Das wissen auch die Wildschweine, die sich in den angrenzenden Hecken und Büschen zusammenrotten. Doch bei Winzer Peter Schleimer müssen sie jetzt draußenbleiben: Er hat um seine Reben einen zwei Kilometer langen Elektrodraht, gespannt. Der versetzt den gefräßigen Wildschweinen einen ordentlichen Stromschlag.

„Es klappt prima“, sagt der Moselwinzer, legt den Schalter um und setzt den Weinberg unter Spannung. Der Elektrozaun sei „die einzige und effektivste Methode“ im Kampf gegen die Sauen und Keiler, die mit ihren Frischlingen gerne Rebzeilen verwüsten. Vor zwei Jahren haben sie bei Schleimer mindestens eine halbe Tonne Trauben verspeist. „Das tut besonders weh, wenn die Ernte ohnehin gering ausfällt“, sagt der 47-Jährige, der das Weingut vor gut 20 Jahren von seinem Vater übernommen hat. Zudem richten die wilden Schweine große Schäden im Weinberg an. Sie reißen Äste von den Weinreben ab, verbiegen Drahtpfähle und graben den Boden über Meter hinweg um. „Da waren plötzlich mehrere 20 Zentimeter tiefe Löcher in den Zeilen“, erzählt Schleimer. Was bedeutete, dass er dort nicht mehr mit seinem Traktor fahren konnte. „Irgendwann hatte ich die Schnauze voll.“ Da sehe man eine gute Ernte kommen. „Und dann machen einem die Schweine alles in einer Nacht kaputt.“ Im vergangenen Jahr besorgte er sich für 500 Euro das Gerät und den Zaun, montierte die Anlage – und hat seitdem Ruhe vor den Schweinen. Immer mehr Winzer nutzten diese Methode, um sich zu schützen, berichtet Schleimer. Vor allem für Weinberge in Randgebieten, die von Wald oder Hecken umgeben seien. Schleimer baut vor allem Riesling an und füllt etwa 30.000 Flaschen im Jahr ab. Die Mosel ist das bundesweit fünftgrößte Weinbaugebiet. Der Traubenhunger der Schweine sei besonders groß, wenn sie im Wald wenig Futter fänden, sagt der Geschäftsführer des Weinbauverbands Mosel, Gerd Knebel. 2012 sei so ein Jahr gewesen, da habe es wenig Bucheckern und Eicheln gegeben. Ganze Weinberge seien leergefressen worden, viele Winzer hätten große Schäden erlitten. Einen 100-prozentigen Schutz vor den Allesfressern gebe es aber nicht, sagt Knebel. Besonders wildschweingefährdet seien Weinberge in Seitentälern, in denen die Population der Schwarzkittel besonders hoch sei, sagt der Geschäftsführer des Vereins Moselwein, Ansgar Schmitz, in Trier. Der Elektrozaun sei eine von mehreren Möglichkeiten im Kampf gegen die tierischen Räuber. Am steilsten Weinberg Europas, dem Bremmer Calmont im Landkreis Cochem-Zell, etwa hätten Winzer Zäune aus Stahlmatten gebaut, um die Tiere fernzuhalten. Die Wildschwein-Population habe über die Jahre hinweg regional stark zugelegt, sagt Förster Michael Gillert in Waldrach (Landkreis Trier-Saarburg). Zum einen wegen mehrerer milder Winter, in denen viele Schweine überlebten. Zudem vergrößere sich deren Biotop stetig: Immer mehr Weinberge würden brach liegen. „Die sind mit ihren Hecken, Dornen und Beeren ein El Dorado für die Sauen“, sagt er. Nicht selten kämen die Schweine auch schon bis an die Häuser heran. Für Jäger sei es gerade in der Nähe von Orten schwer, die Tiere zu schießen. Ganz andere „Räuber“ dagegen, die auf zwei Beinen nämlich, machen manchen Winzern derzeit an der Mittelmosel zu schaffen. An Rad- und Wanderwegen würden immer wieder Trauben von Touristen gepflückt, sagt Schmitz. Leider würden sie oft nicht gegessen, sondern auf den Boden geworfen, weil sie noch unreif und sauer seien. Um ihre Ernte zu schützen, hätten daher manche Winzer derzeit die Trauben in den ersten Weinbergsreihen mit blauen Netzen eingepackt.

x