Rheinland-Pfalz Parlamentarische Finte endet in Abstimmungspanne

Zugegeben, die Materie „Beratungs- und Projektwesen im rheinland-pfälzischen Sozialministerium – mit Schwerpunktsetzung Europäischer Sozialfonds (ESF)“ ist knifflig, die Hitze groß und das Urlaubsbedürfnis der Parlamentarier sicher auch. Aber was gestern kurz nach 17 Uhr im Landtag passierte, war ein so schön verkorkstes Krisenmanagement: Es hätte es verdient, als abschreckendes Beispiel in die Lehrbücher des Parlamentarismus einzugehen. Der Reihe nach: Seit fast einem Jahr piesackt die CDU-Opposition die Landesregierung, genauer das von Alexander Schweitzer und vormals von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (beide SPD) geführte Sozialministerium mit kleinen und nun mit einer großen Anfrage zu eben jenem sperrigen Thema „Beratungs- und Projektwesen, Sie wissen schon. Die sozialpolitische Sprecherin der CDU, Hedi Thelen, vermutet nämlich ein „Förderkartell“, ein „Netzwerk größtmöglicher Distanzlosigkeiten“ zwischen privaten Projektträgern und der Landesregierung. Genauer zwischen dem Trierer Unternehmen Schneider Organisationsberatung und dem Ministerium. Seit 20 Jahren berät Schneider Projektträger, die Maßnahmen etwa zur Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt oder zur Integration ausländischer Menschen anbieten. 607 Millionen Euro, nicht ganz die Hälfte davon aus EU-Mitteln, sind in dieser Zeit in 7585 Projekte geflossen und haben 518.000 Menschen erreicht. Soweit die Zahlen. Nun sind der CDU Ungereimtheiten aufgefallen, dass etwa Schneider mitunter auch selbst als Projektträger auftritt, obwohl er solche nur beraten soll. Dass er schon mal Weihnachtskarten des Ministeriums verschickt oder die Einladung zum Demografieforum. 96 Einzelfragen umfasste die große Anfrage. Heiner Schneider, geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens, sagte der RHEINPFALZ im Juni, er habe nichts zu verbergen. Das sagte noch früher auch Malu Dreyer. „Proaktiv“ gehe man deshalb das Thema an, sagte SPD-Fraktionschef Hendrik Hering und begründete damit, warum Rot-Grün für den gestrigen Nachmittag die Aussprache zur großen Anfrage der CDU im Landtag beantragt hat. Natürlich ärgerte sich die CDU, dass die SPD ihre Anfrage auf die Tagesordnung setzte, zumal der SPD-Antrag gekommen sei, nachdem die Antwort erst zwei Stunden zuvor bei der CDU eingegangen war. Ferner ist es wichtig zu wissen, dass die Nachmittagstermine im Plenum unbeliebt sind. In der Regel sitzen die Journalisten dann schreibend in den Redaktionen, nicht im Landtag. So lässt sich ein Thema aus der Öffentlichkeit heraushalten, dachte sich wohl die SPD. Die Debatte gestern folgte dem Muster, dem kontroverse Debatten häufig folgen: Hedi Thelen (CDU-Opposition) monierte die Antworten der Regierung als „falsch, schlampig und lückenhaft“. Fred Konrad (Grüne) kritisierte, es sei ihm unklar, was die CDU wolle. Und Minister Schweitzer redete am Thema vorbei: „Wir haben guten Grund, uns über den Arbeitsmarkt zu freuen.“ Dann aber stellte Gabriele Wieland (CDU) den Antrag, die weitere Behandlung der großen Anfrage in den Ausschuss zu überweisen. Damit hatten die Abgeordneten von SPD und Grünen wohl nicht gerechnet. Landtagsvizepräsidentin Hannelore Klamm (SPD) überhörte ihn beim ersten Mal auch glatt. Sie ließ dann aber doch abstimmen – und reflexartig stimmten Sozialdemokraten und Grüne gegen eine Überweisung in den Ausschuss. Das Thema wäre damit parlamentarisch durch gewesen. Was dann einsetzte, war Hektik. Im Plenarsaal, in der Lobby. Die Sozialdemokraten merkten, dass das Abbügeln eines solchen Antrags nicht zu „Wir haben nichts zu verbergen“ passte. Zumal zwei Journalisten doch so spät auf der Pressetribune waren. SPD-Fraktionschef Hering ging auf die CDU zu, die Geschäftsordnung wurde bemüht und so rief Klamm den Punkt noch einmal auf. Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Nils Wiechmann, räumte Fehler ein. Bei der Wiederholung der Abstimmung gingen dann alle Hände nach oben. Statt in den Papierkorb wandert die große Anfrage zum „Beratungs- und Projektwesen , Sie wissen schon, jetzt in den Urlaubskoffer. Nach den Ferien bohrt die CDU dann mit frischer Kraft weiter.

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