Rheinland-Pfalz Katholiken fordern einen anderen Lebensstil

FRANKENTHAL (nt). Was gehört zu einem guten Leben? Dies war die zentrale Frage des 78. Katholikentages der Diözese Speyer gestern in Frankenthal. Ungewöhnlich deutliche Worte fand der Hauptgeschäftsführer von Misereor, Monsignore Pirmin Spiegel, beim Abschlussgottesdienst am Nachmittag: „Diese Wirtschaft tötet“, so lautete eine seiner Aussagen.

Zum Abschluss war der Rathausplatz wieder voller Menschen, nach dem ebenfalls gut besuchten Auftaktgottesdienst mit dem Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann war es beim Bühnenprogramm mit Gesprächskreisen und Musik am Nachmittag bei schwül-warmem Wetter auf dem zentralen Platz recht leer. Spiegel sah den Kirchentag als Baustein auf dem Weg zur Umkehr. Lange habe die Formel, Wachstum sei Entwicklung und dies wieder gleich bedeutend mit Wohlstand, gegolten. „Diese Formel geht für immer mehr Menschen nicht auf“, so Spiegel. Viele spürten, dass die Welt nicht mehr so ist, wie sie sein soll. 850 Millionen Menschen, die hungern und der Klimawandel seien nur zwei dieser bedrohlichen Faktoren. „Wir brauchen einen anderen Lebensstil. Es gibt Alternativen. Menschen in anderen Teilen dieser Welt dürfen nicht zur Wegwerfware werden“, mahnte Spiegel. Wiesemann nannte in seiner Predigt beim Auftaktgottesdienst unter anderem die Familie als Keimzelle des guten Lebens. Er kritisierte, dass unzählige Kinder gar nicht die Chance zur Entfaltung erhielten. Und er stellte die Frage, ob denn ein Leben frei von Leid, ein Leben ohne Tod, ein gutes Leben sei. Als Beispiel für ein gutes Engagement im Bistum nannte er die zahlreichen Hungermärsche. Der Frage nach dem Lebensstil wurde ebenso in zahlreichen Workshops des Kirchentages nachgegangen, in denen es um die Produktion von Textilien, die Flüchtlingsproblematik aus Ländern in Osteuropa, den Umgang mit Lebensmitteln, aber auch um die Frage „Wirtschaftswachstum ohne Ende?“ ging. Es gab nicht nur eine Stimme, die meinte, dass die Kirche ihr Gewicht bei diesen Fragen zu wenig in die Waagschale werfe. In anderen Workshops wurde dem Ist-Zustand im Gemeindeleben nachgegangen. Hier fehlte einigen Kirchentagsbesuchern die Offenheit und Herzlichkeit in den Gemeinden. „Wir alle sind die Kirche“, sagte dazu Bischof Karl-Heinz Wiesemann im Gespräch mit der RHEINPFALZ. Er sehe seine Aufgabe darin, die Menschen zu inspirieren, sodass jeder an seiner Stelle in der Gesellschaft tätig werde. Insgesamt empfand er den Kirchentag als eine Veranstaltung mit sehr guter Atmosphäre. Auf einer Kirchenmeile präsentierten sich kirchliche Organisationen. Jugendverbände, Caritas und Kolpingwerk stellten ihre Arbeit vor, zu finden waren aber auch Gruppierungen wie die Gemeinschaft Katholischer Männer und Frauen, die wissenschaftliche Fragestellungen mit dem Glauben verknüpfen. Erstmals war nach eigenen Aussagen auch die kirchenkritische Organisation „Wir sind Kirche“ mit einem eigenen Stand zugelassen. Mittendrin die Vertreter des Katholikenrates der Diözese, die die Kampagne „Gutes Leben. Für alle!“ angestoßen hatten und nun mit dem Kirchentag schon in die Phase der 100 Experimente zu einem besseren Leben eintreten. Fünf beispielhafte Projekte in Gemeinden des Bistums wurden am Nachmittag ausgezeichnet.

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