Rheinland-Pfalz Schäumender Vulkan

Mendig. 28 Brauereien bei 2800 Einwohnern – im 19. Jahrhundert ist die Eifelgemeinde Mendig die größte Braustadt in Deutschland. Die tiefen Felsenkeller im Vulkangestein eignen sich hervorragend zum Lagern von Bieren bei sechs bis acht Grad Celsius. Doch dann erfindet Carl Linde 1876 die erste Kältemaschine. Der Exodus der Brauereien beginnt. Über hundert Jahre später ist nur noch ein Betrieb in Mendig übrig: In der Vulkan Brauerei der Brüder Malte und Hannes Tack ist die Braukultur der Vulkaneifel nach wie vor lebendig. „Die Menschen in der Region sind stolz auf die Brautradition“, sagt Malte Tack. Als Mendig seine Blüte als „Braustadt“ erlebt hatte, war aus den Felsenkellern Bier bis nach London und Paris geliefert worden. Die Zugstrecke von Andernach nach Niedermendig zählte zu dieser Zeit mit ihrem hohen Frachtaufkommen zu den meistbenutzten Bahnrouten im damaligen Preußen. Aber das ist zunächst einmal Vergangenheit. Malte und Hannes Tack, deren Eltern einen Mineralbrunnenbetrieb führen, sind in in der Vulkaneifel aufgewachsen. Sie kennen den Ort und das Umland. Durch die familiäre Seite haben sie schon immer einen Bezug zur Getränkebranche. Und diese Verbindung wird zu einem entscheidenden Impuls. Als 2011 die ehemalige Wölker Brauerei, die 1875 gegründet wurde, zum Verkauf angeboten wird, beschließen die Brüder zu handeln. „Man kann schon sagen, dass es Liebe auf den ersten Blick war. Wir waren auf der Suche nach der eigenen Selbstständigkeit und es hat uns gereizt ein eigenes Unternehmen zu führen. Dass es eine Brauerei wurde, ist natürlich auch Zufall“, blickt Hannes Tack zurück. Durch den Kauf haben die Brüder gleichzeitig das Erbe der Mendiger Brautradition angetreten und das mit zunehmenden Erfolg. Als die Brüder die Brauerei im Mai 2011 übernehmen, ist dort bereits seit einem Jahr kein Bier mehr geflossen. Das Sudhaus mit Kupferkessel stammt aus den 1960er Jahren und ist schon lange nicht mehr zeitgemäß. Die Brüder Tack, beide waren vorher in der freien Wirtschaft tätig, verlassen sich auf ihren unternehmerischen Spürsinn und ihre Berufserfahrung. Sie investieren in eine moderne Anlage und holen den letzten Braumeister mitsamt den Rezepturen zurück. Seitdem „leben“ die Jungunternehmer das Thema „Bier“ Tag für Tag. Ihnen gelingt es, die Vulkan Brauerei als Unternehmen neu aufzustellen. Das verdeutlichen neben dem beeindruckenden „gläsernen“ Brauereigebäude, auch die steigenden Beschäftigtenzahlen. Gegenwärtig sind bei der Brauerei und dem angeschlossenen Restaurant 45 Mitarbeiter fest angestellt. Rund 50 Teilzeitkräfte ergänzen die Belegschaft. Diese Verbundenheit zu den Menschen und der Region ist für die Brüder Tack ein zentrales Thema. „Wir sehen in der Regionalität eine Entwicklung, die noch viel glaubwürdiger als der Bio-Trend ist“, sagt der 31-jährige Hannes Tack. Und Regionalität ist auch das entscheidende Kriterium bei der Herstellung ihrer Biere. Alle Biere der Vulkan Brauei seien zu 100 Prozent naturbelassen, so Hannes Tack weiter. Auf Pasteurisierung und Filtration werde komplett verzichtet. Die notwendigen Rohstoffe bezieht die Vulkan Brauerei nach Möglichkeit aus der Eifel von lokalen Anbietern. „Wir gehen den Weg der naturbelassenen Biere und bringen dadurch Biere in die Flasche, die es von Großbrauereien so nicht gibt. Unser Erfolg misst sich ausschließlich am Produkt und nicht an der Werbung oder dem Preis“, fasst der 26-jährige Malte Tack die eigene Bierphilosophie zusammen. Kreativität und Experimentierfreude geben der kleinen Firma im Vergleich zu den Branchengrößen ganz andere Möglichkeiten im Braukessel. Um sie auszuloten, haben sich die Brüder eine eigene Mini-Brauanlage zu Testzwecken eingerichtet. Momentan werden drei Standardsorten durchgängig gebraut. Dabei ist das obergärige „Vulkan Helles“ mit Eifelgerste bei den Biertrinkern besonders beliebt. Hannes Tack dazu: „Das ist ein leichtes, süffiges Bier mit einer guten Trinkbarkeit. Das Helle wird auch gerne von der weiblichen Kundschaft getrunken.“ Aber auch neue Sorten bekommen alle zwei bis drei Monate ihre Chance. Der Blick geht also immer wieder über den Rand des Braukessels hinaus. Spezialitäten wie das „Vulkan IPA“ (engl. India Pale Ale) oder das „Vulkan Dunkle“ haben sich unter den Bierkennern etabliert. Mit dem „Vulkan Bourbon Doppelbock“ hat die Brauerei eine ganz besondere Spezialität im Programm. Dieses Edelbier wird über sechs Monate in dem tiefsten Bierkeller der Welt in Bourbon-Fässern gelagert, ehe es abgefüllt wird. „Damit sind wir sicherlich einzigartig auf der Welt“, ergänzt Hannes Tack mit einem gewissen Stolz. Besucher können nach einem Abstieg über 153 Stufen den 30 Meter unter der Erdoberfläche liegenden Felsenkeller im Rahmen von Führungen entdecken. Seine Ursprünge liegen im Basaltabbau, der schon mit den Römern begann. Bis heute ist die Gemeinde Mendig deswegen auf einer Fläche von etwa drei Quadratkilometern unterhöhlt. Der Bierkeller der Vulkan Brauerei ist ein Teil dieses unterirdischen Labyrinths. Bei Führungen gilt ein strenges Gebot: „Alkoholgenuss macht eine Besichtigung unmöglich.“ Trotz der reichen Vergangenheit, haben die Brüder vor allem die Zukunft im Blick. „Wir sind nach wie vor eine kleine Brauerei und sehen unseren Hauptabsatzmarkt 30 bis 50 Kilometer rund um den Schornstein“, bestätigt Hannes Tack nochmals die regionale Ausrichtung der Brauerei im Hinblick auf die anstehende Entwicklung. Allerdings soll die Bierproduktion kontinuierlich weiter steigen. Derzeit liegt der Jahresausstoß bei 4000 Hektolitern, mittelfristig sollen es 10.000 Hektoliter werden.

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