Rheinland-Pfalz Grüner Strom aus grauem Kasten

Nattenheim. Das Solarmodul glänzt in der Sonne, das Windrad dreht sich, die Biogasanlage läuft – sie alle produzieren Strom aus regenerativen Energiequellen. Das Problem ist: Sie tun es nicht gleichmäßig, sondern einmal mehr und einmal weniger. Das führt zu Spannungsschwankungen im Stromnetz. Doch jetzt gibt es für das Problem eine Lösung: den Mittelspannungsregler. Die bundesweit erste Anlage dieser Art steht in der Eifel.

Unscheinbar sieht das neue Gerät aus, das Fachleuten als die große Innovation für die Energieversorgung auf dem Land gilt. Ein grauer, zwei mal fünf Meter großer Kasten auf einem Betonfundament. In einer Abteilung stehen die Rechner, in der andern zwei braune Transformatoren. Die 40 Tonnen schwere Konstruktion nimmt den Strom auf, den rund 200 kleine und mittlere Biogas- und Solaranlagen in der Umgebung produzieren. Mal ist es viel, mal ist es wenig, die Spannung steigt und fällt – und genau diese Schwankungen kann der Mittelspannungsregler ausgleichen. „Man muss sich das vorstellen wie in einem Wellenbad“, sagt David Kryszons von Westnetz Trier, einer hundertprozentigen RWE-Tochter. „Die Wellen kommen an und werden durch unseren Schalter in eine gleichmäßige Strömung verwandelt.“ RWE hat das System gemeinsam mit der Firma ABB aus Brilon (Sauerland) entwickelt, drei Jahre lang getestet und jetzt fest in Nattenheim (Eifelkreis Bitburg-Prüm) installiert. Der graue Kasten steht nicht zufällig in einem ländlichen Gebiet auf freiem Feld. 80 Prozent der regenerativen Energie wird auf dem Land produziert. In Nattenheim ist der Mittelspannungsregler für die Stromversorgung in einem Umkreis von etwa 30 Kilometern zuständig. Er verhindert extreme Spannungsausschläge nach oben oder unten, die im Extremfall sogar das Funktionieren elektrischer Geräte stören könnten. „Durch den Regler können wir die grüne Energie viel effektiver nutzen“, sagt Michael Schneider, Ingenieur bei Westnetz. Er schätzt, dass ab sofort der Strom von rund 500 Solardächern zusätzlich aufgenommen werden kann. Ohne den Mittelspannungsregler wäre irgendwann der Zeitpunkt erreicht, an dem man neue alternative Stromproduzenten abweisen müsste, weil die Versorgungsnetze an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angekommen wären. Die einzige Alternative wäre der Netzausbau, also das Verlegen von neuen Kabeln mit größerem Querschnitt. „Aber das wäre ein riesiger Aufwand und viel zu teuer“, sagt Schneider. „Der Mittelspannungsregler macht das einfacher und wesentlich billiger.“ Bereits seit 2011 war ein erster Prototyp des Mittelspannungslängsreglers, der aus Neuseeland stammte, in der Eifel erfolgreich getestet worden. In kontinuierlicher Zusammenarbeit der beteiligten Unternehmen wurden die Betriebserfahrungen und Erkenntnisse jetzt am ABB-Standort Brilon in einen vollständig neu entwickelten und inzwischen nahezu serienreifen Regler umgesetzt. Für die Experten von Westnetz ist die neue Technik die ideale Lösung für den Ausbau regenerativer Energien auf dem Land. „Wir erhalten hier ein innovatives Betriebsmittel, das es uns möglich macht, die Energiewende mit wirtschaftlichen Lösungen zu gestalten“, erläuterte Jürgen Stoffel, Leiter des Regionalzentrums Trier bei Westnetz. Noch ist der Mittelspannungsregler in der Eifel der einzige in Deutschland. Auch auf dem europäischen Markt gab es einen solchen Regler für die Mittelspannung bisher noch nicht. Das wird jedoch nicht so bleiben. Auch andere Stromversorgungsunternehmen sind dabei, ähnliche Modelle zu entwickeln. Und für das Projekt in Nattenheim haben sich schon Kunden aus Belgien, der Schweiz, Österreich und China interessiert. Beeindruckt waren sie nicht zuletzt von den flexiblen Einsatzmöglichkeiten. Die Betonkonstruktion ist transportabel. „Wenn das Ding mal woanders dringender gebraucht wird“, sagt David Kryszons, „können wir es auf einen Lkw laden und an seinen neuen Bestimmungsort bringen.“ Auch die Pfalzwerke AG in Ludwigshafen zeigt sich offen für diese Innovation: Die neuere Generation dieser Regler komme künftig für das Unternehmen durchaus an der einen oder anderen Stelle infrage, sagt Klaus Zimmer, Leiter der Abteilung Netzsteuerung. Diese Regler hätten eine höhere Lebenserwartung und wiesen eine höhere zulässige Kurzschlussbelastbarkeit auf. Zimmer: „Allerdings grenzt die derzeit lieferbare Durchgangsleistung das mögliche Einsatzgebiet noch etwas ein. “

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