Rheinland-Pfalz S' wihnachtelt in der "Weihnachtshauptstadt" Straßburg

Nostalgische Puppenstube.

Nein, die Menschen lassen sich auch in diesem Jahr nicht davon abhalten, den Weihnachtsmarkt zu besuchen, der von sich behauptet, der älteste Europas zu sein, und wenn nicht dies, wenigstens der älteste Frankreichs – in der Stadt, die sich 1992 zur Weihnachtshauptstadt ausrief: „Strasbourg – Capitale de Noël“. Die Straßburger Geschäftswelt jubelt angesichts des alljährlich im Dezember hernieder prasselnden Mannas. Die anderen, die in der Stadt wohnen und sechs Wochen täglich von Glühweinduft umweht werden, ganz zu schweigen von den Problemen, nach der Arbeit die Wohnung zu erreichen, die Straßburger „Normalbürger“ also: Sie rollen mit den Augen und wissen, dass spätestens am Neujahrstag wieder Ruhe einkehrt. Und dass die großen Touristenbusse nicht mehr in der kleinen Rue des Juifs steckenbleiben, nehmen sie mit klammheimlicher Freude zur Kenntnis.Schon im vergangenen Jahr herrschte an den Adventswochenenden Fahrverbot auf der Grande Ile, dem von zwei Armen des Flüsschens Ill umflossenen Stadtzentrum. Diesmal sind die Sicherheitsvorkehrungen noch verstärkt worden. Betonpoller versperren die Zufahrt über die Brücken, hinter den Absperrungen stehen Polizei oder Security-Mannschaften und kontrollieren jeden, der auf die Insel will. Schwer bewaffnetes Militär patrouilliert. All das nimmt man hin, umso mehr, als dass jetzt in Berlin passiert ist, was Straßburg befürchtete ... Eines jedoch sorgt für Aufruhr in diesen Wochen: Der im vorigen Jahr nach dem Anschlag auf „Charlie Hebdo“ kurzfristig aus Sicherheitsgründen abgebaute Torbogen auf dem Broglie-Platz blieb auch in diesem Jahr verschwunden. Damals haben’s die Straßburger hingenommen, jetzt sind sie empört. Einige wittern gar einen neuen Anschlag – diesmal auf die elsässische Identität: „Christkindelsmärik“ stand in großen leuchtenden Buchstaben über dem Eingang zu den Budenstraßen. Die sind jetzt breiter, der Bogen passt nicht mehr. Man sollte wissen: Der Christkindelsmärik ist so etwas wie die Mutter aller Märkte, die drumherum wuchsen – und sich seit zwei Jahren wieder auf die Insel zurückziehen mussten: 1570 gab es ihn zum ersten Mal unter diesem Namen – weil Straßburg, damals Hochburg der Reformation, keinen Sankt-Nikolaus-Markt mehr duldete ... Egal unter welchem Namen, der Weihnachtsmarkt lockte und lockt noch immer. Der große Trubel ist nicht kleiner geworden. Wer ihn meiden und dennoch in Weihnachtsstimmung kommen will, muss gar nicht durch die Sicherheitsschleusen hinüber auf die Insel. Fast unscheinbar in der Häuserreihe am Ufer der Ill, auf der anderen Seite des Alten Zollhauses, liegt das Musée Alsacien. Die Adresse: Quai Saint-Nicolas. Nikolaus hin oder her, hier kann man auf weihnachtliche Entdeckungsreise gehen und findet sie alle: das Christkindel, Nikolaus und seinen Begleiter, den finsteren Knecht Ruprecht, der im Elsass Hans Trapp heißt, aber auch Chanukka-Leuchter, die in den jüdischen Stuben fast immer zur gleichen Zeit wie die Christbaumkerzen angezündet werden. Wer hierher kommt, in das 1902 als Bollwerk regionaler Identität gegen Germanisierungsversuche gegründete Museum, darf Nostalgisches erwarten – und bekommt es auch. Aber serviert mit allerhand pfiffigen neuen Ideen. Für die jüngsten Besucher gibt es ein kleines Weihnachtsratespiel mit Aufklebern und Fragen zu ausgestellten Objekten – viersprachig, und wer mag, kann dabei ein bisschen Elsässisch lernen: „Ich brìng Wärme ìns ganze Hüss, /äu wànn’s Fir ìsch gànz üss“, steht da. Nun, wir würden auf den schönen alten Kachelofen tippen, nach dem hier gefragt wird ... Das Labyrinth aus Treppen und Höfen führt auch zu einer Sonderausstellung von Puppenstuben und-häusern aus der Sammlung des Museums, und in einigen wird tatsächlich Miniatur-Weihnachten gefeiert. Dabei entstanden diese kleinen Wohnwelten zu Beginn des 18. Jahrhunderts keineswegs als Spielzeug, sondern als Musterhäuser, mit denen Handwerker ihr Können anpriesen: Werbung für die Werkstatt sozusagen. Angeregt von den Miniwelten der Vergangenheit haben nun Studierende der Haute École des Arts du Rhin (HEAR), der elsässischen Kunsthochschule, zeitgenössische Akzente gesetzt – mit Installationen und Objekten, die zwar noch die Tradition erahnen lassen, dennoch rigoros modern sind und dabei wie die Licht-Ideen, die man jetzt wohl Light-Design nennt, den alten Zauber entfachen. Wegweiser: Musée Alsacien

  • „Noël alsacien en mini – Elsassischi Wihnàchte“: Die Sonder-Präsentation ist noch bis 2. Januar 2017 zu sehen; eine Führung (in französischer Sprache) gibt es noch am 30. Dezember um 18 Uhr.
  • Nachgestellte Inneneinrichtungen aus verschiedenen Epochen und Gegenden des Elsass, Trachten, Möbel, Keramik, Spielzeug, religiöse und weltliche Bilder, veranschaulichen das ländliche Leben im Elsass des 18. und 19. Jahrhunderts.
  • Adresse: 23-25, Quai Saint-Nicolas; das Museum ist täglich außer dienstags von 10 bis 18 Uhr  geöffnet (am 25. Dezember und 1. Januar geschlossen), Tel. 0033-3/ 68 98 51 60; www.musees.strasbourg.eu
Mit Sternen angestrahltes Haus.
Blick auf die Ancienne Douane an der Ill und eine modernen Glaskugel-Kreation.
Spielzeug-Installationen
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