Rheinland-Pfalz Jüdischer Friedhof kein Bauplatz

Koblenz/Wallertheim (epd/swz). Ein seit Jahren schwelender Streit über einen versehentlich als Baugebiet ausgewiesenen alten jüdischen Friedhof hat gestern das rheinland-pfälzische Oberverwaltungsgericht in Koblenz beschäftigt. Zum Hintergrund: Im Judentum werden Friedhöfe für die Ewigkeit angelegt, sie müssen auf Dauer als Gräberfelder erhalten werden.

In der rheinhessischen Gemeinde Wallertheim (Landkreis Alzey-Worms) verhandelt der Käufer des Grundstücks seit 2011 erfolglos mit den Behörden über eine Entschädigung. Mit einem Normenkontrollantrag versuchte er nun, eine Änderung des örtlichen Bebauungsplans zu kippen, die jegliche Bauarbeiten auf seinem Gelände unmöglich macht (Aktenzeichen: 1 C 10846/13.OVG). Die Gemeinde Wallertheim hatte das Grundstück 1992 zur Bebauung freigegeben. Unmittelbar bevor dort Arbeiten an einem Einfamilienhaus begannen, verhängten die Behörden jedoch einen Baustopp, als bekanntgeworden war, dass es sich um das einstige Gelände eines jüdischen Friedhofs handelte. Äußerlich war die Wiese nicht mehr als Friedhof zu erkennen. Etwa 1840 war der alte jüdische Friedhof geschlossen und ein neuer angelegt worden. Das Gräberfeld war in der NS-Zeit eingeebnet worden, nachdem zuvor offenbar die meisten dort bestatteten Toten auf den neuen Friedhof umgebettet worden waren. Eine Delegation der Orthodoxen Rabbinerkonferenz und die zuständige Jüdische Gemeinde Mainz kamen dennoch zu dem Ergebnis, dass Bauarbeiten die im Judentum gebotene ewige Totenruhe stören würden. Auf ihr Bitten hin wurde der Bebauungsplan anschließend wieder geändert. Nach dem Ende der NS-Diktatur hatte sich die junge Bundesrepublik gegenüber dem Zentralrat der Juden verpflichtet, das ewige Ruherecht auf den jüdischen Gräberfeldern zu respektieren und die Anlagen zumindest mit einfachen Mitteln instand zu halten. Doch die Verpflichtung gilt nur für diejenigen Flächen, die in eine Liste mit bundesweit rund 2000 Friedhöfen aufgenommen wurden. Der alte jüdische Friedhof von Wallertheim fehlt dort, anders als ein zweites, neueres Gräberfeld im Ort. Einen Rechtsanspruch darauf, das Gelände auf ewige Zeit unangetastet zu erhalten, gebe es deshalb im vorliegenden Fall nicht, hieß es deshalb seinerzeit bei der Ortsverwaltung: „Wir bewegen uns auf dem Boden des Moralischen.“ In der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht machte der Kläger aber gestern erneut deutlich, dass auch er nicht auf dem Friedhof bauen wolle, sondern vor allem angemessen entschädigt werden wolle. Für ein geplantes Amtshaftungsverfahren müsse er nachweisen, dass er alle Rechtsmittel bereits ausgeschöpft habe. „Ich habe mich an alle Vorschriften gehalten und bin jetzt der Leidtragende“, klagt der verhinderte Bauherr. Die Gemeinde habe ihm in den Verhandlungen bislang nur angeboten, den Kaufpreis und die Grunderwerbssteuer zu erstatten. Auf Schadenersatzforderungen der Baufirma sowie Gerichts- und Anwaltskosten in mittlerweile fünfstelliger Höhe drohe er hingegen sitzenzubleiben. In der mündlichen Verhandlung äußerten die Richter Zweifel an den Erfolgschancen des Normenkontrollverfahrens. Nachdem die Vergangenheit des Geländes bekanntgeworden war, hätten die Verantwortlichen zwischen dem Recht der Religionsgemeinschaft und dem Recht auf Privateigentum abwägen müssen. Eine schriftliche Entscheidung soll im Laufe der Woche verkündet werden. Auch anderenorts in der Bundesrepublik scheiterten Bauvorhaben bereits an unerwartet entdeckten jüdischen Gräbern. In Mainz etwa waren Arbeiter im Jahr 2007 in einer Baugrube nahe des bekannten jüdischen Friedhofs auf teils über 900 Jahre alte Grabsteine gestoßen. Die Stadt ließ das Projekt stoppen und stellte dem Bauunternehmer ein Alternativgrundstück zur Verfügung. Gegen den Bau eines Einkaufszentrums in Hamburg-Ottensen demonstrierten Anfang der 90er Jahre fromme Juden aus aller Welt. Das Gebäude wurde trotz der Proteste fertiggestellt, allerdings ohne die ursprünglich geplante Tiefgarage.

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