Rheinland-Pfalz Schöne Bescherung mitten im Sommer

Mainz. Der Mainzer Weihnachtsmarkt gehört zu den schönsten der Republik, der Budenzauber zu Füßen des Mainzer Doms ist jedes Jahr ein Besuchermagnet. Doch in diesem Jahr ist die Besinnlichkeit unter dem Sternenhimmel dahin, die rechtzeitige Eröffnung des Marktes sogar in Frage gestellt. Das Verwaltungsgericht Mainz kippte gestern in einer Eilentscheidung das Ausschreibeverfahren der Stadt Mainz für den Markt – gut drei Monate vor der geplanten Eröffnung.

Die Stadt hatte nach einem Gerichtsurteil 2012 ein neues Vergabeverfahren entwickelt, das transparent und fair sein sollte. Der Weihnachtsmarkt bietet seit Jahren das gleiche Angebot, die Stadt wollte deshalb auch neue Angebote auf den Markt zu holen – was eigentlich alle begrüßen. Es gab 293 Bewerbungen für die 90 Plätze. Anfang Juni dann der Schock: Etwa ein Viertel der bisherigen Standbetreiber war abgelehnt worden, darunter ausgerechnet eine Reihe der Traditionsunternehmen, die den Markt seit 1975 mit aufgebaut hatten. Viel Geld haben diese Beschicker in den Markt investiert, zahlten für die Pyramide, für Krippenfiguren und die nach festen Vorgaben der Stadt gefertigten Buden. Nun rieben sich die Unternehmer verwundert die Augen: Da war auf einmal das Kinderkarussell nicht behindertengerecht, und der Glühwein nicht weihnachtlich genug. Bei der Auswahl sei es zu „kuriosen Entscheidungen gekommen“, räumte Grünen-Stadtrat Ansgar Helm-Becker ein. Statt dem Glühweinstand wurde nämlich ein Stand mit heißen Cocktails genehmigt, auch hält sich hartnäckig das Gerücht über einen Piercing-Stand aus Hamburg. Der Winzer mit dem Glühweinstand heißt Hans Willi Fleischer, und ist ausgerechnet der Chef des Weinguts der Stadt Mainz. „Für mich ist das ein Imageschaden“, sagte Fleischer: „Es sah ja so aus, als wäre ich zu dumm, zu doof und nicht gut genug für den Weihnachtsmarkt.“ Denn die Stadt stellte sich trotz der Proteste, trotz Unterschriftenlisten und trotz Krisengesprächen stur, beharrte auf der Vergabe. Die Kriterien des neuen Verfahrens seien „ausführlich kommuniziert“ worden, die Bewerber hätten die Ausschreibung nicht richtig ernst genommen. „Das ist einfach nicht wahr“, ärgert sich Margit Sottile-Barth, Chefin einer Mainzer Schaustellerfamilie, und verweist auf 27 Seiten Bewerbung. Der Familie Sottile gehört das abgelehnte Kinderkarussell und der – ebenfalls abgelehnte - große Glühweinstand, beides seit Jahrzehnten Institutionen des Weihnachtsmarktes. „Wenn ich gewusst hätte, dass die eine Blindenschrift am Karussell wollen, hätte ich es gemacht, obwohl ich es lächerlich finde“, betont die Schaustellerin. Das Mainzer Verwaltungsgericht gab nun den Beschwerdeführern um Fleischer und Sottile Recht: Das Auswahlverfahren der Stadt sei „rechtswidrig“ und verstoße gegen das „Gebot einer fairen und transparenten Verfahrensgestaltung.“ Die Stadt habe nämlich nur den allgemeinen Katalog vorgestellt, nicht aber die Kriterien für die Bewertung der Gruppen. So hätte die Stadt ja auch einfach andere Kriterien anwenden können – mit einem Wort: die Bewertung war willkürlich. Nun ist bei der Stadt die Blamage groß und guter Rat teuer. Wirtschaftsdezernent Christopher Sitte (FDP) will nun bis zum 27. August ein neues Verfahren erarbeiten und die Standvergabe noch einmal neu ausschreiben. Dafür reiche die Zeit bis zum 27. November doch gar nicht, meint Winzer Fleischer, der „einzig vernünftige Weg“ sei, per Notverordnung den Markt wie 2013 abzuhalten, und 2015 neu zu starten. Das sieht auch Sottile-Barth so: „Ich möchte auf dem Platz bleiben, auf dem ich 1975 begonnen habe.“

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